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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

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Eine neue Kritik der russischen Agrarverfassung.

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8odöäo-I>'si'i'0ti. (Lorlin eliW Look. 1868.)

Bei der in Deutschland ziemlich allgemeinen Unbekanntschaft mit russischen
Dingen hat nicht ausbleiben können, daß der Name des Schriftstellers, der
sich hinter dem Pseudonym Schedo-Ferroti verbirgt, in der deutschen Lese¬
welt ebenso selten, wie in der russischen und französisch-belgischen häufig ge¬
nannt worden ist. Seine Studien über die Zukunft Rußlands erregten
gleich bei dem Erscheinen des ersten Bandes (1861) in der gebildeten russi¬
schen Gesellschaft bedeutendes Aufsehen, weil sie trotz der schroffen Stellung,
die sie gegenüber dem alten System einnahmen, die von Herzen ausgehende
radicale Strömung bekämpften und inmitten einer leidenschaftlich bewegten Zeit,
in der nur die Extreme Geltung hatten, die Sprache eines ruhigen und
maßvollen Liberalismus führten und außerdem eine genaue Kenntniß russi¬
scher Zustände und Eigenthümlichkeiten bekundeten. Zu einem der bekann¬
testen in Rußland wurde der Name Schedo-Ferroti's aber erst im Jahre
1864. Während die Fluthen des nationalen Fanatismus gegen das besiegte
Polen dank der Thätigkeit Katkow's so hoch gingen, daß Niemand den
Namen Polen ohne Hinzufügung einer Verwünschung auszusprechen wagte,
veröffentlichte der Autor ein Buch, welches dem Despotismus der Tages¬
meinung kühn die Stirn bot, dem Katkow'schen Uniformitätssystem den
Fehdehandschuh hinwarf und die Unmöglichkeit und Unthunlichkeit der beab¬
sichtigten Russification des ehemaligen Königreichs Polen (von den litthaui-
schen und westrussischen Ländern der alten Republik war nicht die Rede) vom
russischen Standpunkt aus nachwies. Diese Schrift führte den Titel: "Hus
tera-t-on as 1s. ?v1oMe?" (vier Auflagen) und war ein halbes Jahr lang
der Gegenstand fast täglicher erbitterter Angriffe der Moskauschen Zeitung
und ihrer Clientel. Die westeuropäische Presse, namentlich die Journalistik
Frankreichs (die Revue ach äeux monäes widmete der Schrift eine kurze,
aber sehr anerkennende Besprechung) erklärte sich, soweit sie auf die Sache ein¬
ging, einstimmig für Schedo-Ferroti, der die Aufrechterhaltung einer Sonder-


Grenzboten IV. 1868. ^
Eine neue Kritik der russischen Agrarverfassung.

Lwäss Zur l'^peur as ig, Russie. 10. ZÄuäo: 1s Mrimoins An xsuxls L. v.
8odöäo-I>'si'i'0ti. (Lorlin eliW Look. 1868.)

Bei der in Deutschland ziemlich allgemeinen Unbekanntschaft mit russischen
Dingen hat nicht ausbleiben können, daß der Name des Schriftstellers, der
sich hinter dem Pseudonym Schedo-Ferroti verbirgt, in der deutschen Lese¬
welt ebenso selten, wie in der russischen und französisch-belgischen häufig ge¬
nannt worden ist. Seine Studien über die Zukunft Rußlands erregten
gleich bei dem Erscheinen des ersten Bandes (1861) in der gebildeten russi¬
schen Gesellschaft bedeutendes Aufsehen, weil sie trotz der schroffen Stellung,
die sie gegenüber dem alten System einnahmen, die von Herzen ausgehende
radicale Strömung bekämpften und inmitten einer leidenschaftlich bewegten Zeit,
in der nur die Extreme Geltung hatten, die Sprache eines ruhigen und
maßvollen Liberalismus führten und außerdem eine genaue Kenntniß russi¬
scher Zustände und Eigenthümlichkeiten bekundeten. Zu einem der bekann¬
testen in Rußland wurde der Name Schedo-Ferroti's aber erst im Jahre
1864. Während die Fluthen des nationalen Fanatismus gegen das besiegte
Polen dank der Thätigkeit Katkow's so hoch gingen, daß Niemand den
Namen Polen ohne Hinzufügung einer Verwünschung auszusprechen wagte,
veröffentlichte der Autor ein Buch, welches dem Despotismus der Tages¬
meinung kühn die Stirn bot, dem Katkow'schen Uniformitätssystem den
Fehdehandschuh hinwarf und die Unmöglichkeit und Unthunlichkeit der beab¬
sichtigten Russification des ehemaligen Königreichs Polen (von den litthaui-
schen und westrussischen Ländern der alten Republik war nicht die Rede) vom
russischen Standpunkt aus nachwies. Diese Schrift führte den Titel: „Hus
tera-t-on as 1s. ?v1oMe?" (vier Auflagen) und war ein halbes Jahr lang
der Gegenstand fast täglicher erbitterter Angriffe der Moskauschen Zeitung
und ihrer Clientel. Die westeuropäische Presse, namentlich die Journalistik
Frankreichs (die Revue ach äeux monäes widmete der Schrift eine kurze,
aber sehr anerkennende Besprechung) erklärte sich, soweit sie auf die Sache ein¬
ging, einstimmig für Schedo-Ferroti, der die Aufrechterhaltung einer Sonder-


Grenzboten IV. 1868. ^
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[0011] Eine neue Kritik der russischen Agrarverfassung. Lwäss Zur l'^peur as ig, Russie. 10. ZÄuäo: 1s Mrimoins An xsuxls L. v. 8odöäo-I>'si'i'0ti. (Lorlin eliW Look. 1868.) Bei der in Deutschland ziemlich allgemeinen Unbekanntschaft mit russischen Dingen hat nicht ausbleiben können, daß der Name des Schriftstellers, der sich hinter dem Pseudonym Schedo-Ferroti verbirgt, in der deutschen Lese¬ welt ebenso selten, wie in der russischen und französisch-belgischen häufig ge¬ nannt worden ist. Seine Studien über die Zukunft Rußlands erregten gleich bei dem Erscheinen des ersten Bandes (1861) in der gebildeten russi¬ schen Gesellschaft bedeutendes Aufsehen, weil sie trotz der schroffen Stellung, die sie gegenüber dem alten System einnahmen, die von Herzen ausgehende radicale Strömung bekämpften und inmitten einer leidenschaftlich bewegten Zeit, in der nur die Extreme Geltung hatten, die Sprache eines ruhigen und maßvollen Liberalismus führten und außerdem eine genaue Kenntniß russi¬ scher Zustände und Eigenthümlichkeiten bekundeten. Zu einem der bekann¬ testen in Rußland wurde der Name Schedo-Ferroti's aber erst im Jahre 1864. Während die Fluthen des nationalen Fanatismus gegen das besiegte Polen dank der Thätigkeit Katkow's so hoch gingen, daß Niemand den Namen Polen ohne Hinzufügung einer Verwünschung auszusprechen wagte, veröffentlichte der Autor ein Buch, welches dem Despotismus der Tages¬ meinung kühn die Stirn bot, dem Katkow'schen Uniformitätssystem den Fehdehandschuh hinwarf und die Unmöglichkeit und Unthunlichkeit der beab¬ sichtigten Russification des ehemaligen Königreichs Polen (von den litthaui- schen und westrussischen Ländern der alten Republik war nicht die Rede) vom russischen Standpunkt aus nachwies. Diese Schrift führte den Titel: „Hus tera-t-on as 1s. ?v1oMe?" (vier Auflagen) und war ein halbes Jahr lang der Gegenstand fast täglicher erbitterter Angriffe der Moskauschen Zeitung und ihrer Clientel. Die westeuropäische Presse, namentlich die Journalistik Frankreichs (die Revue ach äeux monäes widmete der Schrift eine kurze, aber sehr anerkennende Besprechung) erklärte sich, soweit sie auf die Sache ein¬ ging, einstimmig für Schedo-Ferroti, der die Aufrechterhaltung einer Sonder- Grenzboten IV. 1868. ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/11>, abgerufen am 05.02.2025.