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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

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Ruhepunkt gewähren, weil unter dem Betrag das cvmxouväinA beginne. Dies
besteht in dem Brauch, daß kleine Miether ihre Gemeindesteuern nicht selbst
bezahlen, sondern durch Vermittlung des Hauseigenthümers. Die städtische
Behörde, um die Weitläufigkeiten zu vermeiden, welche die Eintreibung kleiner
Steuerbeträge verursacht, trifft ein Abkommen mit dem Eigenthümer, wonach
derselbe die Gemeindeabgaben bezahlt und auf die Miethe schlägt, die Stadt aber
gewährt dafür, daß sie des Etnsammelns überhoben ist, eine gewisse Reduction
der Steuer, so daß z. B. ein Miether der 10 Shilling? zahlen müßte, durch seinen
Hauswirth nur 7 zahlt; Leute, die auf diese Weise wohnen, nennt man eom-
pounÄ KouLelwIäerL. Walpole und Henley nahmen ganz verständigerweise
als die Grenze, wo die Unabhängigkeit aufhöre und Abhängigkeit beginne den
Miethbetrag von 8 Pfd. Sterl. an, wo das eompounäiug gewöhnlich be¬
ginnt (Hansard vol. 152 vol. 1218), und Gladstone erklärte in der Debatte
im Namen der Opposition, daß, wenn der Schatzkanzler auf diese Idee einge¬
gangen wäre, die Bill mit allgemeiner Zustimmung begrüßt sein würde.
Aber Disraeli und Stanley waren hierzu nicht zu bewegen. Der erste er¬
klärte, daß die Herabsetzung der Wahlqualification in Städten zu der Herr¬
schaft einer Haushalterdemokratie führen müsse; es sei noch kein wirksames
Ersatzmittel für das gegenwärtige System gefunden, durch welches man eine
entsprechende Vertretung der verschiedenen Interessen und Classen des Landes
erhalte. Als Lord Russell fragte, ob das Ministerum leugnen wolle, daß seit
1832 große Fortschritte von den arbeitenden Classen gemacht und Viele un¬
ter ihnen seien, welche nicht 10 Pfd. Sterl. Miethe zahlten und doch fähig
seien das Wahlrecht auszuüben, entgegnete Lord Stanley, er wolle diese Fort¬
schritte nicht leugnen und ihnen werde Rechnung getragen durch die soge¬
nannte lateral kraneliises der Bill, indem Alle dies Stiwmrecht erhalten soll¬
ten, welche einen gewissen Betrag in Sparkassen hätten oder aus Zinsen be¬
zögen, sowie die Zimmereinwohner welche 20 Pfd. Sterl. jährlich zahlten;
dagegen weigerte er sich durch eine allgemeine Maßregel die arbeitenden Classen
als solche (in a docto) zum Wahlrecht zuzulassen, über Einzelheiten lasse sich
reden, in dieser Principfrage aber könne das Ministerium nicht nachgeben
und fordre das Verdict des Hauses. Dasselbe fiel verneinend aus, und als
nach der Auflösung die allgemeinen Wahlen den Gegnern des Ministeriums
die Majorität gegeben, mußte dasselbe zurücktreten. Denselben Standpunkt
nahm Disraeli bei seiner Opposition gegen die nun folgenden Reformversuche
der Liberalen ein; 1860 bekämpfte er Lord John Russell's Vorschlag, die städ¬
tische Qualification auf 6 Pfd. Sterl. Miethe herabzusetzen, weil sie einer
Classe, nämlich der arbeitenden, ein ungebührliches Uebergewicht gebe, ebenso
opponirte er der Gladstone'schen Bill von 1866, welche die Herabsetzung
auf 7 Pfd. Sterl. vorschlug, weil damit die Geschicke des Landes einer bloßen


Ruhepunkt gewähren, weil unter dem Betrag das cvmxouväinA beginne. Dies
besteht in dem Brauch, daß kleine Miether ihre Gemeindesteuern nicht selbst
bezahlen, sondern durch Vermittlung des Hauseigenthümers. Die städtische
Behörde, um die Weitläufigkeiten zu vermeiden, welche die Eintreibung kleiner
Steuerbeträge verursacht, trifft ein Abkommen mit dem Eigenthümer, wonach
derselbe die Gemeindeabgaben bezahlt und auf die Miethe schlägt, die Stadt aber
gewährt dafür, daß sie des Etnsammelns überhoben ist, eine gewisse Reduction
der Steuer, so daß z. B. ein Miether der 10 Shilling? zahlen müßte, durch seinen
Hauswirth nur 7 zahlt; Leute, die auf diese Weise wohnen, nennt man eom-
pounÄ KouLelwIäerL. Walpole und Henley nahmen ganz verständigerweise
als die Grenze, wo die Unabhängigkeit aufhöre und Abhängigkeit beginne den
Miethbetrag von 8 Pfd. Sterl. an, wo das eompounäiug gewöhnlich be¬
ginnt (Hansard vol. 152 vol. 1218), und Gladstone erklärte in der Debatte
im Namen der Opposition, daß, wenn der Schatzkanzler auf diese Idee einge¬
gangen wäre, die Bill mit allgemeiner Zustimmung begrüßt sein würde.
Aber Disraeli und Stanley waren hierzu nicht zu bewegen. Der erste er¬
klärte, daß die Herabsetzung der Wahlqualification in Städten zu der Herr¬
schaft einer Haushalterdemokratie führen müsse; es sei noch kein wirksames
Ersatzmittel für das gegenwärtige System gefunden, durch welches man eine
entsprechende Vertretung der verschiedenen Interessen und Classen des Landes
erhalte. Als Lord Russell fragte, ob das Ministerum leugnen wolle, daß seit
1832 große Fortschritte von den arbeitenden Classen gemacht und Viele un¬
ter ihnen seien, welche nicht 10 Pfd. Sterl. Miethe zahlten und doch fähig
seien das Wahlrecht auszuüben, entgegnete Lord Stanley, er wolle diese Fort¬
schritte nicht leugnen und ihnen werde Rechnung getragen durch die soge¬
nannte lateral kraneliises der Bill, indem Alle dies Stiwmrecht erhalten soll¬
ten, welche einen gewissen Betrag in Sparkassen hätten oder aus Zinsen be¬
zögen, sowie die Zimmereinwohner welche 20 Pfd. Sterl. jährlich zahlten;
dagegen weigerte er sich durch eine allgemeine Maßregel die arbeitenden Classen
als solche (in a docto) zum Wahlrecht zuzulassen, über Einzelheiten lasse sich
reden, in dieser Principfrage aber könne das Ministerium nicht nachgeben
und fordre das Verdict des Hauses. Dasselbe fiel verneinend aus, und als
nach der Auflösung die allgemeinen Wahlen den Gegnern des Ministeriums
die Majorität gegeben, mußte dasselbe zurücktreten. Denselben Standpunkt
nahm Disraeli bei seiner Opposition gegen die nun folgenden Reformversuche
der Liberalen ein; 1860 bekämpfte er Lord John Russell's Vorschlag, die städ¬
tische Qualification auf 6 Pfd. Sterl. Miethe herabzusetzen, weil sie einer
Classe, nämlich der arbeitenden, ein ungebührliches Uebergewicht gebe, ebenso
opponirte er der Gladstone'schen Bill von 1866, welche die Herabsetzung
auf 7 Pfd. Sterl. vorschlug, weil damit die Geschicke des Landes einer bloßen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/222>, abgerufen am 05.02.2025.