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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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können, so hätte Preußen noch härtere Friedensbedingungen Oestreich auf¬
erlegen und die Resultate weit überschreiten können, welche der geheime Ver¬
trag mit Italien stipulirte; wobei sich jedoch immer fragte, ob alle
diese Resultate dann auch den künftigen Interessen Italiens
entsprechend gewesen wären." Ausdrücklich sagt Jacini an einer andern
Stelle, daß die Erhaltung eines großen, starken, mächtigen Oestreichs inner¬
halb seiner natürlichen Grenzen auch im Interesse einer gesunden italienischen
Politik liege, für welche die Wiederherstellung eines heil, römischen Reichs
durch Preußen ebenso gefahrbringend wäre, als eine Restauration unter
Oestreich. Daß Louis Napoleon in diesem Sinne auf die italienischen Staats¬
männer eingewirkt hätte, dafür fehlen die Beweise, aber gewiß ist. daß jene
Auffassung derjenigen des Kaisers vollkommen entsprach. Uebrigens sind es
italienische Stimmen selbst, welche behaupten, daß nur durch französischen
Einfluß dem Plane Lamarmora's vor dem der anderen Generale der Vorzug
gegeben wurde. Jedenfalls konnte Italien dem Kaiser keinen größeren Ge¬
fallen erweisen als mit einer Kriegführung, welche des Ziels im Voraus
sicher sich innerhalb der Grenzen eines "militärischen Duells" hielt und die
italienische Armee vor dem Festungsviereck lahm legte.

Die Frage ist nur, ob man nach den veröffentlichten Ackerstücken über¬
haupt noch von einem Kriegsplan des Generals Lamarmora reden kann. Die
Thatsachen, welche durch die Controverse unter den Generalen ans Licht gestellt
sind, constatiren eine Verwirrung und Kopflosigkeit in der Kriegführung, die
über alle Begriffe geht. Wenn Cialdini dem Obergeneral vorwirft, die De¬
monstration vom 24. Juni sei wider die Verabredungen gewesen und La¬
marmora andererseits über den Gang der Operationen am untern Po sich
beschwerte, so fehlte es offenbar an einem übereinstimmend festgestellten Feld¬
zugsplan. Lamarmora gesteht das im Grunde selbst ein. wenn er sagt: "Was
die Verabredungen betrifft, so war unsere beiderseitige Action so selbstver¬
ständlich, daß darüber gar kein Streit sein konnte. Jeder sollte seinerseits
je nach den Umständen mit der erforderlichen Energie handeln, um den
Feind zu schlagen oder zu Paralysiren, indem man ihn entweder nach der
einen oder nach der anderen Seite anlockte. Folglich und je nach den er¬
langten Erfolgen hätte sich das Heer entweder gänzlich auf der einen Seite
vereinigt, oder es wäre das Poheer beträchtlich verstärkt worden, falls es ihm
gelungen wäre, Rovigo zu nehmen und bis an die Etsch zu dringen." Das
heißt doch mit anderen Worten: der Gang der Dinge war in die
Hand der Vorsehung gestellt, jeder der beiden Armeetheile konnte handeln
wie ihn gutdünkte. In der That behauptete Cialdini vom Anfange an eine
mehr oder weniger unabhängige Stellung neben dem Obercommando, obwohl sie
nicht genau präcisirr und mehr nur ein nothgedrungenes Zugeständniß an


können, so hätte Preußen noch härtere Friedensbedingungen Oestreich auf¬
erlegen und die Resultate weit überschreiten können, welche der geheime Ver¬
trag mit Italien stipulirte; wobei sich jedoch immer fragte, ob alle
diese Resultate dann auch den künftigen Interessen Italiens
entsprechend gewesen wären." Ausdrücklich sagt Jacini an einer andern
Stelle, daß die Erhaltung eines großen, starken, mächtigen Oestreichs inner¬
halb seiner natürlichen Grenzen auch im Interesse einer gesunden italienischen
Politik liege, für welche die Wiederherstellung eines heil, römischen Reichs
durch Preußen ebenso gefahrbringend wäre, als eine Restauration unter
Oestreich. Daß Louis Napoleon in diesem Sinne auf die italienischen Staats¬
männer eingewirkt hätte, dafür fehlen die Beweise, aber gewiß ist. daß jene
Auffassung derjenigen des Kaisers vollkommen entsprach. Uebrigens sind es
italienische Stimmen selbst, welche behaupten, daß nur durch französischen
Einfluß dem Plane Lamarmora's vor dem der anderen Generale der Vorzug
gegeben wurde. Jedenfalls konnte Italien dem Kaiser keinen größeren Ge¬
fallen erweisen als mit einer Kriegführung, welche des Ziels im Voraus
sicher sich innerhalb der Grenzen eines „militärischen Duells" hielt und die
italienische Armee vor dem Festungsviereck lahm legte.

Die Frage ist nur, ob man nach den veröffentlichten Ackerstücken über¬
haupt noch von einem Kriegsplan des Generals Lamarmora reden kann. Die
Thatsachen, welche durch die Controverse unter den Generalen ans Licht gestellt
sind, constatiren eine Verwirrung und Kopflosigkeit in der Kriegführung, die
über alle Begriffe geht. Wenn Cialdini dem Obergeneral vorwirft, die De¬
monstration vom 24. Juni sei wider die Verabredungen gewesen und La¬
marmora andererseits über den Gang der Operationen am untern Po sich
beschwerte, so fehlte es offenbar an einem übereinstimmend festgestellten Feld¬
zugsplan. Lamarmora gesteht das im Grunde selbst ein. wenn er sagt: „Was
die Verabredungen betrifft, so war unsere beiderseitige Action so selbstver¬
ständlich, daß darüber gar kein Streit sein konnte. Jeder sollte seinerseits
je nach den Umständen mit der erforderlichen Energie handeln, um den
Feind zu schlagen oder zu Paralysiren, indem man ihn entweder nach der
einen oder nach der anderen Seite anlockte. Folglich und je nach den er¬
langten Erfolgen hätte sich das Heer entweder gänzlich auf der einen Seite
vereinigt, oder es wäre das Poheer beträchtlich verstärkt worden, falls es ihm
gelungen wäre, Rovigo zu nehmen und bis an die Etsch zu dringen." Das
heißt doch mit anderen Worten: der Gang der Dinge war in die
Hand der Vorsehung gestellt, jeder der beiden Armeetheile konnte handeln
wie ihn gutdünkte. In der That behauptete Cialdini vom Anfange an eine
mehr oder weniger unabhängige Stellung neben dem Obercommando, obwohl sie
nicht genau präcisirr und mehr nur ein nothgedrungenes Zugeständniß an


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/458>, abgerufen am 04.07.2024.