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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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Werft verwandt): -- es wäre also ohne Schaden nur ein Verkauf des ge-
sammten Materials an eine Privatschiffbaugesellschaft möglich, die sich etwa
an der Weichsel etabliren wollte. Sodann aber ist es auch von hohem
Werth, gerade an einem östlichen Punkt der Küste die Möglichkeit zu um¬
fassenden Reparaturen und Ergänzungen der Ausrüstung wenigstens für
Schiffe mittlerer Größe vorzufinden, so lange in Orhöft noch kein befestigtes
Marinedepot mit Dock existirt: Und wenn auch die geringe Wassertiefe in
der Hafeneinfahrt von Neufahrwasser und in der Weichsel dem Einlaufen
gedeckter Corvetten mit Armirung (normal 18'/" Fuß Tiefgang) Schwierig¬
keiten bietet, so können doch kleinere Schiffe stets bequem bis zur Werft ge¬
langen. So dürfen wir denn wohl erwarten, daß für den Neubau unsrer
gedeckten und Glattdeckscorvetten sowie kleinerer Holzkriegsschiffe, ja auch
leichter Panzercorvetten vom Typus der französischen "Belliqueuse" oder
unsrer künftigen "Hansa" Danzig stets im gegenwärtigen Umfange Construc-
tionshafen bleiben wird, und seine königliche Werst behalten wird, welche gegen¬
wärtig die einzige im Staate ist. Auch wird gegenwärtig wieder rüstig hier
weitergearbeitet, nachdem im Mai d. I. zufolge des Scheiterns der Marine¬
anleihe 200 Arbeitern gekündigt gewesen war.

Danzig verdankt indessen seine Wichtigkeit für die Kriegsmarine nicht
blos der königlichen Werft, sondern ebenso seiner Eigenschaft als strategischer
Rückhalt für die Befestigung der Weichselmündungen bei Neufahrwasser und
Weichselmünde, mit dem Fort von Brösen (eine Viertelstunde von Neu¬
fahrwasser, wo 2--300 Arbeiter zu thun haben) und dem Fort von Neufähr
an dem Ausfluß des eigentlichen Weichselstroms in die Ostsee. Kaum eine
Meile haben von der kömglichen Werft aus die kleinen Dampfer zu machen,
die von Danzig wie Omnibusse nach Neufahrwasser*) hinabgehen, und seit
einiger Zeit allerdings die Concurrenz einer Eisenbahn bestehen müssen. Von
ihrem Deck aus hat man eine entzückende Aussicht, mag man rückwärts nach
den stolzen Thürmen und Giebeln über den grünen Wällen von Danzig
schauen, oder rechts und links den Strom entlang mit seinen langen Rei¬
hen mächtiger, hochbordiger und stolz getakelter Barkschiffe und Klipper und
der weiten grünen Niederung in der fernern Perspective. Schon von den
Wällen Danzigs ab hat uns auf dem rechten Ufer ein grüner Erdwall be¬
gleitet, in mannichfachen Ecken gebrochen und hin und wieder durch geschlos¬
sene Schanzen verstärkt: er dient dazu die Verbindung Danzigs mit dem
gleichfalls auf dem rechten Weichselufer gelegenen Weichselmünde herzustellen,
und liegt theilweise nicht auf festem Land, sondern auf dem Holm, einer
durch einen Weichselarm auch jenseits abgegrenzten Insel. Nach einiger Zeit



") Der Danziger sagt stets blos Fahrwasser.

Werft verwandt): — es wäre also ohne Schaden nur ein Verkauf des ge-
sammten Materials an eine Privatschiffbaugesellschaft möglich, die sich etwa
an der Weichsel etabliren wollte. Sodann aber ist es auch von hohem
Werth, gerade an einem östlichen Punkt der Küste die Möglichkeit zu um¬
fassenden Reparaturen und Ergänzungen der Ausrüstung wenigstens für
Schiffe mittlerer Größe vorzufinden, so lange in Orhöft noch kein befestigtes
Marinedepot mit Dock existirt: Und wenn auch die geringe Wassertiefe in
der Hafeneinfahrt von Neufahrwasser und in der Weichsel dem Einlaufen
gedeckter Corvetten mit Armirung (normal 18'/» Fuß Tiefgang) Schwierig¬
keiten bietet, so können doch kleinere Schiffe stets bequem bis zur Werft ge¬
langen. So dürfen wir denn wohl erwarten, daß für den Neubau unsrer
gedeckten und Glattdeckscorvetten sowie kleinerer Holzkriegsschiffe, ja auch
leichter Panzercorvetten vom Typus der französischen „Belliqueuse" oder
unsrer künftigen „Hansa" Danzig stets im gegenwärtigen Umfange Construc-
tionshafen bleiben wird, und seine königliche Werst behalten wird, welche gegen¬
wärtig die einzige im Staate ist. Auch wird gegenwärtig wieder rüstig hier
weitergearbeitet, nachdem im Mai d. I. zufolge des Scheiterns der Marine¬
anleihe 200 Arbeitern gekündigt gewesen war.

Danzig verdankt indessen seine Wichtigkeit für die Kriegsmarine nicht
blos der königlichen Werft, sondern ebenso seiner Eigenschaft als strategischer
Rückhalt für die Befestigung der Weichselmündungen bei Neufahrwasser und
Weichselmünde, mit dem Fort von Brösen (eine Viertelstunde von Neu¬
fahrwasser, wo 2—300 Arbeiter zu thun haben) und dem Fort von Neufähr
an dem Ausfluß des eigentlichen Weichselstroms in die Ostsee. Kaum eine
Meile haben von der kömglichen Werft aus die kleinen Dampfer zu machen,
die von Danzig wie Omnibusse nach Neufahrwasser*) hinabgehen, und seit
einiger Zeit allerdings die Concurrenz einer Eisenbahn bestehen müssen. Von
ihrem Deck aus hat man eine entzückende Aussicht, mag man rückwärts nach
den stolzen Thürmen und Giebeln über den grünen Wällen von Danzig
schauen, oder rechts und links den Strom entlang mit seinen langen Rei¬
hen mächtiger, hochbordiger und stolz getakelter Barkschiffe und Klipper und
der weiten grünen Niederung in der fernern Perspective. Schon von den
Wällen Danzigs ab hat uns auf dem rechten Ufer ein grüner Erdwall be¬
gleitet, in mannichfachen Ecken gebrochen und hin und wieder durch geschlos¬
sene Schanzen verstärkt: er dient dazu die Verbindung Danzigs mit dem
gleichfalls auf dem rechten Weichselufer gelegenen Weichselmünde herzustellen,
und liegt theilweise nicht auf festem Land, sondern auf dem Holm, einer
durch einen Weichselarm auch jenseits abgegrenzten Insel. Nach einiger Zeit



") Der Danziger sagt stets blos Fahrwasser.
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[0351] Werft verwandt): — es wäre also ohne Schaden nur ein Verkauf des ge- sammten Materials an eine Privatschiffbaugesellschaft möglich, die sich etwa an der Weichsel etabliren wollte. Sodann aber ist es auch von hohem Werth, gerade an einem östlichen Punkt der Küste die Möglichkeit zu um¬ fassenden Reparaturen und Ergänzungen der Ausrüstung wenigstens für Schiffe mittlerer Größe vorzufinden, so lange in Orhöft noch kein befestigtes Marinedepot mit Dock existirt: Und wenn auch die geringe Wassertiefe in der Hafeneinfahrt von Neufahrwasser und in der Weichsel dem Einlaufen gedeckter Corvetten mit Armirung (normal 18'/» Fuß Tiefgang) Schwierig¬ keiten bietet, so können doch kleinere Schiffe stets bequem bis zur Werft ge¬ langen. So dürfen wir denn wohl erwarten, daß für den Neubau unsrer gedeckten und Glattdeckscorvetten sowie kleinerer Holzkriegsschiffe, ja auch leichter Panzercorvetten vom Typus der französischen „Belliqueuse" oder unsrer künftigen „Hansa" Danzig stets im gegenwärtigen Umfange Construc- tionshafen bleiben wird, und seine königliche Werst behalten wird, welche gegen¬ wärtig die einzige im Staate ist. Auch wird gegenwärtig wieder rüstig hier weitergearbeitet, nachdem im Mai d. I. zufolge des Scheiterns der Marine¬ anleihe 200 Arbeitern gekündigt gewesen war. Danzig verdankt indessen seine Wichtigkeit für die Kriegsmarine nicht blos der königlichen Werft, sondern ebenso seiner Eigenschaft als strategischer Rückhalt für die Befestigung der Weichselmündungen bei Neufahrwasser und Weichselmünde, mit dem Fort von Brösen (eine Viertelstunde von Neu¬ fahrwasser, wo 2—300 Arbeiter zu thun haben) und dem Fort von Neufähr an dem Ausfluß des eigentlichen Weichselstroms in die Ostsee. Kaum eine Meile haben von der kömglichen Werft aus die kleinen Dampfer zu machen, die von Danzig wie Omnibusse nach Neufahrwasser*) hinabgehen, und seit einiger Zeit allerdings die Concurrenz einer Eisenbahn bestehen müssen. Von ihrem Deck aus hat man eine entzückende Aussicht, mag man rückwärts nach den stolzen Thürmen und Giebeln über den grünen Wällen von Danzig schauen, oder rechts und links den Strom entlang mit seinen langen Rei¬ hen mächtiger, hochbordiger und stolz getakelter Barkschiffe und Klipper und der weiten grünen Niederung in der fernern Perspective. Schon von den Wällen Danzigs ab hat uns auf dem rechten Ufer ein grüner Erdwall be¬ gleitet, in mannichfachen Ecken gebrochen und hin und wieder durch geschlos¬ sene Schanzen verstärkt: er dient dazu die Verbindung Danzigs mit dem gleichfalls auf dem rechten Weichselufer gelegenen Weichselmünde herzustellen, und liegt theilweise nicht auf festem Land, sondern auf dem Holm, einer durch einen Weichselarm auch jenseits abgegrenzten Insel. Nach einiger Zeit ") Der Danziger sagt stets blos Fahrwasser.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/351>, abgerufen am 04.07.2024.