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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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Freiheit zu handeln beschränken sollten, ist ihm unerträglich. Was in frühe¬
ren Tagen und selbst noch 1848 bei ihm als zufällig und vorübergehend
erschien, nimmt jetzt einen festen, verhängnißvollen Charakter an; am schmerz¬
lichsten vermißte ich das frühere königliche Bewußtsein des Rechtes, auch
fühlte-ich, daß seine Energie im Handeln nicht im Verhältniß zu seinem
äußerlich entschiedenen Benehmen stand, es gab Augenblicke wo er mehr der
Erschöpfung als Argumenten nachgab, was ihn andererseits doch wieder er¬
bitterte. Ich fühle, daß ich ihm wie sonst durch Neigung und Dankbarkeit
verbunden bin, aber das Band unserer Seelen ist zerrissen und die Hoffnung,
die ich auf ihn gesetzt, war eine Täuschung. -- Rund umher fand ich nur Mi߬
achtung, Mißtrauen, Haß und Unwillen gegen den König; er sprach öfter von
Abdankung, aber der Gedanke, daß dieselbe nothwendig werden müsse, war
in den Herzen Tausender. Und das bet einem Souverän, der so reich be¬
gabt, so edel gesinnt, so hoch über seinen Genossen stand, geboren um das
Juwel und die Zierde seines Zeitalters zu sein." --

Die Wochen dieses Aufenthalts in Deutschland nannte Bunsen selbst
die traurigsten seines Lebens und sprach seinen festen Entschluß aus, wo
möglich nie wieder nach Berlin zu kommen. Von London aus machte er
noch schriftlich einen Versuch, den König zur Annahme der Kaiserkrone zu
bewegen, erhielt aber als Antwort den Befehl, seine Beziehungen zu Frank¬
furt abzubrechen und eine Depesche, durch welche des Königs Ablehnung
motivirt ward. Sir Robert Peel erwiederte hierauf, daß er die gewichtigen
Einwürfe gegen die Annahme nicht unterschätze, daß aber die Ablehnung
noch größere Gefahren bringen könne. Uebrigens hielt Bunsen sich seit der
Rückkehr auf seinen Posten sehr still; er begegnete sich mit Stockmar in
der Ueberzeugung, daß für ihn nichts zu machen sei und blieb nur in seiner
Stellung, weil er hoffte, so lange Lie Dinge noch nicht einen Abschluß ge¬
funden, hie und da nützen oder doch Schlimmes verhüten zu können, ins¬
besondere weil er glaubte, seinen Feinden nicht das Feld räumen zu sollen,
so lange er vom König gehalten wurde. -- Man kann darüber verschiedener
Ansicht sein, ob er darin Recht gehabt, nachdem er doch selbst erkannt, daß
die Berliner Politik zum willenlosen Werkzeug Rußlands und Oestreichs
herabgesunken war; aber worüber unserer Ansicht nach kein Zweifel erlaubt
ist, war das Verhalten Bunsens beim londoner Vertrage von 1862. Die
Unterzeichnung desselben bildet die eigentlich dunkle Partie seines politischen
Lebens und zugleich den unglücklichen Wendepunkt desselben. Am 31. Juli
18S0, als zuerst die Idee des Protokolls discutirt ward, schrieb er seinem
Freunde Care: Palmerston, in die Enge getrieben, hat erst Rußland, dann
Frankreich nachgegeben, der Preis ist das Protokoll gewesen, das Opfer
Deutschland; "ttuzx statt mover Kavo wz? siMature to Suet a xisc:" ot im-


Freiheit zu handeln beschränken sollten, ist ihm unerträglich. Was in frühe¬
ren Tagen und selbst noch 1848 bei ihm als zufällig und vorübergehend
erschien, nimmt jetzt einen festen, verhängnißvollen Charakter an; am schmerz¬
lichsten vermißte ich das frühere königliche Bewußtsein des Rechtes, auch
fühlte-ich, daß seine Energie im Handeln nicht im Verhältniß zu seinem
äußerlich entschiedenen Benehmen stand, es gab Augenblicke wo er mehr der
Erschöpfung als Argumenten nachgab, was ihn andererseits doch wieder er¬
bitterte. Ich fühle, daß ich ihm wie sonst durch Neigung und Dankbarkeit
verbunden bin, aber das Band unserer Seelen ist zerrissen und die Hoffnung,
die ich auf ihn gesetzt, war eine Täuschung. — Rund umher fand ich nur Mi߬
achtung, Mißtrauen, Haß und Unwillen gegen den König; er sprach öfter von
Abdankung, aber der Gedanke, daß dieselbe nothwendig werden müsse, war
in den Herzen Tausender. Und das bet einem Souverän, der so reich be¬
gabt, so edel gesinnt, so hoch über seinen Genossen stand, geboren um das
Juwel und die Zierde seines Zeitalters zu sein." —

Die Wochen dieses Aufenthalts in Deutschland nannte Bunsen selbst
die traurigsten seines Lebens und sprach seinen festen Entschluß aus, wo
möglich nie wieder nach Berlin zu kommen. Von London aus machte er
noch schriftlich einen Versuch, den König zur Annahme der Kaiserkrone zu
bewegen, erhielt aber als Antwort den Befehl, seine Beziehungen zu Frank¬
furt abzubrechen und eine Depesche, durch welche des Königs Ablehnung
motivirt ward. Sir Robert Peel erwiederte hierauf, daß er die gewichtigen
Einwürfe gegen die Annahme nicht unterschätze, daß aber die Ablehnung
noch größere Gefahren bringen könne. Uebrigens hielt Bunsen sich seit der
Rückkehr auf seinen Posten sehr still; er begegnete sich mit Stockmar in
der Ueberzeugung, daß für ihn nichts zu machen sei und blieb nur in seiner
Stellung, weil er hoffte, so lange Lie Dinge noch nicht einen Abschluß ge¬
funden, hie und da nützen oder doch Schlimmes verhüten zu können, ins¬
besondere weil er glaubte, seinen Feinden nicht das Feld räumen zu sollen,
so lange er vom König gehalten wurde. — Man kann darüber verschiedener
Ansicht sein, ob er darin Recht gehabt, nachdem er doch selbst erkannt, daß
die Berliner Politik zum willenlosen Werkzeug Rußlands und Oestreichs
herabgesunken war; aber worüber unserer Ansicht nach kein Zweifel erlaubt
ist, war das Verhalten Bunsens beim londoner Vertrage von 1862. Die
Unterzeichnung desselben bildet die eigentlich dunkle Partie seines politischen
Lebens und zugleich den unglücklichen Wendepunkt desselben. Am 31. Juli
18S0, als zuerst die Idee des Protokolls discutirt ward, schrieb er seinem
Freunde Care: Palmerston, in die Enge getrieben, hat erst Rußland, dann
Frankreich nachgegeben, der Preis ist das Protokoll gewesen, das Opfer
Deutschland; „ttuzx statt mover Kavo wz? siMature to Suet a xisc:« ot im-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/500>, abgerufen am 04.07.2024.