Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.mentritts der seit einem halben Jahrhundert in Vergessenheit gekommenen Im H.rbst des Jahres 1861 erfolgte endlich die Veröffentlichung eines Volle achtzehn Monate dauerte es, bevor der ständische Ausschuß (Uskrot) mentritts der seit einem halben Jahrhundert in Vergessenheit gekommenen Im H.rbst des Jahres 1861 erfolgte endlich die Veröffentlichung eines Volle achtzehn Monate dauerte es, bevor der ständische Ausschuß (Uskrot) <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0340" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/287052"/> <p xml:id="ID_866" prev="#ID_865"> mentritts der seit einem halben Jahrhundert in Vergessenheit gekommenen<lb/> Stände unaufhörlich variirten: ein in Stockholm herausgegebener „Finnlän-<lb/> discher Censurkalender" sorgte dafür, daß das Publikum auch von denjenigen<lb/> Gedanken seiner Publicisten regelmäßige Kunde erhielt, welche der Rothstift<lb/> des Censors als mit der öffentlichen Wohlfahrt unverträglich entfernt hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_867"> Im H.rbst des Jahres 1861 erfolgte endlich die Veröffentlichung eines<lb/> an den Minister-Staatssecretär gerichteten kaiserlichen Handschreibens, welches<lb/> die baldige Einberufung der getreuen Stände des Großfürstenthums Finn-<lb/> lands in nahe Aussicht stellte. So groß aber war die Masse der durch die<lb/> Unterlassungen eines halben Jahrhunderts aufgehäuften Geschäfte, daß zu¬<lb/> nächst eine (verfassungsmäßig mit vorgesehene) ständische Ausschuß-Comission<lb/> niedergesetzt werden mußte, um die zahllosen Vorlagen, welche der Erledigung<lb/> harrten, einigermaßen zu ordnen und festzustellen, auf welchen Gebieten durch¬<lb/> greifende Neuschöpfungen nöthig seien. Alle Zweige der Gesetzgebung be¬<lb/> fanden sich im Zustande der Verwirrung; eine große Anzahl alter Vorschrif¬<lb/> ten war zu Folge der Verordnungen, welche sich im Schooß des wirth-<lb/> schaftlichen und socialen Lebens vollzogen hatten, vollständig unpractisch ge¬<lb/> worden, andere hatte das bon Mihir der Regierung außer Kraft gesetzt,<lb/> wieder andere waren modificirt worden, ohne das Jemand anzugeben wußte,<lb/> woher diese Veränderungen stammten und in wie weit sie verbindlich waren.<lb/> Crimminal- und Civilrecht, Proceßwesen, Preßgesetz, Communications- und<lb/> Schulwesen, Steuerordnung und Handelsgesetzgebung — Alles bedürfte seit<lb/> Jahren radicaler Neugestaltungen, welche wegen der kaiserlichen Scheu vor<lb/> Anerkennung der ständischen Prärogative unterlassen worden waren; nebenher<lb/> galt es eine Schaar administrativer Uebergriffe, wenn nicht förmlich zur<lb/> Sprache zu bringen, so doch im Stillen zu beseitigen. Die liberale Jugend<lb/> drängte außerdem zu einer Verwandlung der alten schwedischen Vierstände-<lb/> Verfassung in eine moderne Constitution, nach belgischen Muster.</p><lb/> <p xml:id="ID_868" next="#ID_869"> Volle achtzehn Monate dauerte es, bevor der ständische Ausschuß (Uskrot)<lb/> die Reinigung des Augiasstalles, den er vorgefunden, beendete. Seine Thä¬<lb/> tigkeit wurde von der jungen Presse mit lebhaftem Eifer verfolgt und schon<lb/> die wiederholten Mahnungen derselben, nicht außer Augen zu setzen, daß es<lb/> Sache der Stände sein werde, über die Vorlagen der Commission zu beschließen,<lb/> bewiesen, daß Finnland seinen Rechten Nichts vergeben sehen wollte und<lb/> keineswegs gewillt war. die Commission für ein Surrogat des Landtags gelten<lb/> zu lassen. Daß die Regierung dem Gedanken nicht ganz fremd gewesen war,<lb/> die Ständeversammlung zu umgehen, dürfte schon durch den Umstand bewiesen<lb/> sein, daß der Uskrot seinen Bericht an den Kaiser mit einem Hinweis auf den<lb/> „unmaßgeblichen Charakter" seine Arbeiten beschloß. — Was den Inhalt<lb/> dieser Beschlüsse anlangt, so sprachen dieselben sich für Abschaffung des Adels-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0340]
mentritts der seit einem halben Jahrhundert in Vergessenheit gekommenen
Stände unaufhörlich variirten: ein in Stockholm herausgegebener „Finnlän-
discher Censurkalender" sorgte dafür, daß das Publikum auch von denjenigen
Gedanken seiner Publicisten regelmäßige Kunde erhielt, welche der Rothstift
des Censors als mit der öffentlichen Wohlfahrt unverträglich entfernt hatte.
Im H.rbst des Jahres 1861 erfolgte endlich die Veröffentlichung eines
an den Minister-Staatssecretär gerichteten kaiserlichen Handschreibens, welches
die baldige Einberufung der getreuen Stände des Großfürstenthums Finn-
lands in nahe Aussicht stellte. So groß aber war die Masse der durch die
Unterlassungen eines halben Jahrhunderts aufgehäuften Geschäfte, daß zu¬
nächst eine (verfassungsmäßig mit vorgesehene) ständische Ausschuß-Comission
niedergesetzt werden mußte, um die zahllosen Vorlagen, welche der Erledigung
harrten, einigermaßen zu ordnen und festzustellen, auf welchen Gebieten durch¬
greifende Neuschöpfungen nöthig seien. Alle Zweige der Gesetzgebung be¬
fanden sich im Zustande der Verwirrung; eine große Anzahl alter Vorschrif¬
ten war zu Folge der Verordnungen, welche sich im Schooß des wirth-
schaftlichen und socialen Lebens vollzogen hatten, vollständig unpractisch ge¬
worden, andere hatte das bon Mihir der Regierung außer Kraft gesetzt,
wieder andere waren modificirt worden, ohne das Jemand anzugeben wußte,
woher diese Veränderungen stammten und in wie weit sie verbindlich waren.
Crimminal- und Civilrecht, Proceßwesen, Preßgesetz, Communications- und
Schulwesen, Steuerordnung und Handelsgesetzgebung — Alles bedürfte seit
Jahren radicaler Neugestaltungen, welche wegen der kaiserlichen Scheu vor
Anerkennung der ständischen Prärogative unterlassen worden waren; nebenher
galt es eine Schaar administrativer Uebergriffe, wenn nicht förmlich zur
Sprache zu bringen, so doch im Stillen zu beseitigen. Die liberale Jugend
drängte außerdem zu einer Verwandlung der alten schwedischen Vierstände-
Verfassung in eine moderne Constitution, nach belgischen Muster.
Volle achtzehn Monate dauerte es, bevor der ständische Ausschuß (Uskrot)
die Reinigung des Augiasstalles, den er vorgefunden, beendete. Seine Thä¬
tigkeit wurde von der jungen Presse mit lebhaftem Eifer verfolgt und schon
die wiederholten Mahnungen derselben, nicht außer Augen zu setzen, daß es
Sache der Stände sein werde, über die Vorlagen der Commission zu beschließen,
bewiesen, daß Finnland seinen Rechten Nichts vergeben sehen wollte und
keineswegs gewillt war. die Commission für ein Surrogat des Landtags gelten
zu lassen. Daß die Regierung dem Gedanken nicht ganz fremd gewesen war,
die Ständeversammlung zu umgehen, dürfte schon durch den Umstand bewiesen
sein, daß der Uskrot seinen Bericht an den Kaiser mit einem Hinweis auf den
„unmaßgeblichen Charakter" seine Arbeiten beschloß. — Was den Inhalt
dieser Beschlüsse anlangt, so sprachen dieselben sich für Abschaffung des Adels-
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