Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.Trouveres als Liederdichter, von den Punkten, wo sie den Dichtern dert^anZuö Wirklich überlegen sind aber die Trouveres den Dichtern der I^nZue ') Ihren Ursprung dahin zu verlegen, verwehrt ein genaueres Studium dieser Dichtungs¬
art bei Franzosen und Proveiisaleu, wie wir anderswo sin Lemcke's Jahrbuch für romanische Literatur) gezeigt haben. Trouveres als Liederdichter, von den Punkten, wo sie den Dichtern dert^anZuö Wirklich überlegen sind aber die Trouveres den Dichtern der I^nZue ') Ihren Ursprung dahin zu verlegen, verwehrt ein genaueres Studium dieser Dichtungs¬
art bei Franzosen und Proveiisaleu, wie wir anderswo sin Lemcke's Jahrbuch für romanische Literatur) gezeigt haben. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0180" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/287452"/> <p xml:id="ID_451" prev="#ID_450"> Trouveres als Liederdichter, von den Punkten, wo sie den Dichtern dert^anZuö<lb/> ä've offenbar überlegen sind, hatten' diese Champions der nordfranzösischen<lb/> Dichtung nur eine sehr geringe oder gar keine Kenntniß. Wir sagen die<lb/> eigentlichen Vorzüge der nordfranzösischen Lyrik, denn das sind wir weit<lb/> entfernt bestreiten zu wollen, daß die Trouveres in der poetisch-rhetori¬<lb/> schen Behandlung der Erotik (im Sinne von Diez), in der eigentlichen<lb/> Dialektik der Minnepoesie, namentlich aber in der Gewandtheit und viel¬<lb/> seitigen Ausbildung der Form, in der Glätte und Gefeiltheit der Sprache,<lb/> worin die provenxalische Dichtung, diese erste aller modernen Kunstpoesien,<lb/> so wunderbar weit gekommen, die Schüler und meistens die weit hinter ihrem<lb/> Muster zurückgebliebene Schüler der Troubadours waren. Es haben in allen<lb/> Theilen der höfischen Poesie, in Sirventes, Canzonen, Planhs, Sonets, Ten-<lb/> zonen, und wie die vielfachen Formen und Arten der erfindungsreichen Trou¬<lb/> badours alle heißen mögen, die Trouveres ihre Vorbilder selten erreicht und<lb/> die Stücke, die sich wirklich mit provenxalischen derselben Art messen können,<lb/> sind zu zählen.</p><lb/> <p xml:id="ID_452" next="#ID_453"> Wirklich überlegen sind aber die Trouveres den Dichtern der I^nZue<lb/> et've in allen Arten der volksthümlichen Poesie, in dem volksmäßigen bal¬<lb/> ladenartig erzählenden Liede, in der eigentlichen Romanze, in Trink- und<lb/> Tanzweisen, Estampins, MotetS und vor Allen in den Pastourellen. Wenn<lb/> durch den nunmehr festgestellten Einfluß der schon im Anfang des 13. Jahr¬<lb/> hunderts in Südfrankreich sehr bekannten nordfranzösischen Dichtung zu den<lb/> Zeiten der Nachblüthe der provencalischen Literatur hie und da ein Versuch<lb/> gemacht wurde, diese volksthümlichen Dichtungsarten des Nordens im Süden<lb/> einzuführen, so vermochte man sie doch nur zu einer kümmerlichen Existenz<lb/> zu erwecken. — Der der Entwickelung der höfischen Poesie so ungemein vor¬<lb/> theilhafte Boden Südfrankreichs konnte das Gedeihen dieser urwüchsigen Pflanzen<lb/> nicht begünstigen; sie gingen nach Zerstörung ihrer eigentlichen Natur in<lb/> eine Ab- und Mischart höfischer Poesie über. Das bemerken wir namentlich<lb/> bei den Pastourellen, die doch schon ziemlich früh in Südfrankreich eingeführt<lb/> se,jn müssen*). Abgesehen von den herkömmlichen Figuren der Schäferin und<lb/> des Ritters haben sie mit den nordfranzösischen Stücken dieser Art fast gar<lb/> keine Ähnlichkeit mehr — diese volksthümliche Poesie Nordfrankreichs, der<lb/> beste Titel auf die Eigenthümlichkeit und Originalität seiner lyrischen Dichtung<lb/> im Mittelalter, ist eine vollkommene Offenbarung des französischen Volks¬<lb/> geistes in seinem älteren Typus, da ihm das Streben nach classischer Form<lb/> und Regelmäßigkeit, das sich später mit breitspuriger Ausschließlichkeit Geltung</p><lb/> <note xml:id="FID_31" place="foot"> ') Ihren Ursprung dahin zu verlegen, verwehrt ein genaueres Studium dieser Dichtungs¬<lb/> art bei Franzosen und Proveiisaleu, wie wir anderswo sin Lemcke's Jahrbuch für romanische<lb/> Literatur) gezeigt haben.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0180]
Trouveres als Liederdichter, von den Punkten, wo sie den Dichtern dert^anZuö
ä've offenbar überlegen sind, hatten' diese Champions der nordfranzösischen
Dichtung nur eine sehr geringe oder gar keine Kenntniß. Wir sagen die
eigentlichen Vorzüge der nordfranzösischen Lyrik, denn das sind wir weit
entfernt bestreiten zu wollen, daß die Trouveres in der poetisch-rhetori¬
schen Behandlung der Erotik (im Sinne von Diez), in der eigentlichen
Dialektik der Minnepoesie, namentlich aber in der Gewandtheit und viel¬
seitigen Ausbildung der Form, in der Glätte und Gefeiltheit der Sprache,
worin die provenxalische Dichtung, diese erste aller modernen Kunstpoesien,
so wunderbar weit gekommen, die Schüler und meistens die weit hinter ihrem
Muster zurückgebliebene Schüler der Troubadours waren. Es haben in allen
Theilen der höfischen Poesie, in Sirventes, Canzonen, Planhs, Sonets, Ten-
zonen, und wie die vielfachen Formen und Arten der erfindungsreichen Trou¬
badours alle heißen mögen, die Trouveres ihre Vorbilder selten erreicht und
die Stücke, die sich wirklich mit provenxalischen derselben Art messen können,
sind zu zählen.
Wirklich überlegen sind aber die Trouveres den Dichtern der I^nZue
et've in allen Arten der volksthümlichen Poesie, in dem volksmäßigen bal¬
ladenartig erzählenden Liede, in der eigentlichen Romanze, in Trink- und
Tanzweisen, Estampins, MotetS und vor Allen in den Pastourellen. Wenn
durch den nunmehr festgestellten Einfluß der schon im Anfang des 13. Jahr¬
hunderts in Südfrankreich sehr bekannten nordfranzösischen Dichtung zu den
Zeiten der Nachblüthe der provencalischen Literatur hie und da ein Versuch
gemacht wurde, diese volksthümlichen Dichtungsarten des Nordens im Süden
einzuführen, so vermochte man sie doch nur zu einer kümmerlichen Existenz
zu erwecken. — Der der Entwickelung der höfischen Poesie so ungemein vor¬
theilhafte Boden Südfrankreichs konnte das Gedeihen dieser urwüchsigen Pflanzen
nicht begünstigen; sie gingen nach Zerstörung ihrer eigentlichen Natur in
eine Ab- und Mischart höfischer Poesie über. Das bemerken wir namentlich
bei den Pastourellen, die doch schon ziemlich früh in Südfrankreich eingeführt
se,jn müssen*). Abgesehen von den herkömmlichen Figuren der Schäferin und
des Ritters haben sie mit den nordfranzösischen Stücken dieser Art fast gar
keine Ähnlichkeit mehr — diese volksthümliche Poesie Nordfrankreichs, der
beste Titel auf die Eigenthümlichkeit und Originalität seiner lyrischen Dichtung
im Mittelalter, ist eine vollkommene Offenbarung des französischen Volks¬
geistes in seinem älteren Typus, da ihm das Streben nach classischer Form
und Regelmäßigkeit, das sich später mit breitspuriger Ausschließlichkeit Geltung
') Ihren Ursprung dahin zu verlegen, verwehrt ein genaueres Studium dieser Dichtungs¬
art bei Franzosen und Proveiisaleu, wie wir anderswo sin Lemcke's Jahrbuch für romanische
Literatur) gezeigt haben.
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