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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

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Wäre es wahr, daß Arbeitstheilung die Preise erhöht, dann könnte ja das
Publicum nur dabei gewinnen, wenn in Folge der Frachtdifferenzen der
Zwischenhandel aufhörte, der doch eben darauf beruht, daß außer dem Fabri¬
kanten oder Importeur und dem Detaillisten noch eine dritte Hand an der
Waare gewinnen will. Mir von meinem Standpunkte sind die Verdienste
des Zwischenhandels ebenso verständlich wie die Vortheile der Trennung des
Frachtverkehrs von dem Fahrverkehr, durch welche die Eisenbahn-Verwaltun¬
gen in den Stand gesetzt werden, ihre ganze Sorgfalt auf die Instand¬
haltung des Schienenwegs und des Betriebs-Materials zu verwenden, wäh¬
rend die Sorge für Ausnutzung des Wagenraums einer anderen Classe von
Geschäftstreibenden überlassen bleibt, welche diese Arbeit präsumtiv besser und
wohlfeiler verrichten. Ich bin überzeugt, daß den Eisenbahnverwaltungen
die Vortheile dieser Arbeitstheilung auf die Dauer nicht verborgen bleiben.
Des Zwanges wird es daher nicht bedürfen." Referent warnt nochmals
vor unfruchtbaren Resolutionen, welche nach Lassalle'sehen Muster alles Heil
von der Staatseinmischung erwarten.

Die Ausschußanträge werden hierauf mit großer Mehrheit angenommen.
Punkt 1 enthält den motivirten Wunsch nach Durchführung der Unter¬
scheidung zwischen Fahrverkehr und Frachtverkehr in Gesetz und Praxis.
Punkt 2 lautet mit dem oben erwähnten Zusätze: "Der bleibende Ausschuß
wird beauftragt, im Sinne dieses Grundsatzes eine Petition an das Bundes¬
kanzleramt zu richten und dabei nach Anleitung der Denkschrift vom Mai
1868 eine Verschärfung der Haftpflicht der Eisenbahnen, namentlich in den
Fällen des Diebstahls, erwiesener Fahrlässigkeit der Beamten und des
Bruchschadens anzuregen, ingleichen in Betreff der Lieferfristen nach Ma߬
gabe der Verträge der Handelskammer zu Leipzig." Punkt 3: "Es ist erfor¬
derlich, daß die Eisenbahnen verpflichtet werden, auf Erfordern der Inter¬
essenten Ladescheine und Nachnahme scheine zu ertheilen und wird der
bleibende Ausschuß beauftragt, auch in dieser Beziehung auf die Durchführung
der in der gedachten Denkschrift entwickelten Grundsätze hinzuarbeiten". Da¬
neben gewann aber auch die eine Moll'sche Resolution eine kleine Mehrheit
für sich, welche das Eine thun und das Andere nicht lassen mochte. Sie
lautet: "Im Interesse unseres Verkehrslebens und unserer Concurrenzfähigkeit
ist die Verallgemeinerung des Einpfennigtarifs auf alle Massentransporte
auf das Dringendste geboten".

In Betreff der Stromschifffahrt ging der Ausschußantrag durch nebst
einem Antrag von Scharffenorth-Memel, durch welchen einige der auf¬
zunehmenden Grundsätze präcisirt werden.

IV. Ueber die Einrichtung der Handelsgerichte hatte der Handels¬
tag bereits in Heidelberg und in Frankfurt 1861 und 1865 seine. Ansicht


Wäre es wahr, daß Arbeitstheilung die Preise erhöht, dann könnte ja das
Publicum nur dabei gewinnen, wenn in Folge der Frachtdifferenzen der
Zwischenhandel aufhörte, der doch eben darauf beruht, daß außer dem Fabri¬
kanten oder Importeur und dem Detaillisten noch eine dritte Hand an der
Waare gewinnen will. Mir von meinem Standpunkte sind die Verdienste
des Zwischenhandels ebenso verständlich wie die Vortheile der Trennung des
Frachtverkehrs von dem Fahrverkehr, durch welche die Eisenbahn-Verwaltun¬
gen in den Stand gesetzt werden, ihre ganze Sorgfalt auf die Instand¬
haltung des Schienenwegs und des Betriebs-Materials zu verwenden, wäh¬
rend die Sorge für Ausnutzung des Wagenraums einer anderen Classe von
Geschäftstreibenden überlassen bleibt, welche diese Arbeit präsumtiv besser und
wohlfeiler verrichten. Ich bin überzeugt, daß den Eisenbahnverwaltungen
die Vortheile dieser Arbeitstheilung auf die Dauer nicht verborgen bleiben.
Des Zwanges wird es daher nicht bedürfen." Referent warnt nochmals
vor unfruchtbaren Resolutionen, welche nach Lassalle'sehen Muster alles Heil
von der Staatseinmischung erwarten.

Die Ausschußanträge werden hierauf mit großer Mehrheit angenommen.
Punkt 1 enthält den motivirten Wunsch nach Durchführung der Unter¬
scheidung zwischen Fahrverkehr und Frachtverkehr in Gesetz und Praxis.
Punkt 2 lautet mit dem oben erwähnten Zusätze: „Der bleibende Ausschuß
wird beauftragt, im Sinne dieses Grundsatzes eine Petition an das Bundes¬
kanzleramt zu richten und dabei nach Anleitung der Denkschrift vom Mai
1868 eine Verschärfung der Haftpflicht der Eisenbahnen, namentlich in den
Fällen des Diebstahls, erwiesener Fahrlässigkeit der Beamten und des
Bruchschadens anzuregen, ingleichen in Betreff der Lieferfristen nach Ma߬
gabe der Verträge der Handelskammer zu Leipzig." Punkt 3: „Es ist erfor¬
derlich, daß die Eisenbahnen verpflichtet werden, auf Erfordern der Inter¬
essenten Ladescheine und Nachnahme scheine zu ertheilen und wird der
bleibende Ausschuß beauftragt, auch in dieser Beziehung auf die Durchführung
der in der gedachten Denkschrift entwickelten Grundsätze hinzuarbeiten". Da¬
neben gewann aber auch die eine Moll'sche Resolution eine kleine Mehrheit
für sich, welche das Eine thun und das Andere nicht lassen mochte. Sie
lautet: „Im Interesse unseres Verkehrslebens und unserer Concurrenzfähigkeit
ist die Verallgemeinerung des Einpfennigtarifs auf alle Massentransporte
auf das Dringendste geboten".

In Betreff der Stromschifffahrt ging der Ausschußantrag durch nebst
einem Antrag von Scharffenorth-Memel, durch welchen einige der auf¬
zunehmenden Grundsätze präcisirt werden.

IV. Ueber die Einrichtung der Handelsgerichte hatte der Handels¬
tag bereits in Heidelberg und in Frankfurt 1861 und 1865 seine. Ansicht


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[0252] Wäre es wahr, daß Arbeitstheilung die Preise erhöht, dann könnte ja das Publicum nur dabei gewinnen, wenn in Folge der Frachtdifferenzen der Zwischenhandel aufhörte, der doch eben darauf beruht, daß außer dem Fabri¬ kanten oder Importeur und dem Detaillisten noch eine dritte Hand an der Waare gewinnen will. Mir von meinem Standpunkte sind die Verdienste des Zwischenhandels ebenso verständlich wie die Vortheile der Trennung des Frachtverkehrs von dem Fahrverkehr, durch welche die Eisenbahn-Verwaltun¬ gen in den Stand gesetzt werden, ihre ganze Sorgfalt auf die Instand¬ haltung des Schienenwegs und des Betriebs-Materials zu verwenden, wäh¬ rend die Sorge für Ausnutzung des Wagenraums einer anderen Classe von Geschäftstreibenden überlassen bleibt, welche diese Arbeit präsumtiv besser und wohlfeiler verrichten. Ich bin überzeugt, daß den Eisenbahnverwaltungen die Vortheile dieser Arbeitstheilung auf die Dauer nicht verborgen bleiben. Des Zwanges wird es daher nicht bedürfen." Referent warnt nochmals vor unfruchtbaren Resolutionen, welche nach Lassalle'sehen Muster alles Heil von der Staatseinmischung erwarten. Die Ausschußanträge werden hierauf mit großer Mehrheit angenommen. Punkt 1 enthält den motivirten Wunsch nach Durchführung der Unter¬ scheidung zwischen Fahrverkehr und Frachtverkehr in Gesetz und Praxis. Punkt 2 lautet mit dem oben erwähnten Zusätze: „Der bleibende Ausschuß wird beauftragt, im Sinne dieses Grundsatzes eine Petition an das Bundes¬ kanzleramt zu richten und dabei nach Anleitung der Denkschrift vom Mai 1868 eine Verschärfung der Haftpflicht der Eisenbahnen, namentlich in den Fällen des Diebstahls, erwiesener Fahrlässigkeit der Beamten und des Bruchschadens anzuregen, ingleichen in Betreff der Lieferfristen nach Ma߬ gabe der Verträge der Handelskammer zu Leipzig." Punkt 3: „Es ist erfor¬ derlich, daß die Eisenbahnen verpflichtet werden, auf Erfordern der Inter¬ essenten Ladescheine und Nachnahme scheine zu ertheilen und wird der bleibende Ausschuß beauftragt, auch in dieser Beziehung auf die Durchführung der in der gedachten Denkschrift entwickelten Grundsätze hinzuarbeiten". Da¬ neben gewann aber auch die eine Moll'sche Resolution eine kleine Mehrheit für sich, welche das Eine thun und das Andere nicht lassen mochte. Sie lautet: „Im Interesse unseres Verkehrslebens und unserer Concurrenzfähigkeit ist die Verallgemeinerung des Einpfennigtarifs auf alle Massentransporte auf das Dringendste geboten". In Betreff der Stromschifffahrt ging der Ausschußantrag durch nebst einem Antrag von Scharffenorth-Memel, durch welchen einige der auf¬ zunehmenden Grundsätze präcisirt werden. IV. Ueber die Einrichtung der Handelsgerichte hatte der Handels¬ tag bereits in Heidelberg und in Frankfurt 1861 und 1865 seine. Ansicht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/252>, abgerufen am 06.02.2025.