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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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bezahlen keine oder nur noch Dividenden vom reservirten Gewinne früherer
Jahre; die Importeurs verlieren 10 und mehr anstatt so viel zu ver¬
dienen. Nur die Arbeiter in wenigen Branchen, wie Zimmerleute, Mau¬
rer, Anstreicher und sonst bei Häusern beschäftigte erhalten noch die
früheren und zum Theil sogar höhere Löhne, werden aber auch bald ihre
Ansprüche herabstimmen müssen. Diese Handwerker bestehen auch bei einem
Lohne von --6 Dollars pro Tag auf der Arbeitszeit von 8 Stunden,
die von den Legislativen mehrerer Staaten zur gesetzlichen gemacht worden
ist. weniger mit Rücksicht auf die Lage und Bedürfnisse des Arbeiters, als
um seine Stimme bei den nächsten Wahlen der herrschenden Partei zu sichern.
-- Trotz dieser gesetzlichen Bestimmung wird der Bedarf nach Arbeit sehr
bald entscheiden (und hat es in einzelnen Fällen schon gethan), daß der Ar¬
beiter, auch in Amerika, durch 8 Stunden Anstrengung nicht eben so viel
verdienen kann wie durch 10 Stunden.

Was nun die amerikanische Industrie betrifft, so werden die deutschen
Fabrikanten, welche auf einen Verfall derselben sich vorbereiten, ihre Rech¬
nung ohne den Wirth machen und die meisten Handlungshäuser, die viele
Geschäfte mit den Ver. Se. gemacht haben, sind wahrscheinlich mit mir über
diesen Punkt einig. Nur Fabrikate, zu deren Anfertigung viel Händearbeit
und große Aufmerksamkeit geübter Arbeiter nöthig ist, werden auch in Zu¬
kunft in die Ver. Se. mit Nutzen importirt werden können.

Wollene Waaren werden jetzt schon nur in kleinem Maße eingeführt
und mehrere Importeurs von Tücher haben ihr Geschäft aufgegeben; das
größte deutsche Importgeschäft New-Yorks, mit einem jährlichen Umsatz von
sechs Millionen Dollars, hat seine Tuchbranche dieses Jahr fallen lassen, da
nur die feineren Qualitäten sich , noch mit Nutzen verkaufen, die geringeren
jedoch, die früher massenweis gegangen sind, immer Verlust ergeben; der Zoll
ist aber auch sehr hoch, er beträgt ca. 70--80°/" des Werthes, wenn man den
nach dem Gewicht berechneten Zoll und den nach dem Werthe der Waare
berechneten addirt.

Halbwollene Kleiderstoffe, Saxony Dreß Goods, die wie jedes Fabrikat,
M welchem Wolle wenn auch nur wenig verwandt ist, den hohen Zoll mit
bezahlen müssen, haben beinahe aufgehört, in New-York importirt zu werden;
ein Haus in dieser Branche hat trotz eines Gewinnes von ca. ö00/in Dollars
1868, im vorigen Jahre fallirt, ein zweites in diesem Frühjahr liquidirt,
ein drittes drüben eine Fabrik errichtet und das vierte große deutsche be-
schränkt sich jetzt auf den Import der feineren Qualitäten.

Aber nicht allein in den hoch besteuerten wollenen Waaren, sondern
^und in den nur 35"/o bezahlenden baumwollenen ist die amerikanische Con-
currenz nicht zu verachten. Chemnitz kann seine baumwollenen Strumpf-


bezahlen keine oder nur noch Dividenden vom reservirten Gewinne früherer
Jahre; die Importeurs verlieren 10 und mehr anstatt so viel zu ver¬
dienen. Nur die Arbeiter in wenigen Branchen, wie Zimmerleute, Mau¬
rer, Anstreicher und sonst bei Häusern beschäftigte erhalten noch die
früheren und zum Theil sogar höhere Löhne, werden aber auch bald ihre
Ansprüche herabstimmen müssen. Diese Handwerker bestehen auch bei einem
Lohne von —6 Dollars pro Tag auf der Arbeitszeit von 8 Stunden,
die von den Legislativen mehrerer Staaten zur gesetzlichen gemacht worden
ist. weniger mit Rücksicht auf die Lage und Bedürfnisse des Arbeiters, als
um seine Stimme bei den nächsten Wahlen der herrschenden Partei zu sichern.
— Trotz dieser gesetzlichen Bestimmung wird der Bedarf nach Arbeit sehr
bald entscheiden (und hat es in einzelnen Fällen schon gethan), daß der Ar¬
beiter, auch in Amerika, durch 8 Stunden Anstrengung nicht eben so viel
verdienen kann wie durch 10 Stunden.

Was nun die amerikanische Industrie betrifft, so werden die deutschen
Fabrikanten, welche auf einen Verfall derselben sich vorbereiten, ihre Rech¬
nung ohne den Wirth machen und die meisten Handlungshäuser, die viele
Geschäfte mit den Ver. Se. gemacht haben, sind wahrscheinlich mit mir über
diesen Punkt einig. Nur Fabrikate, zu deren Anfertigung viel Händearbeit
und große Aufmerksamkeit geübter Arbeiter nöthig ist, werden auch in Zu¬
kunft in die Ver. Se. mit Nutzen importirt werden können.

Wollene Waaren werden jetzt schon nur in kleinem Maße eingeführt
und mehrere Importeurs von Tücher haben ihr Geschäft aufgegeben; das
größte deutsche Importgeschäft New-Yorks, mit einem jährlichen Umsatz von
sechs Millionen Dollars, hat seine Tuchbranche dieses Jahr fallen lassen, da
nur die feineren Qualitäten sich , noch mit Nutzen verkaufen, die geringeren
jedoch, die früher massenweis gegangen sind, immer Verlust ergeben; der Zoll
ist aber auch sehr hoch, er beträgt ca. 70—80°/« des Werthes, wenn man den
nach dem Gewicht berechneten Zoll und den nach dem Werthe der Waare
berechneten addirt.

Halbwollene Kleiderstoffe, Saxony Dreß Goods, die wie jedes Fabrikat,
M welchem Wolle wenn auch nur wenig verwandt ist, den hohen Zoll mit
bezahlen müssen, haben beinahe aufgehört, in New-York importirt zu werden;
ein Haus in dieser Branche hat trotz eines Gewinnes von ca. ö00/in Dollars
1868, im vorigen Jahre fallirt, ein zweites in diesem Frühjahr liquidirt,
ein drittes drüben eine Fabrik errichtet und das vierte große deutsche be-
schränkt sich jetzt auf den Import der feineren Qualitäten.

Aber nicht allein in den hoch besteuerten wollenen Waaren, sondern
^und in den nur 35"/o bezahlenden baumwollenen ist die amerikanische Con-
currenz nicht zu verachten. Chemnitz kann seine baumwollenen Strumpf-


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[0519] bezahlen keine oder nur noch Dividenden vom reservirten Gewinne früherer Jahre; die Importeurs verlieren 10 und mehr anstatt so viel zu ver¬ dienen. Nur die Arbeiter in wenigen Branchen, wie Zimmerleute, Mau¬ rer, Anstreicher und sonst bei Häusern beschäftigte erhalten noch die früheren und zum Theil sogar höhere Löhne, werden aber auch bald ihre Ansprüche herabstimmen müssen. Diese Handwerker bestehen auch bei einem Lohne von —6 Dollars pro Tag auf der Arbeitszeit von 8 Stunden, die von den Legislativen mehrerer Staaten zur gesetzlichen gemacht worden ist. weniger mit Rücksicht auf die Lage und Bedürfnisse des Arbeiters, als um seine Stimme bei den nächsten Wahlen der herrschenden Partei zu sichern. — Trotz dieser gesetzlichen Bestimmung wird der Bedarf nach Arbeit sehr bald entscheiden (und hat es in einzelnen Fällen schon gethan), daß der Ar¬ beiter, auch in Amerika, durch 8 Stunden Anstrengung nicht eben so viel verdienen kann wie durch 10 Stunden. Was nun die amerikanische Industrie betrifft, so werden die deutschen Fabrikanten, welche auf einen Verfall derselben sich vorbereiten, ihre Rech¬ nung ohne den Wirth machen und die meisten Handlungshäuser, die viele Geschäfte mit den Ver. Se. gemacht haben, sind wahrscheinlich mit mir über diesen Punkt einig. Nur Fabrikate, zu deren Anfertigung viel Händearbeit und große Aufmerksamkeit geübter Arbeiter nöthig ist, werden auch in Zu¬ kunft in die Ver. Se. mit Nutzen importirt werden können. Wollene Waaren werden jetzt schon nur in kleinem Maße eingeführt und mehrere Importeurs von Tücher haben ihr Geschäft aufgegeben; das größte deutsche Importgeschäft New-Yorks, mit einem jährlichen Umsatz von sechs Millionen Dollars, hat seine Tuchbranche dieses Jahr fallen lassen, da nur die feineren Qualitäten sich , noch mit Nutzen verkaufen, die geringeren jedoch, die früher massenweis gegangen sind, immer Verlust ergeben; der Zoll ist aber auch sehr hoch, er beträgt ca. 70—80°/« des Werthes, wenn man den nach dem Gewicht berechneten Zoll und den nach dem Werthe der Waare berechneten addirt. Halbwollene Kleiderstoffe, Saxony Dreß Goods, die wie jedes Fabrikat, M welchem Wolle wenn auch nur wenig verwandt ist, den hohen Zoll mit bezahlen müssen, haben beinahe aufgehört, in New-York importirt zu werden; ein Haus in dieser Branche hat trotz eines Gewinnes von ca. ö00/in Dollars 1868, im vorigen Jahre fallirt, ein zweites in diesem Frühjahr liquidirt, ein drittes drüben eine Fabrik errichtet und das vierte große deutsche be- schränkt sich jetzt auf den Import der feineren Qualitäten. Aber nicht allein in den hoch besteuerten wollenen Waaren, sondern ^und in den nur 35"/o bezahlenden baumwollenen ist die amerikanische Con- currenz nicht zu verachten. Chemnitz kann seine baumwollenen Strumpf-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/519>, abgerufen am 04.07.2024.