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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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schlagen einen hellen Klang geben. Sie werden im Kriegshafen zu vielen
Mauerarbeiten und namentlich zur Pflasterung der Fahrwege oder selbst der
Fußwege in den Wiesen verwendet, dort in mehreren Reihen, hier nur in
einer Reihe quer und auf die hohe Kante gestellt und mit Sand bestreut.

Immer weiter führt uns der Zug durch die freie, frisch grüne Marsch¬
landschaft dahin, in der hier und da wahrhaft Verboeckhoven'sche Schafe
mit prächtig vollem Vließe weiden, und bald wird der Horizont auf unserer
rechten Seite durch einen hohen Damm begrenzt, welcher die Wiesen vom
Jahdebusen abschließt und sich stundenweit hinzieht mit seiner eintönigen
horizontalen, scharf gegen den Himmel abschneidenden Oberkante, um uns
erst spät Blicke auf die hellstrahlende weite Wasserfläche zu vergönnen. Endlich
zeigen sich in der Ferne Gebäude, nach wenigen Minuten macht der Zug
eine Wendung, und von Westen her fahren wir gerade in der Richtung auf
den Kriegshafen zu an dem sehr einfachen Stationsgebäude des Bahnhofs
vor. Wir steigen aus und setzen in gleicher Richtung, wie wir zur Bahn
gekommen sind, auf einer schönen Klinkerchaussee den Weg fort, wobei wir
zuerst an die innersten Theile des Binnenhafens kommen.

Die Gegend ist ihrem landschaftlichen Charakter nach, der sich bis auf
die Windmühlen bedeutend dem nahen Nordhvlland nähert, das gerade
Gegenstück von Kiel. Dort wellige Hügel mit Wald und Busch überall
und mit heiteren Durchblicken aus reich wechselnde Terrainformation: hier
endlos weite grüne Ebene nach Westen und Norden und andererseits die
scharfen geradlinigen uninteressanter Conturen der Deiche gegen Osten und
Süden. Links von uns, nördlich, in geringer Entfernung liegen die beiden
Dörfer Alt- und Neu-Heppens; rechts trennen uns hohe Deiche von dem
südlich gelegenen Theil des Jahdebusens, und vor uns erblicken wir ein
Arbeitsfeld mit Unmassen von Materialien, mit einer Unzahl von Arbeitern
und Werke von ungeahnter Großartigkeit. Gleich im Anfang des Weges
vom Bahnhof nach den Hafenanlagen haben wir die artesischen Brunnen
passirt. Das Trinkwasser ist in dieser Gegend ein gar kostbares Gut, noch
viel mehr als in Holland: die Dorfbewohner haben sich früher kümmerlich mit
gesammelten Regenwasser geholfen. Doppelt empfindlich wurde der Mangel
an Trinkwasser, seitdem durch die Arbeiter die Menschenzahl so unverhältniß-
mäßig wuchs. Man begann nun von Seiten der Regierung artesische Brun¬
nen zu graben, zunächst einen, der aber lange nicht zu dem gewünschten Er¬
gebniß führen wollte; endlich traf man in 668 Fuß Tiefe auf Wasser, und
das Tempelchen zu unserer Rechten -- südlich der Chaussee vom Bahnhof
nach dem Hafen --, das wie ein achteckiger Gasometer mit komischem Dach
aussieht, birgt diesen kostbaren Brunnen in sich, der vor allen Unberufenen
sorgsam verschlossen gehalten wird, damit nichts von dem mühsam geförderte"


schlagen einen hellen Klang geben. Sie werden im Kriegshafen zu vielen
Mauerarbeiten und namentlich zur Pflasterung der Fahrwege oder selbst der
Fußwege in den Wiesen verwendet, dort in mehreren Reihen, hier nur in
einer Reihe quer und auf die hohe Kante gestellt und mit Sand bestreut.

Immer weiter führt uns der Zug durch die freie, frisch grüne Marsch¬
landschaft dahin, in der hier und da wahrhaft Verboeckhoven'sche Schafe
mit prächtig vollem Vließe weiden, und bald wird der Horizont auf unserer
rechten Seite durch einen hohen Damm begrenzt, welcher die Wiesen vom
Jahdebusen abschließt und sich stundenweit hinzieht mit seiner eintönigen
horizontalen, scharf gegen den Himmel abschneidenden Oberkante, um uns
erst spät Blicke auf die hellstrahlende weite Wasserfläche zu vergönnen. Endlich
zeigen sich in der Ferne Gebäude, nach wenigen Minuten macht der Zug
eine Wendung, und von Westen her fahren wir gerade in der Richtung auf
den Kriegshafen zu an dem sehr einfachen Stationsgebäude des Bahnhofs
vor. Wir steigen aus und setzen in gleicher Richtung, wie wir zur Bahn
gekommen sind, auf einer schönen Klinkerchaussee den Weg fort, wobei wir
zuerst an die innersten Theile des Binnenhafens kommen.

Die Gegend ist ihrem landschaftlichen Charakter nach, der sich bis auf
die Windmühlen bedeutend dem nahen Nordhvlland nähert, das gerade
Gegenstück von Kiel. Dort wellige Hügel mit Wald und Busch überall
und mit heiteren Durchblicken aus reich wechselnde Terrainformation: hier
endlos weite grüne Ebene nach Westen und Norden und andererseits die
scharfen geradlinigen uninteressanter Conturen der Deiche gegen Osten und
Süden. Links von uns, nördlich, in geringer Entfernung liegen die beiden
Dörfer Alt- und Neu-Heppens; rechts trennen uns hohe Deiche von dem
südlich gelegenen Theil des Jahdebusens, und vor uns erblicken wir ein
Arbeitsfeld mit Unmassen von Materialien, mit einer Unzahl von Arbeitern
und Werke von ungeahnter Großartigkeit. Gleich im Anfang des Weges
vom Bahnhof nach den Hafenanlagen haben wir die artesischen Brunnen
passirt. Das Trinkwasser ist in dieser Gegend ein gar kostbares Gut, noch
viel mehr als in Holland: die Dorfbewohner haben sich früher kümmerlich mit
gesammelten Regenwasser geholfen. Doppelt empfindlich wurde der Mangel
an Trinkwasser, seitdem durch die Arbeiter die Menschenzahl so unverhältniß-
mäßig wuchs. Man begann nun von Seiten der Regierung artesische Brun¬
nen zu graben, zunächst einen, der aber lange nicht zu dem gewünschten Er¬
gebniß führen wollte; endlich traf man in 668 Fuß Tiefe auf Wasser, und
das Tempelchen zu unserer Rechten — südlich der Chaussee vom Bahnhof
nach dem Hafen —, das wie ein achteckiger Gasometer mit komischem Dach
aussieht, birgt diesen kostbaren Brunnen in sich, der vor allen Unberufenen
sorgsam verschlossen gehalten wird, damit nichts von dem mühsam geförderte"


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/488>, abgerufen am 04.07.2024.