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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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wort, und so ward es gemacht. -- Bunsen stand mit den englischen Staats¬
männern bald auf vertrautem Fuße. "Ich sehe Lord Clarendon fast täglich"
heißt es in einem Briefe aus der spätern Zeit, "er empfängt mich Morgens
in seinem Hause. Nachmittags kann ich auf dem auswärtigen Amt lesen,
was ich will, bei Aberdeen habe ich die "petites entress", ebenso bei Prinz
Albert, wenn er in London ist." -- Eine besondere Freundschaft verband ihn
Mit Sir Robert Peel, den er auch oft für deutsche Angelegenheiten zu Rathe
Zog, die der englische Staatsmann mit warmer Sympathie verfolgte; wie
intim die Beziehungen beider waren, läßt sich daraus schließen, daß Peel
auf seinem Sterbelager dreimal verlangte, Bunsen zu sehen. Vielfach finden
Wir ihn als Gast auf den Landsitzen der Aristokratie, in Drayton Manor
bei Peel. in Broadlands bei Palmerston, in Woburn Abbey beim Herzog von
Bedford. in Jnverary Castle beim Herzog vonArgyle; er genoß solche Aus¬
flüge, wo sich die Schönheit der Natur mit dem Interesse der historischen
Erinnerungen verband, ganz besonders als Ausspannung nach angestrengten
amtlichen und wissenschaftlichen Arbeiten. -- So gestaltete sich sein Leben in
England bald auf das angenehmste. "Ich möchte Ihnen" schreibt er seinem
römischen Freunde Kestner, "eine Idee von unserem Leben geben. Ich habe
hier wieder wie. in Rom die anerkannt schönste Lage für meinen Wohnsitz,
auf dem Platz, wo Carlton House, einst die Residenz Georgs IV- stand; aus
der einen Seite der breiten Straße ist ein Garten und jenseits die Paläste,
Elubhäuser genannt, auf der anderen der Se. James-Park mit seinem
Grün und Wasser streifen, rechts die Residenz der Königin, links die Mi¬
nisterien, im Hintergrunde des Parks Westminsterabbey und die Parlaments¬
gebäude; mein jetziges Capitol liegt Gott sei Dank nicht in Ruinen. Die
Entfernungen zu den Ministern kosten mir wenig Zeit, aber das Warten,
^lbst wenn eine Besprechung verabredet ist, desto mehr. Die Geschäfte sind
Unzählig, Besuche und Briefschreiben eine wahre Plage, mit einem Wort, die
Arbeit ist enorm, doch hoffe ich mit der Zeit das Ungethüm zu bewältigen.
Gegenwärtig habe ich nur einen Secretär und einen Schreiber; eben so ist
^ Mit dem Gehalt, so viel als drei und ein halber preußischer Minister
scheint viel und ist doch ungenügend. Abends sind wir oft allein, doch möchte
^ einen capitolinischen Club für Freunde haben. Sie können denken, daß
^ gesellschaftlichen Beziehungen angenehm sind, wenn man von seinem
^orig laucirt wird."

Der Besuch Friedrich Wilhelm's IV.. der, damals in der Blüthe seiner
Popularität, zur Taufe des Prinzen von Wales als Pathe nach England
leiste, mußte natürlich für Bunsen's sociale Stellung sehr förderlich fein, er
kam dadurch gleich mit den Spitzen der englischen Gesellschaft in Berührung,
und Prussia House in Carlton Terrace ward bald in seiner Art so ausge-


wort, und so ward es gemacht. — Bunsen stand mit den englischen Staats¬
männern bald auf vertrautem Fuße. „Ich sehe Lord Clarendon fast täglich"
heißt es in einem Briefe aus der spätern Zeit, „er empfängt mich Morgens
in seinem Hause. Nachmittags kann ich auf dem auswärtigen Amt lesen,
was ich will, bei Aberdeen habe ich die „petites entress", ebenso bei Prinz
Albert, wenn er in London ist." — Eine besondere Freundschaft verband ihn
Mit Sir Robert Peel, den er auch oft für deutsche Angelegenheiten zu Rathe
Zog, die der englische Staatsmann mit warmer Sympathie verfolgte; wie
intim die Beziehungen beider waren, läßt sich daraus schließen, daß Peel
auf seinem Sterbelager dreimal verlangte, Bunsen zu sehen. Vielfach finden
Wir ihn als Gast auf den Landsitzen der Aristokratie, in Drayton Manor
bei Peel. in Broadlands bei Palmerston, in Woburn Abbey beim Herzog von
Bedford. in Jnverary Castle beim Herzog vonArgyle; er genoß solche Aus¬
flüge, wo sich die Schönheit der Natur mit dem Interesse der historischen
Erinnerungen verband, ganz besonders als Ausspannung nach angestrengten
amtlichen und wissenschaftlichen Arbeiten. — So gestaltete sich sein Leben in
England bald auf das angenehmste. „Ich möchte Ihnen" schreibt er seinem
römischen Freunde Kestner, „eine Idee von unserem Leben geben. Ich habe
hier wieder wie. in Rom die anerkannt schönste Lage für meinen Wohnsitz,
auf dem Platz, wo Carlton House, einst die Residenz Georgs IV- stand; aus
der einen Seite der breiten Straße ist ein Garten und jenseits die Paläste,
Elubhäuser genannt, auf der anderen der Se. James-Park mit seinem
Grün und Wasser streifen, rechts die Residenz der Königin, links die Mi¬
nisterien, im Hintergrunde des Parks Westminsterabbey und die Parlaments¬
gebäude; mein jetziges Capitol liegt Gott sei Dank nicht in Ruinen. Die
Entfernungen zu den Ministern kosten mir wenig Zeit, aber das Warten,
^lbst wenn eine Besprechung verabredet ist, desto mehr. Die Geschäfte sind
Unzählig, Besuche und Briefschreiben eine wahre Plage, mit einem Wort, die
Arbeit ist enorm, doch hoffe ich mit der Zeit das Ungethüm zu bewältigen.
Gegenwärtig habe ich nur einen Secretär und einen Schreiber; eben so ist
^ Mit dem Gehalt, so viel als drei und ein halber preußischer Minister
scheint viel und ist doch ungenügend. Abends sind wir oft allein, doch möchte
^ einen capitolinischen Club für Freunde haben. Sie können denken, daß
^ gesellschaftlichen Beziehungen angenehm sind, wenn man von seinem
^orig laucirt wird."

Der Besuch Friedrich Wilhelm's IV.. der, damals in der Blüthe seiner
Popularität, zur Taufe des Prinzen von Wales als Pathe nach England
leiste, mußte natürlich für Bunsen's sociale Stellung sehr förderlich fein, er
kam dadurch gleich mit den Spitzen der englischen Gesellschaft in Berührung,
und Prussia House in Carlton Terrace ward bald in seiner Art so ausge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/495>, abgerufen am 04.07.2024.