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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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Bordings (Liechter Fahrzeugen) bis an die Knie waten, und für dessen Ex¬
port Danzig nächst Odessa der bedeutendste Hafen Europas ist, während
außerdem hier namentlich Holz ausgeführt und englische Steinkohle, zum Theil
statt Ballast, eingeführt wird. Auch die Rhederei Danzigs ist bedeutend: sie
steht mit ca. 60,000 Tons englisch neben Rostock und Stettin in erster Linie
unter allen deutschen Ostseehäfen, und besitzt ca. 120 dreimastige Schiffe,
von denen das größte vor vier Jahren bei Hein gebaut ist und bis vor
Kurzem überhaupt das größte deutsche Handelsschiff war. Doch wir kom-
men auf diese Verhältnisse, die Schiffsahrtsbewegung und den Export später
bei Besprechung der deutschen Handelsmarine zurück.

Wenn nun die geringe Tiefe der Einfahrt in Neufahrwasser schon große
Handelsschiffe von 21--28 Fuß Tiefgang in beladenem Zustande fern hält,
so ist dies Verhältniß noch empfindlicher für die Kriegsmarine, deren große
Schiffe nicht mit voller Ausrüstung einlaufen oder gar bis zur Werft ge¬
langen können, was doch unbedingt gefordert werden muß, die im Gegen¬
theil weit draußen auf der Rhede bleiben müssen und deren Ausrüstung so
Monate lang dauert und Linienschiffe befreundeter Mächte wie vor einem
Jahrzehnt der englische "Se. George" überhaupt nicht in den Hafen kommen
können, sondern auf der Rhede den Stürmen preisgegeben liegen. Die Strom¬
rinne*) hat hier eben blos 14 Fuß Wasser, während schon Corvetten aus¬
gerüstet 15--20 Fuß tief gehen, und auch bei Neufahrwafser beträgt der
mittlere Wasserstand nur 18 Fuß, da er durch die geringe Fluth der Ostsee
nur um 1 Zoll, bei Seewind höchstens um 3 Fuß gesteigert wird. So be¬
fand sich denn auch während des Krieges 1864 die "Vineta" auf dieser
Station in höchst peinlicher Lage. Trotz größtmöglicher Entlastung hatte
sie immer noch einen Tiefgang von 19 Fuß. Der mittlere Wasserstand bei
Neufahrwasser betrug aber eben 18, und so konnte das Schiff es nur bei star¬
ken nördlichen Winden, welche das Wasser in der Mündung aufstanden, und
nach erlittenen Beschädigungen einen Rückzug ohne Schwierigkeiten sicherten,
wagen, gegen die dänische Uebermacht den Hafen zu verlassen: auf der
Rhede zu bleiben durfte sie nicht riskiren, weil die Strandbatterien zu weit
zurückliegen, um mit genügender Wirkung secundiren zu können. Wenn es
trotzdem am 30. April, wo das dänische Linienschiff "Skjold" mit einem Rad¬
dampfer auf der Rhede lag, gelang, durch Vorausbringen der Geschütze das
Schiff auf ebnen Kiel zu legen und damit (nach einem verunglückten Ver¬
such) die Barre zu Passiren, so ist dadurch noch nicht die Tauglichkeit des
Hafens bewiesen. Uebrigens mußte auch, da der Wind heftiger wurde, See
aufkam und es zu dunkeln begann, die "Vineta" nach einem erfolglosen



y Die Mottlau ist in Danzig 9--9'/- Fuß, die Weichsel an der Schleuse 13 Fuß tief.

Bordings (Liechter Fahrzeugen) bis an die Knie waten, und für dessen Ex¬
port Danzig nächst Odessa der bedeutendste Hafen Europas ist, während
außerdem hier namentlich Holz ausgeführt und englische Steinkohle, zum Theil
statt Ballast, eingeführt wird. Auch die Rhederei Danzigs ist bedeutend: sie
steht mit ca. 60,000 Tons englisch neben Rostock und Stettin in erster Linie
unter allen deutschen Ostseehäfen, und besitzt ca. 120 dreimastige Schiffe,
von denen das größte vor vier Jahren bei Hein gebaut ist und bis vor
Kurzem überhaupt das größte deutsche Handelsschiff war. Doch wir kom-
men auf diese Verhältnisse, die Schiffsahrtsbewegung und den Export später
bei Besprechung der deutschen Handelsmarine zurück.

Wenn nun die geringe Tiefe der Einfahrt in Neufahrwasser schon große
Handelsschiffe von 21—28 Fuß Tiefgang in beladenem Zustande fern hält,
so ist dies Verhältniß noch empfindlicher für die Kriegsmarine, deren große
Schiffe nicht mit voller Ausrüstung einlaufen oder gar bis zur Werft ge¬
langen können, was doch unbedingt gefordert werden muß, die im Gegen¬
theil weit draußen auf der Rhede bleiben müssen und deren Ausrüstung so
Monate lang dauert und Linienschiffe befreundeter Mächte wie vor einem
Jahrzehnt der englische „Se. George" überhaupt nicht in den Hafen kommen
können, sondern auf der Rhede den Stürmen preisgegeben liegen. Die Strom¬
rinne*) hat hier eben blos 14 Fuß Wasser, während schon Corvetten aus¬
gerüstet 15—20 Fuß tief gehen, und auch bei Neufahrwafser beträgt der
mittlere Wasserstand nur 18 Fuß, da er durch die geringe Fluth der Ostsee
nur um 1 Zoll, bei Seewind höchstens um 3 Fuß gesteigert wird. So be¬
fand sich denn auch während des Krieges 1864 die „Vineta" auf dieser
Station in höchst peinlicher Lage. Trotz größtmöglicher Entlastung hatte
sie immer noch einen Tiefgang von 19 Fuß. Der mittlere Wasserstand bei
Neufahrwasser betrug aber eben 18, und so konnte das Schiff es nur bei star¬
ken nördlichen Winden, welche das Wasser in der Mündung aufstanden, und
nach erlittenen Beschädigungen einen Rückzug ohne Schwierigkeiten sicherten,
wagen, gegen die dänische Uebermacht den Hafen zu verlassen: auf der
Rhede zu bleiben durfte sie nicht riskiren, weil die Strandbatterien zu weit
zurückliegen, um mit genügender Wirkung secundiren zu können. Wenn es
trotzdem am 30. April, wo das dänische Linienschiff „Skjold" mit einem Rad¬
dampfer auf der Rhede lag, gelang, durch Vorausbringen der Geschütze das
Schiff auf ebnen Kiel zu legen und damit (nach einem verunglückten Ver¬
such) die Barre zu Passiren, so ist dadurch noch nicht die Tauglichkeit des
Hafens bewiesen. Uebrigens mußte auch, da der Wind heftiger wurde, See
aufkam und es zu dunkeln begann, die „Vineta" nach einem erfolglosen



y Die Mottlau ist in Danzig 9—9'/- Fuß, die Weichsel an der Schleuse 13 Fuß tief.
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[0354] Bordings (Liechter Fahrzeugen) bis an die Knie waten, und für dessen Ex¬ port Danzig nächst Odessa der bedeutendste Hafen Europas ist, während außerdem hier namentlich Holz ausgeführt und englische Steinkohle, zum Theil statt Ballast, eingeführt wird. Auch die Rhederei Danzigs ist bedeutend: sie steht mit ca. 60,000 Tons englisch neben Rostock und Stettin in erster Linie unter allen deutschen Ostseehäfen, und besitzt ca. 120 dreimastige Schiffe, von denen das größte vor vier Jahren bei Hein gebaut ist und bis vor Kurzem überhaupt das größte deutsche Handelsschiff war. Doch wir kom- men auf diese Verhältnisse, die Schiffsahrtsbewegung und den Export später bei Besprechung der deutschen Handelsmarine zurück. Wenn nun die geringe Tiefe der Einfahrt in Neufahrwasser schon große Handelsschiffe von 21—28 Fuß Tiefgang in beladenem Zustande fern hält, so ist dies Verhältniß noch empfindlicher für die Kriegsmarine, deren große Schiffe nicht mit voller Ausrüstung einlaufen oder gar bis zur Werft ge¬ langen können, was doch unbedingt gefordert werden muß, die im Gegen¬ theil weit draußen auf der Rhede bleiben müssen und deren Ausrüstung so Monate lang dauert und Linienschiffe befreundeter Mächte wie vor einem Jahrzehnt der englische „Se. George" überhaupt nicht in den Hafen kommen können, sondern auf der Rhede den Stürmen preisgegeben liegen. Die Strom¬ rinne*) hat hier eben blos 14 Fuß Wasser, während schon Corvetten aus¬ gerüstet 15—20 Fuß tief gehen, und auch bei Neufahrwafser beträgt der mittlere Wasserstand nur 18 Fuß, da er durch die geringe Fluth der Ostsee nur um 1 Zoll, bei Seewind höchstens um 3 Fuß gesteigert wird. So be¬ fand sich denn auch während des Krieges 1864 die „Vineta" auf dieser Station in höchst peinlicher Lage. Trotz größtmöglicher Entlastung hatte sie immer noch einen Tiefgang von 19 Fuß. Der mittlere Wasserstand bei Neufahrwasser betrug aber eben 18, und so konnte das Schiff es nur bei star¬ ken nördlichen Winden, welche das Wasser in der Mündung aufstanden, und nach erlittenen Beschädigungen einen Rückzug ohne Schwierigkeiten sicherten, wagen, gegen die dänische Uebermacht den Hafen zu verlassen: auf der Rhede zu bleiben durfte sie nicht riskiren, weil die Strandbatterien zu weit zurückliegen, um mit genügender Wirkung secundiren zu können. Wenn es trotzdem am 30. April, wo das dänische Linienschiff „Skjold" mit einem Rad¬ dampfer auf der Rhede lag, gelang, durch Vorausbringen der Geschütze das Schiff auf ebnen Kiel zu legen und damit (nach einem verunglückten Ver¬ such) die Barre zu Passiren, so ist dadurch noch nicht die Tauglichkeit des Hafens bewiesen. Uebrigens mußte auch, da der Wind heftiger wurde, See aufkam und es zu dunkeln begann, die „Vineta" nach einem erfolglosen y Die Mottlau ist in Danzig 9—9'/- Fuß, die Weichsel an der Schleuse 13 Fuß tief.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/354>, abgerufen am 04.07.2024.