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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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Karl Johann seine Adoption durch Karl XIII. zu danken hatte, vor einigen
Tagen in hohem Alter verstorben ist.

Wir können unseren Bericht nicht schließen , ohne noch eines Ereignisses
zu gedenken, welches in der Geschichte des deutschen wirthschaftlichen Lebens
einen wichtigen Markstein bildet: des Eintritts der mecklenburgischen Staaten
und Lübecks in den deutschen Zollverband. Gleichzeitig mit dieser Erweite¬
rung des ältesten Bandes, durch welches Preußen die übrigen deutschen Staaten
an sich zu fesseln wußte, ist der Abschluß einer Militärconvention erfolgt,
durch welche Mecklenburg dem preußischen Wehrsystem eingefügt worden ist.
Sachsen und Braunschweig allein haben sich noch einen Theil ihrer früheren
militärischen Selbständigkeit erhalten und auch mit diesem soll es. wie neuer¬
dings die B. B.-Z. versicherte, auf die Neige gehen; das von dem genannten
Journal unter den Argumenten für eine vollständige Verschmelzung angeführte
"Wollen und Wünschen" des abgesonderten sächsischen Corps läßt übrigens
die gesammte Nachricht als eine unzuverlässige erscheinen.

Immerhin kann nicht mehr zweifelhaft sein, daß der rasche Verlauf, wel¬
chen die Verschmelzung der wirtschaftlichen und der militärischen Einrichtungen
Norddeutschlands genommen. Allem, was auf diesen Gebieten an partikularisti-
schen "Eigenthümlichkeiten" übrig geblieben, die Axt an die Wurzel gelegt
hat. Aber gerade die Unwiderstehlichkeit der wirthschaftlichen und militärischen
Erfolge Preußens erinnert uns immer wieder daran, daß die innere Politik
dieses Staats, statt an Anziehungskraft zu gewinnen, immer abstoßender wirkt,
daß ihr die Rolle zugefallen zu sein scheint, das Gewebe der preußischen aus¬
wärtigen Politik wieder aufzutrennen. Wir wissen wohl, daß einem Staat
von der Gesundheit des preußischen die reactionären Velleitäten, welche aus.
gewissen Gebieten der Verwaltung getrieben werden, noch nicht ans Leben
gehen, aber es macht einen mehr als deprimirenden Eindruck, die sauer er¬
rungenen Früchte einer groß angelegten, durch die Opfer eines blutigen
Krieges schwer erkauften Politik leichtfertig aus dem Fenster geworfen zu
sehen, zum Jubel der großen und kleinen Kinder welche, sich an dem Spek¬
takel des betreffenden Acts erfreuen. Das schöne Wort, welches der Kriegs¬
minister General von Beyer bei Gelegenheit des badischen Verfassungsjubi-
läums gesprochen, daß es ihm, dem Preußen, leicht geworden in Baden hei¬
misch zu werden, "da es keine preußischen Interessen gebe, die nicht auch
deutsche Interessen wären" -- in den Kreisen derer, welche das Behagen der
neuen Provinzen durch fortwährende und ungeschickte büreaukratische Ein¬
griffe unmöglich machen und in den alten Provinzen den alten Krieg gegen
eingebildete Staatsfeinde im Namen einer egoistischen Beamtencoterie fortsetzen,
wird dieses Wort täglich in sein Gegentheil verkehrt.




Karl Johann seine Adoption durch Karl XIII. zu danken hatte, vor einigen
Tagen in hohem Alter verstorben ist.

Wir können unseren Bericht nicht schließen , ohne noch eines Ereignisses
zu gedenken, welches in der Geschichte des deutschen wirthschaftlichen Lebens
einen wichtigen Markstein bildet: des Eintritts der mecklenburgischen Staaten
und Lübecks in den deutschen Zollverband. Gleichzeitig mit dieser Erweite¬
rung des ältesten Bandes, durch welches Preußen die übrigen deutschen Staaten
an sich zu fesseln wußte, ist der Abschluß einer Militärconvention erfolgt,
durch welche Mecklenburg dem preußischen Wehrsystem eingefügt worden ist.
Sachsen und Braunschweig allein haben sich noch einen Theil ihrer früheren
militärischen Selbständigkeit erhalten und auch mit diesem soll es. wie neuer¬
dings die B. B.-Z. versicherte, auf die Neige gehen; das von dem genannten
Journal unter den Argumenten für eine vollständige Verschmelzung angeführte
„Wollen und Wünschen" des abgesonderten sächsischen Corps läßt übrigens
die gesammte Nachricht als eine unzuverlässige erscheinen.

Immerhin kann nicht mehr zweifelhaft sein, daß der rasche Verlauf, wel¬
chen die Verschmelzung der wirtschaftlichen und der militärischen Einrichtungen
Norddeutschlands genommen. Allem, was auf diesen Gebieten an partikularisti-
schen „Eigenthümlichkeiten" übrig geblieben, die Axt an die Wurzel gelegt
hat. Aber gerade die Unwiderstehlichkeit der wirthschaftlichen und militärischen
Erfolge Preußens erinnert uns immer wieder daran, daß die innere Politik
dieses Staats, statt an Anziehungskraft zu gewinnen, immer abstoßender wirkt,
daß ihr die Rolle zugefallen zu sein scheint, das Gewebe der preußischen aus¬
wärtigen Politik wieder aufzutrennen. Wir wissen wohl, daß einem Staat
von der Gesundheit des preußischen die reactionären Velleitäten, welche aus.
gewissen Gebieten der Verwaltung getrieben werden, noch nicht ans Leben
gehen, aber es macht einen mehr als deprimirenden Eindruck, die sauer er¬
rungenen Früchte einer groß angelegten, durch die Opfer eines blutigen
Krieges schwer erkauften Politik leichtfertig aus dem Fenster geworfen zu
sehen, zum Jubel der großen und kleinen Kinder welche, sich an dem Spek¬
takel des betreffenden Acts erfreuen. Das schöne Wort, welches der Kriegs¬
minister General von Beyer bei Gelegenheit des badischen Verfassungsjubi-
läums gesprochen, daß es ihm, dem Preußen, leicht geworden in Baden hei¬
misch zu werden, „da es keine preußischen Interessen gebe, die nicht auch
deutsche Interessen wären" — in den Kreisen derer, welche das Behagen der
neuen Provinzen durch fortwährende und ungeschickte büreaukratische Ein¬
griffe unmöglich machen und in den alten Provinzen den alten Krieg gegen
eingebildete Staatsfeinde im Namen einer egoistischen Beamtencoterie fortsetzen,
wird dieses Wort täglich in sein Gegentheil verkehrt.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/384>, abgerufen am 04.07.2024.