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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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von ihr verbrauchte Holz bezahle. So rein rechnungsmäßig diese Maßregel
zu sein scheint, so praktisch wichtig war sie. Erst durch sie konnte Licht in die
Verhältnisse der Bergwerke und Hütten gebracht werden. So lange dieselben ihr
Holz, d. h. ihre gesammte Feuerung unentgeltlich und unverrechnet bezogen,
Ueß sich niemals gehörig übersehen, ob sie noch rentabel, folglich betriebs¬
würdig seien oder nicht. Das alte System wollte im Grunde gar nicht
wissen, wie es sich mit der Betriebswürdigkeit des einzelnen Werks verhalte.
Es sah das Ganze als eine ihm anvertraute Domäne an, die zu Gunsten der
Bevölkerung fortgeführt werden müsse, ob sie nun einen entsprechenden
Reinertrag abwerfe oder nicht. An die behagliche Unklarheit dieser Idee
waren die älteren Harzbeamten so gewöhnt, daß sie schon die Erxleben'sche
Maßregel mit Grauen zur Ausführung kommen sahen. Der Entschluß des
ätzten hannoverschen Berghauptmanns zum Rücktritt, der verwirklicht wurde,
als von Berlin aus hier zuerst ernstlicher eingegriffen wurde, datirt im Keime
vielleicht schon von der Zeit her, da in Hannover die Resormtendenzen dem
Harze gegenüber zur Geltung kamen.

Weit wichtigere Reformen sind für die neue Verwaltung zurückgeblieben,
^s gilt, den Bergmann und Hüttenarbeiter auf der einen Seite von un¬
würdiger Vormundschaft zu befreien, auf der anderen mit dem Gefühl einer
Wirthschaftlichen Verantwortlichkeit zu erfüllen, deren das amtliche Gängel¬
band ihn völlig entwöhnt hat. Bislang lieferte die "Herrschaft" -- wie
die Verwaltung auf dem hannoverschen Harze charakteristischer Weise immer
"och allgemein genannt wird -- ihnen das nöthige Brennholz unentgeltlich,
°"s Brodkorn zu jeder Zeit für den festen und sehr niedrigen Satz von
22'/- Silbergroschen. So in ihren wichtigsten Lebensbedürfnissen gedeckt,
vegetirte die Bergmannsfamilie ökonomisch nur so hin. statt aus Vorwärts¬
kommen bedacht zu sein. Der Spielraum zu Ersparnissen ist für sie, da der
Lohn natürlich entsprechend niedriger ist, so gering, daß kein Reiz besteht
ihn zu beschreiten. Eine völlige Veränderung ihrer Lage durch Orts- oder
Berufswechsel kommt für sie im Grunde nur dann in Betracht, wenn eine
anhaltend flaue Absatzperiode der "Herrschaft" selbst eine große Auswande¬
rung wünschenswert!) macht. Sonst weiß man diese gehorsamen Untergebenen
schon an die Scholle zu fesseln.

Mit einem streng und durchsichtig geordneten, wirthschaftlich aufgeklär¬
ten und politisch wenigstens in der Absicht freien Staatswesen wie dem preu-
Aschen verträgt es sich natürlich nicht, daß Tausende von Staatsangehörigen
w gänzlicher wirthschaftlicher Abhängigkeit von einem Minister und seinen
Beamten stehen. Es spricht für Preußens guten Ruf. daß die Abschaffung
des ..Herrenkorns" und der unentgeltlichen Feuerung am hannoverschen Harze
theils gehofft, theils gefürchtet wird, je nach dem Standpunkte der Leute,


von ihr verbrauchte Holz bezahle. So rein rechnungsmäßig diese Maßregel
zu sein scheint, so praktisch wichtig war sie. Erst durch sie konnte Licht in die
Verhältnisse der Bergwerke und Hütten gebracht werden. So lange dieselben ihr
Holz, d. h. ihre gesammte Feuerung unentgeltlich und unverrechnet bezogen,
Ueß sich niemals gehörig übersehen, ob sie noch rentabel, folglich betriebs¬
würdig seien oder nicht. Das alte System wollte im Grunde gar nicht
wissen, wie es sich mit der Betriebswürdigkeit des einzelnen Werks verhalte.
Es sah das Ganze als eine ihm anvertraute Domäne an, die zu Gunsten der
Bevölkerung fortgeführt werden müsse, ob sie nun einen entsprechenden
Reinertrag abwerfe oder nicht. An die behagliche Unklarheit dieser Idee
waren die älteren Harzbeamten so gewöhnt, daß sie schon die Erxleben'sche
Maßregel mit Grauen zur Ausführung kommen sahen. Der Entschluß des
ätzten hannoverschen Berghauptmanns zum Rücktritt, der verwirklicht wurde,
als von Berlin aus hier zuerst ernstlicher eingegriffen wurde, datirt im Keime
vielleicht schon von der Zeit her, da in Hannover die Resormtendenzen dem
Harze gegenüber zur Geltung kamen.

Weit wichtigere Reformen sind für die neue Verwaltung zurückgeblieben,
^s gilt, den Bergmann und Hüttenarbeiter auf der einen Seite von un¬
würdiger Vormundschaft zu befreien, auf der anderen mit dem Gefühl einer
Wirthschaftlichen Verantwortlichkeit zu erfüllen, deren das amtliche Gängel¬
band ihn völlig entwöhnt hat. Bislang lieferte die „Herrschaft" — wie
die Verwaltung auf dem hannoverschen Harze charakteristischer Weise immer
"och allgemein genannt wird — ihnen das nöthige Brennholz unentgeltlich,
°»s Brodkorn zu jeder Zeit für den festen und sehr niedrigen Satz von
22'/- Silbergroschen. So in ihren wichtigsten Lebensbedürfnissen gedeckt,
vegetirte die Bergmannsfamilie ökonomisch nur so hin. statt aus Vorwärts¬
kommen bedacht zu sein. Der Spielraum zu Ersparnissen ist für sie, da der
Lohn natürlich entsprechend niedriger ist, so gering, daß kein Reiz besteht
ihn zu beschreiten. Eine völlige Veränderung ihrer Lage durch Orts- oder
Berufswechsel kommt für sie im Grunde nur dann in Betracht, wenn eine
anhaltend flaue Absatzperiode der „Herrschaft" selbst eine große Auswande¬
rung wünschenswert!) macht. Sonst weiß man diese gehorsamen Untergebenen
schon an die Scholle zu fesseln.

Mit einem streng und durchsichtig geordneten, wirthschaftlich aufgeklär¬
ten und politisch wenigstens in der Absicht freien Staatswesen wie dem preu-
Aschen verträgt es sich natürlich nicht, daß Tausende von Staatsangehörigen
w gänzlicher wirthschaftlicher Abhängigkeit von einem Minister und seinen
Beamten stehen. Es spricht für Preußens guten Ruf. daß die Abschaffung
des ..Herrenkorns" und der unentgeltlichen Feuerung am hannoverschen Harze
theils gehofft, theils gefürchtet wird, je nach dem Standpunkte der Leute,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/369>, abgerufen am 04.07.2024.