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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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im Walde niederschmetternd auf einen Fuhrmann und sein Gespann übt,
sehr glücklich wiedergegeben. Der Bauer im blauen Kittel verdeckt mit dem
Arm das Auge, die Pferde, schnaubend und stieren Blickes, mit Mähnen wild
gesträubt, scheuen vor dem blendenden Strahl, der in wildem Zickzack dicht
neben ihnen die Erde sucht. In seiner großen Parforcejagd hat Herr von
Thoren einen trefflichen Wurf gethan, das hastig bewegte Leben der Thier¬
welt mit kräftigem Pinsel, und gesunder Farbe festzuhalten. Er wird in
diesem prestissiino noch von einem belgischen Maler. Herrn Nieuvenhuys.
übertroffen, der uns im Format des Genrebildchens einen Bojaren mit zwei
Dienern zeigt, welche in lustigem Jugendübermuth, diesmal selbst vom Ge-
wittersturm gejagt, Pferde und Hunde zu immer schnellerem Tempo des
vsvtre s, tsrre antreiben. Erwähnen wir, da wir nun doch einmal ins
Genre gerathen, als solches eines sterbenden Ritters von Outin, der dem
Sohn das Schwert als Vermächtniß seiner Ehre übergibt, -- weiter eines
hübschen Idylls von Marie Nicolas. Schülerin Chaplin's, die ihm seine
zarten rosigen Tinten abgelauscht und die eben deshalb in der Pinselführung
wohl etwas sicherer hätte auftreten dürfen. Die Großmutter spinnt -- zwar
emsig, aber sie ist blind und kann dem Barfüßle wahrscheinlich das Brod
nicht schaffen, denn die groben Holzschuhe stehen verklagend neben dem zier¬
lichen Fuß der hübschen Blondine, die eben Zwirn und Nadel bei Seite ge¬
worfen hat und nun melancholisch über einem rosa Seidenstoff und reicher
Perlenschnur sinnt. Gleich daneben finden wir einen. Newfoundländer, der
seine Kette gesprengt hat, um der Spur seines Spielkameraden zu folgen: der
müde Bube hat sein schweres Holzbündel im Walde an einen Stamm gelehnt
und überläßt sich auf dem Daunenpfühl des Schnees dem gefährlichen Auf¬
ruhr, das wohl ewig dauern würde, leckte der treue Freund nicht uner¬
müdlich die starre, aber noch rothe Wange des Schläfers, der die Stirn
runzelt, wie eiyer, den es verdrießt, daß man ihn stört. Herr Feyer. der
scharfsichtige Psycholog, hat statt seiner armen Musikantenkinder, die immer
so ergreifend wirken, diesmal zwei alte Bauerweiber an einen Brunnen ge¬
setzt, wovon die eine, erzählend in das Einst ihres Lebens vertieft, wehmüthig
sinnend mit der Krücke Figuren in den Sand zeichnet, während um den
zahnlosen Mund der andern aller Unglaube, aller Neid ihrer Klasse, aber
auch die Einfalt ihres Kopfes zuckt. Eine frische Magd, die im Mittel¬
grund Wasser aus dem Brunnen zieht, macht sich über ihr Beginnen mit
der Ueberlegenheit lustig, mit der die dünkelhafte Jugend so gern auf
das Alter herabfleht. Die vollendete Wiedergabe der Individualität, der
Rhythmus der Linien und die wahre Farbe erinnern an Breton's Pinsel,
ohne jedoch seine großartige Einfachheit zu erreichen. Noch besser recitirt
Herr Feyer sein zweites Gedicht: Hans und Life sitzen auf der Garten-


im Walde niederschmetternd auf einen Fuhrmann und sein Gespann übt,
sehr glücklich wiedergegeben. Der Bauer im blauen Kittel verdeckt mit dem
Arm das Auge, die Pferde, schnaubend und stieren Blickes, mit Mähnen wild
gesträubt, scheuen vor dem blendenden Strahl, der in wildem Zickzack dicht
neben ihnen die Erde sucht. In seiner großen Parforcejagd hat Herr von
Thoren einen trefflichen Wurf gethan, das hastig bewegte Leben der Thier¬
welt mit kräftigem Pinsel, und gesunder Farbe festzuhalten. Er wird in
diesem prestissiino noch von einem belgischen Maler. Herrn Nieuvenhuys.
übertroffen, der uns im Format des Genrebildchens einen Bojaren mit zwei
Dienern zeigt, welche in lustigem Jugendübermuth, diesmal selbst vom Ge-
wittersturm gejagt, Pferde und Hunde zu immer schnellerem Tempo des
vsvtre s, tsrre antreiben. Erwähnen wir, da wir nun doch einmal ins
Genre gerathen, als solches eines sterbenden Ritters von Outin, der dem
Sohn das Schwert als Vermächtniß seiner Ehre übergibt, — weiter eines
hübschen Idylls von Marie Nicolas. Schülerin Chaplin's, die ihm seine
zarten rosigen Tinten abgelauscht und die eben deshalb in der Pinselführung
wohl etwas sicherer hätte auftreten dürfen. Die Großmutter spinnt — zwar
emsig, aber sie ist blind und kann dem Barfüßle wahrscheinlich das Brod
nicht schaffen, denn die groben Holzschuhe stehen verklagend neben dem zier¬
lichen Fuß der hübschen Blondine, die eben Zwirn und Nadel bei Seite ge¬
worfen hat und nun melancholisch über einem rosa Seidenstoff und reicher
Perlenschnur sinnt. Gleich daneben finden wir einen. Newfoundländer, der
seine Kette gesprengt hat, um der Spur seines Spielkameraden zu folgen: der
müde Bube hat sein schweres Holzbündel im Walde an einen Stamm gelehnt
und überläßt sich auf dem Daunenpfühl des Schnees dem gefährlichen Auf¬
ruhr, das wohl ewig dauern würde, leckte der treue Freund nicht uner¬
müdlich die starre, aber noch rothe Wange des Schläfers, der die Stirn
runzelt, wie eiyer, den es verdrießt, daß man ihn stört. Herr Feyer. der
scharfsichtige Psycholog, hat statt seiner armen Musikantenkinder, die immer
so ergreifend wirken, diesmal zwei alte Bauerweiber an einen Brunnen ge¬
setzt, wovon die eine, erzählend in das Einst ihres Lebens vertieft, wehmüthig
sinnend mit der Krücke Figuren in den Sand zeichnet, während um den
zahnlosen Mund der andern aller Unglaube, aller Neid ihrer Klasse, aber
auch die Einfalt ihres Kopfes zuckt. Eine frische Magd, die im Mittel¬
grund Wasser aus dem Brunnen zieht, macht sich über ihr Beginnen mit
der Ueberlegenheit lustig, mit der die dünkelhafte Jugend so gern auf
das Alter herabfleht. Die vollendete Wiedergabe der Individualität, der
Rhythmus der Linien und die wahre Farbe erinnern an Breton's Pinsel,
ohne jedoch seine großartige Einfachheit zu erreichen. Noch besser recitirt
Herr Feyer sein zweites Gedicht: Hans und Life sitzen auf der Garten-


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[0358] im Walde niederschmetternd auf einen Fuhrmann und sein Gespann übt, sehr glücklich wiedergegeben. Der Bauer im blauen Kittel verdeckt mit dem Arm das Auge, die Pferde, schnaubend und stieren Blickes, mit Mähnen wild gesträubt, scheuen vor dem blendenden Strahl, der in wildem Zickzack dicht neben ihnen die Erde sucht. In seiner großen Parforcejagd hat Herr von Thoren einen trefflichen Wurf gethan, das hastig bewegte Leben der Thier¬ welt mit kräftigem Pinsel, und gesunder Farbe festzuhalten. Er wird in diesem prestissiino noch von einem belgischen Maler. Herrn Nieuvenhuys. übertroffen, der uns im Format des Genrebildchens einen Bojaren mit zwei Dienern zeigt, welche in lustigem Jugendübermuth, diesmal selbst vom Ge- wittersturm gejagt, Pferde und Hunde zu immer schnellerem Tempo des vsvtre s, tsrre antreiben. Erwähnen wir, da wir nun doch einmal ins Genre gerathen, als solches eines sterbenden Ritters von Outin, der dem Sohn das Schwert als Vermächtniß seiner Ehre übergibt, — weiter eines hübschen Idylls von Marie Nicolas. Schülerin Chaplin's, die ihm seine zarten rosigen Tinten abgelauscht und die eben deshalb in der Pinselführung wohl etwas sicherer hätte auftreten dürfen. Die Großmutter spinnt — zwar emsig, aber sie ist blind und kann dem Barfüßle wahrscheinlich das Brod nicht schaffen, denn die groben Holzschuhe stehen verklagend neben dem zier¬ lichen Fuß der hübschen Blondine, die eben Zwirn und Nadel bei Seite ge¬ worfen hat und nun melancholisch über einem rosa Seidenstoff und reicher Perlenschnur sinnt. Gleich daneben finden wir einen. Newfoundländer, der seine Kette gesprengt hat, um der Spur seines Spielkameraden zu folgen: der müde Bube hat sein schweres Holzbündel im Walde an einen Stamm gelehnt und überläßt sich auf dem Daunenpfühl des Schnees dem gefährlichen Auf¬ ruhr, das wohl ewig dauern würde, leckte der treue Freund nicht uner¬ müdlich die starre, aber noch rothe Wange des Schläfers, der die Stirn runzelt, wie eiyer, den es verdrießt, daß man ihn stört. Herr Feyer. der scharfsichtige Psycholog, hat statt seiner armen Musikantenkinder, die immer so ergreifend wirken, diesmal zwei alte Bauerweiber an einen Brunnen ge¬ setzt, wovon die eine, erzählend in das Einst ihres Lebens vertieft, wehmüthig sinnend mit der Krücke Figuren in den Sand zeichnet, während um den zahnlosen Mund der andern aller Unglaube, aller Neid ihrer Klasse, aber auch die Einfalt ihres Kopfes zuckt. Eine frische Magd, die im Mittel¬ grund Wasser aus dem Brunnen zieht, macht sich über ihr Beginnen mit der Ueberlegenheit lustig, mit der die dünkelhafte Jugend so gern auf das Alter herabfleht. Die vollendete Wiedergabe der Individualität, der Rhythmus der Linien und die wahre Farbe erinnern an Breton's Pinsel, ohne jedoch seine großartige Einfachheit zu erreichen. Noch besser recitirt Herr Feyer sein zweites Gedicht: Hans und Life sitzen auf der Garten-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/358>, abgerufen am 02.10.2024.