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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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weiten Zugeständnissen an Preußen bewogen werden könnte und dieses damit
einer Allianz mit Italien entfremdete, für welche Preußen noch gar keine Ver¬
pflichtung eingegangen. Eben in Anbetracht des Widerstrebens, das am
preußischen Hofe gegen den Krieg herrschte, lauteten die Weisungen, die Govone
und Barral für die eventuelle Stipulation eines Abkommens mit Preußen
hatten, dahin: für den Fall, daß es unmöglich sei, von Preußen die absolute
Verpflichtung zu einer Kriegserklärung an Oestreich zu erlangen, sei es als
eonÄitio sine <MA von jeder Uebereinkunft verstanden, daß Italien nicht den
Krieg an Oestreich erklären würde, wofern Preußen nicht selbst die Initiative
des Kampfes übernähme; daß jedoch Italien entschlossen sei, sofort nach der
Anzeige dieser von Preußen ergriffenen Initiative Oestreich den Krieg zu er¬
klären; und ferner: daß die Verpflichtung Italiens nur drei Monate giltig
sein sollte, im Fall daß vor deren'Ablauf die Feindseligkeiten von Seiten
Preußens noch nicht begonnen hätten. Preußen war noch keineswegs ge¬
neigt, sich in absoluter Weise zum Krieg zu verpflichten, und das italienische
Cabinet, dem Alles am Kriege lag, bot sein Möglichstes auf, um die Kriegs¬
partei in Berlin zu unterstützen, indem es seinerseits bestimmte Verpflichtun¬
gen übernahm. Insbesondere kam es darauf an, dem berliner Cabinet ein¬
leuchtend zu machen, daß im Kriegsfall Italien mit einer Diversion
Preußen wirksame Hilfe leisten würde, da letzteres es schwerlich für
sich allein mit der ganzen östreichischen Macht in Verbindung mit der des
deutschen Bundes aufgenommen hätte. Worin diese in Aussicht gestellte Di¬
version bestand, wird von Jacini nicht näher gesagt. Dies ist nach dem
jetzigen Stand der Enthüllungen über den Kriegsplan eine empfindliche Lücke,
und wäre die Schrift erst nach den Erörterungen, welche die Folge der
Jnterpellation vom 21. Juli waren, geschrieben, so hätte sie unmöglich dar¬
über schweigen können. Offenbar war dies ein Hauptpunkt.

Noch dauerten eine Zeitlang die telegraphischen Verhandlungen zwischen
Berlin und Florenz- am 8. April wurde eine geheime Uebereinkunft und
zwar in Form eines "offensiven und defensiven Allianzvertrags"
in Berlin unterzeichnet und am 14. in Florenz, am 20. April in Berlin ratifi-
cirt. Noch im Augenblick der Redaction hatte die preußische Regierung dar¬
auf gedrungen, anstatt der genannten Worte die anderen: "Allianz- und
Freundschaftsvertrag" zu setzen. Allein die italienischen Bevollmächtigten
verweigerten, ihren Weisungen gemäß, ihre Unterschriften unter die Acte,
falls sie nicht ein förmlicher "offensiver und defensiver Allianzvertrag" wäre.
Da Preußen, wie gesagt, noch nicht absolut zum Krieg entschlossen war,
und Italien nicht Gefahr laufen wollte, ihn allein zu führen, so konnten
die Italiener es wohl annehmen, daß binnen einer gewissen, nicht zu langen
Zeit, nämlich etwa bis Italien völlig gerüstet wäre, Preußen sich die Jnitia-


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weiten Zugeständnissen an Preußen bewogen werden könnte und dieses damit
einer Allianz mit Italien entfremdete, für welche Preußen noch gar keine Ver¬
pflichtung eingegangen. Eben in Anbetracht des Widerstrebens, das am
preußischen Hofe gegen den Krieg herrschte, lauteten die Weisungen, die Govone
und Barral für die eventuelle Stipulation eines Abkommens mit Preußen
hatten, dahin: für den Fall, daß es unmöglich sei, von Preußen die absolute
Verpflichtung zu einer Kriegserklärung an Oestreich zu erlangen, sei es als
eonÄitio sine <MA von jeder Uebereinkunft verstanden, daß Italien nicht den
Krieg an Oestreich erklären würde, wofern Preußen nicht selbst die Initiative
des Kampfes übernähme; daß jedoch Italien entschlossen sei, sofort nach der
Anzeige dieser von Preußen ergriffenen Initiative Oestreich den Krieg zu er¬
klären; und ferner: daß die Verpflichtung Italiens nur drei Monate giltig
sein sollte, im Fall daß vor deren'Ablauf die Feindseligkeiten von Seiten
Preußens noch nicht begonnen hätten. Preußen war noch keineswegs ge¬
neigt, sich in absoluter Weise zum Krieg zu verpflichten, und das italienische
Cabinet, dem Alles am Kriege lag, bot sein Möglichstes auf, um die Kriegs¬
partei in Berlin zu unterstützen, indem es seinerseits bestimmte Verpflichtun¬
gen übernahm. Insbesondere kam es darauf an, dem berliner Cabinet ein¬
leuchtend zu machen, daß im Kriegsfall Italien mit einer Diversion
Preußen wirksame Hilfe leisten würde, da letzteres es schwerlich für
sich allein mit der ganzen östreichischen Macht in Verbindung mit der des
deutschen Bundes aufgenommen hätte. Worin diese in Aussicht gestellte Di¬
version bestand, wird von Jacini nicht näher gesagt. Dies ist nach dem
jetzigen Stand der Enthüllungen über den Kriegsplan eine empfindliche Lücke,
und wäre die Schrift erst nach den Erörterungen, welche die Folge der
Jnterpellation vom 21. Juli waren, geschrieben, so hätte sie unmöglich dar¬
über schweigen können. Offenbar war dies ein Hauptpunkt.

Noch dauerten eine Zeitlang die telegraphischen Verhandlungen zwischen
Berlin und Florenz- am 8. April wurde eine geheime Uebereinkunft und
zwar in Form eines „offensiven und defensiven Allianzvertrags"
in Berlin unterzeichnet und am 14. in Florenz, am 20. April in Berlin ratifi-
cirt. Noch im Augenblick der Redaction hatte die preußische Regierung dar¬
auf gedrungen, anstatt der genannten Worte die anderen: „Allianz- und
Freundschaftsvertrag" zu setzen. Allein die italienischen Bevollmächtigten
verweigerten, ihren Weisungen gemäß, ihre Unterschriften unter die Acte,
falls sie nicht ein förmlicher „offensiver und defensiver Allianzvertrag" wäre.
Da Preußen, wie gesagt, noch nicht absolut zum Krieg entschlossen war,
und Italien nicht Gefahr laufen wollte, ihn allein zu führen, so konnten
die Italiener es wohl annehmen, daß binnen einer gewissen, nicht zu langen
Zeit, nämlich etwa bis Italien völlig gerüstet wäre, Preußen sich die Jnitia-


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[0399] weiten Zugeständnissen an Preußen bewogen werden könnte und dieses damit einer Allianz mit Italien entfremdete, für welche Preußen noch gar keine Ver¬ pflichtung eingegangen. Eben in Anbetracht des Widerstrebens, das am preußischen Hofe gegen den Krieg herrschte, lauteten die Weisungen, die Govone und Barral für die eventuelle Stipulation eines Abkommens mit Preußen hatten, dahin: für den Fall, daß es unmöglich sei, von Preußen die absolute Verpflichtung zu einer Kriegserklärung an Oestreich zu erlangen, sei es als eonÄitio sine <MA von jeder Uebereinkunft verstanden, daß Italien nicht den Krieg an Oestreich erklären würde, wofern Preußen nicht selbst die Initiative des Kampfes übernähme; daß jedoch Italien entschlossen sei, sofort nach der Anzeige dieser von Preußen ergriffenen Initiative Oestreich den Krieg zu er¬ klären; und ferner: daß die Verpflichtung Italiens nur drei Monate giltig sein sollte, im Fall daß vor deren'Ablauf die Feindseligkeiten von Seiten Preußens noch nicht begonnen hätten. Preußen war noch keineswegs ge¬ neigt, sich in absoluter Weise zum Krieg zu verpflichten, und das italienische Cabinet, dem Alles am Kriege lag, bot sein Möglichstes auf, um die Kriegs¬ partei in Berlin zu unterstützen, indem es seinerseits bestimmte Verpflichtun¬ gen übernahm. Insbesondere kam es darauf an, dem berliner Cabinet ein¬ leuchtend zu machen, daß im Kriegsfall Italien mit einer Diversion Preußen wirksame Hilfe leisten würde, da letzteres es schwerlich für sich allein mit der ganzen östreichischen Macht in Verbindung mit der des deutschen Bundes aufgenommen hätte. Worin diese in Aussicht gestellte Di¬ version bestand, wird von Jacini nicht näher gesagt. Dies ist nach dem jetzigen Stand der Enthüllungen über den Kriegsplan eine empfindliche Lücke, und wäre die Schrift erst nach den Erörterungen, welche die Folge der Jnterpellation vom 21. Juli waren, geschrieben, so hätte sie unmöglich dar¬ über schweigen können. Offenbar war dies ein Hauptpunkt. Noch dauerten eine Zeitlang die telegraphischen Verhandlungen zwischen Berlin und Florenz- am 8. April wurde eine geheime Uebereinkunft und zwar in Form eines „offensiven und defensiven Allianzvertrags" in Berlin unterzeichnet und am 14. in Florenz, am 20. April in Berlin ratifi- cirt. Noch im Augenblick der Redaction hatte die preußische Regierung dar¬ auf gedrungen, anstatt der genannten Worte die anderen: „Allianz- und Freundschaftsvertrag" zu setzen. Allein die italienischen Bevollmächtigten verweigerten, ihren Weisungen gemäß, ihre Unterschriften unter die Acte, falls sie nicht ein förmlicher „offensiver und defensiver Allianzvertrag" wäre. Da Preußen, wie gesagt, noch nicht absolut zum Krieg entschlossen war, und Italien nicht Gefahr laufen wollte, ihn allein zu führen, so konnten die Italiener es wohl annehmen, daß binnen einer gewissen, nicht zu langen Zeit, nämlich etwa bis Italien völlig gerüstet wäre, Preußen sich die Jnitia- 47»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/399>, abgerufen am 04.07.2024.