Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Erbgut. Dagegen schenkte Kaiser Adolph dem Landgrafen das in der Nähe
liegende Reichsschloß Beyneburg und ertheilte ihm am 9. Mai 1292 den
ersten Lehrbrief, worin er ihm dieses Schloß und die Stadt Eschwege unter
dem Titel eines Fürstenthums als Reichslehn übergibt. Der Preis für die
Fürstung des Landgrafen von Hessen war also die Aufhebung der Reichsun-
mittelbarkeit Eschweges.*)

Herzog Otto der Quade oder Böse von Braunschweig-Göttingen hatte
alte Ansprüche an Hessen, namentlich an die Landschaft an der Werra geltend
gemacht und erschien am Sonntage Judica 1375 vor Eschwege. Die Sage
erzählt, auf den Mauerzinnen zwischen der Mühlpforte und dem Dünzebacher
Thore seien hellleuchtende Gesichte und glühende Schwerter gesehen worden,
Welche Schrecken und Verwirrung unter den Feind, Rettung aber den Bür¬
gern brachten. Otto zog ab und die Stadt ließ dort aus die Stadtmauer
fünf in Stein gehauene Engelsköpfe setzen, stiftete eine reiche Spende an die
Armen und feierte jährlich am Sonntage Judica ein Dankfest.

Wie fast überall im Reiche, so gerieth auch in Hessen die sich entwickelnde
Landeshoheit in Conflict mit den städtischen Freiheiten. Die in ihren Rech¬
ten sich gekränkt fühlenden niederhessischen Städte wurden bis zum äußersten
gereizt und verbanden sich wider ihren Landgrafen Hermann am 1. Januar
1376; Eschwege, die bedeutendste Landstadt des Niederfürstenthums, schloß
sich dem Bunde an. Die Bündner zogen nach der Hauptstadt und eroberten
die landgräfliche Burg zu Cassel. 1378 wurde unter Vermittelung der thü¬
ringer Landgrafen ein Vergleich geschlossen. Die Bedrückungen des Landgrafen
Hermann wurden indeß ärger und insonderheit sollte Eschwege den ganzen
Zorn der beleidigten Majestät fühlen. Man suchte Schutz und Hilfe bei
Balthasar von Thüringen und dieser kündete darauf dem Landgrafen Her-
Mann die Fehde an. Verbündet mit Braunschweig, Mainz, Köln und andern
rückte er 1386 in Hessen ein; Wanfried, Sontra und Schloß Beyneburg
öffneten sich ihm; auch Eschwege warf sich ihm in die Arme und that Hul¬
digung. Die Alltirten erschienen vor Cassel und Hermann schloß mit ihnen
einen schmählichen Frieden. Balthasar behielt seine Eroberungen, namentlich
Eschwege, Sontra und Homberg. Im März 1387 hielt Balthasar mit Otto
von Braunschweig und Adolph von Mainz dort Tagfahrt; Otto trat das
Drittheil der Eroberungen, worauf er Ansprüche machte, an Balthasar ab
und dieser nahm den Churfürsten von Mainz in die Gemeinschaft von Esch-
Kege und Sontra auf. Ein neuer Zug gegen Cassel wurde beschlossen.



1373 schlössen in Eschwege die Landgrafen Heinrich II. und Hermann von Hessen und
"Redlich, Balthasar und Wilhelm von Meißen und Thüringen eine Erbverbrüderung und die
hessischen Städte und Schlösser leisteten dem meißnischen Hause, die meißnischen und thürin-
S'schen aber dem hessischen die Eventualhuldigung.

Erbgut. Dagegen schenkte Kaiser Adolph dem Landgrafen das in der Nähe
liegende Reichsschloß Beyneburg und ertheilte ihm am 9. Mai 1292 den
ersten Lehrbrief, worin er ihm dieses Schloß und die Stadt Eschwege unter
dem Titel eines Fürstenthums als Reichslehn übergibt. Der Preis für die
Fürstung des Landgrafen von Hessen war also die Aufhebung der Reichsun-
mittelbarkeit Eschweges.*)

Herzog Otto der Quade oder Böse von Braunschweig-Göttingen hatte
alte Ansprüche an Hessen, namentlich an die Landschaft an der Werra geltend
gemacht und erschien am Sonntage Judica 1375 vor Eschwege. Die Sage
erzählt, auf den Mauerzinnen zwischen der Mühlpforte und dem Dünzebacher
Thore seien hellleuchtende Gesichte und glühende Schwerter gesehen worden,
Welche Schrecken und Verwirrung unter den Feind, Rettung aber den Bür¬
gern brachten. Otto zog ab und die Stadt ließ dort aus die Stadtmauer
fünf in Stein gehauene Engelsköpfe setzen, stiftete eine reiche Spende an die
Armen und feierte jährlich am Sonntage Judica ein Dankfest.

Wie fast überall im Reiche, so gerieth auch in Hessen die sich entwickelnde
Landeshoheit in Conflict mit den städtischen Freiheiten. Die in ihren Rech¬
ten sich gekränkt fühlenden niederhessischen Städte wurden bis zum äußersten
gereizt und verbanden sich wider ihren Landgrafen Hermann am 1. Januar
1376; Eschwege, die bedeutendste Landstadt des Niederfürstenthums, schloß
sich dem Bunde an. Die Bündner zogen nach der Hauptstadt und eroberten
die landgräfliche Burg zu Cassel. 1378 wurde unter Vermittelung der thü¬
ringer Landgrafen ein Vergleich geschlossen. Die Bedrückungen des Landgrafen
Hermann wurden indeß ärger und insonderheit sollte Eschwege den ganzen
Zorn der beleidigten Majestät fühlen. Man suchte Schutz und Hilfe bei
Balthasar von Thüringen und dieser kündete darauf dem Landgrafen Her-
Mann die Fehde an. Verbündet mit Braunschweig, Mainz, Köln und andern
rückte er 1386 in Hessen ein; Wanfried, Sontra und Schloß Beyneburg
öffneten sich ihm; auch Eschwege warf sich ihm in die Arme und that Hul¬
digung. Die Alltirten erschienen vor Cassel und Hermann schloß mit ihnen
einen schmählichen Frieden. Balthasar behielt seine Eroberungen, namentlich
Eschwege, Sontra und Homberg. Im März 1387 hielt Balthasar mit Otto
von Braunschweig und Adolph von Mainz dort Tagfahrt; Otto trat das
Drittheil der Eroberungen, worauf er Ansprüche machte, an Balthasar ab
und dieser nahm den Churfürsten von Mainz in die Gemeinschaft von Esch-
Kege und Sontra auf. Ein neuer Zug gegen Cassel wurde beschlossen.



1373 schlössen in Eschwege die Landgrafen Heinrich II. und Hermann von Hessen und
"Redlich, Balthasar und Wilhelm von Meißen und Thüringen eine Erbverbrüderung und die
hessischen Städte und Schlösser leisteten dem meißnischen Hause, die meißnischen und thürin-
S'schen aber dem hessischen die Eventualhuldigung.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0327" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/287039"/>
            <p xml:id="ID_828" prev="#ID_827"> Erbgut. Dagegen schenkte Kaiser Adolph dem Landgrafen das in der Nähe<lb/>
liegende Reichsschloß Beyneburg und ertheilte ihm am 9. Mai 1292 den<lb/>
ersten Lehrbrief, worin er ihm dieses Schloß und die Stadt Eschwege unter<lb/>
dem Titel eines Fürstenthums als Reichslehn übergibt. Der Preis für die<lb/>
Fürstung des Landgrafen von Hessen war also die Aufhebung der Reichsun-<lb/>
mittelbarkeit Eschweges.*)</p><lb/>
            <p xml:id="ID_829"> Herzog Otto der Quade oder Böse von Braunschweig-Göttingen hatte<lb/>
alte Ansprüche an Hessen, namentlich an die Landschaft an der Werra geltend<lb/>
gemacht und erschien am Sonntage Judica 1375 vor Eschwege. Die Sage<lb/>
erzählt, auf den Mauerzinnen zwischen der Mühlpforte und dem Dünzebacher<lb/>
Thore seien hellleuchtende Gesichte und glühende Schwerter gesehen worden,<lb/>
Welche Schrecken und Verwirrung unter den Feind, Rettung aber den Bür¬<lb/>
gern brachten. Otto zog ab und die Stadt ließ dort aus die Stadtmauer<lb/>
fünf in Stein gehauene Engelsköpfe setzen, stiftete eine reiche Spende an die<lb/>
Armen und feierte jährlich am Sonntage Judica ein Dankfest.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_830" next="#ID_831"> Wie fast überall im Reiche, so gerieth auch in Hessen die sich entwickelnde<lb/>
Landeshoheit in Conflict mit den städtischen Freiheiten. Die in ihren Rech¬<lb/>
ten sich gekränkt fühlenden niederhessischen Städte wurden bis zum äußersten<lb/>
gereizt und verbanden sich wider ihren Landgrafen Hermann am 1. Januar<lb/>
1376; Eschwege, die bedeutendste Landstadt des Niederfürstenthums, schloß<lb/>
sich dem Bunde an. Die Bündner zogen nach der Hauptstadt und eroberten<lb/>
die landgräfliche Burg zu Cassel. 1378 wurde unter Vermittelung der thü¬<lb/>
ringer Landgrafen ein Vergleich geschlossen. Die Bedrückungen des Landgrafen<lb/>
Hermann wurden indeß ärger und insonderheit sollte Eschwege den ganzen<lb/>
Zorn der beleidigten Majestät fühlen. Man suchte Schutz und Hilfe bei<lb/>
Balthasar von Thüringen und dieser kündete darauf dem Landgrafen Her-<lb/>
Mann die Fehde an. Verbündet mit Braunschweig, Mainz, Köln und andern<lb/>
rückte er 1386 in Hessen ein; Wanfried, Sontra und Schloß Beyneburg<lb/>
öffneten sich ihm; auch Eschwege warf sich ihm in die Arme und that Hul¬<lb/>
digung. Die Alltirten erschienen vor Cassel und Hermann schloß mit ihnen<lb/>
einen schmählichen Frieden. Balthasar behielt seine Eroberungen, namentlich<lb/>
Eschwege, Sontra und Homberg. Im März 1387 hielt Balthasar mit Otto<lb/>
von Braunschweig und Adolph von Mainz dort Tagfahrt; Otto trat das<lb/>
Drittheil der Eroberungen, worauf er Ansprüche machte, an Balthasar ab<lb/>
und dieser nahm den Churfürsten von Mainz in die Gemeinschaft von Esch-<lb/>
Kege und Sontra auf. Ein neuer Zug gegen Cassel wurde beschlossen.</p><lb/>
            <note xml:id="FID_23" place="foot"> 1373 schlössen in Eschwege die Landgrafen Heinrich II. und Hermann von Hessen und<lb/>
"Redlich, Balthasar und Wilhelm von Meißen und Thüringen eine Erbverbrüderung und die<lb/>
hessischen Städte und Schlösser leisteten dem meißnischen Hause, die meißnischen und thürin-<lb/>
S'schen aber dem hessischen die Eventualhuldigung.</note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0327] Erbgut. Dagegen schenkte Kaiser Adolph dem Landgrafen das in der Nähe liegende Reichsschloß Beyneburg und ertheilte ihm am 9. Mai 1292 den ersten Lehrbrief, worin er ihm dieses Schloß und die Stadt Eschwege unter dem Titel eines Fürstenthums als Reichslehn übergibt. Der Preis für die Fürstung des Landgrafen von Hessen war also die Aufhebung der Reichsun- mittelbarkeit Eschweges.*) Herzog Otto der Quade oder Böse von Braunschweig-Göttingen hatte alte Ansprüche an Hessen, namentlich an die Landschaft an der Werra geltend gemacht und erschien am Sonntage Judica 1375 vor Eschwege. Die Sage erzählt, auf den Mauerzinnen zwischen der Mühlpforte und dem Dünzebacher Thore seien hellleuchtende Gesichte und glühende Schwerter gesehen worden, Welche Schrecken und Verwirrung unter den Feind, Rettung aber den Bür¬ gern brachten. Otto zog ab und die Stadt ließ dort aus die Stadtmauer fünf in Stein gehauene Engelsköpfe setzen, stiftete eine reiche Spende an die Armen und feierte jährlich am Sonntage Judica ein Dankfest. Wie fast überall im Reiche, so gerieth auch in Hessen die sich entwickelnde Landeshoheit in Conflict mit den städtischen Freiheiten. Die in ihren Rech¬ ten sich gekränkt fühlenden niederhessischen Städte wurden bis zum äußersten gereizt und verbanden sich wider ihren Landgrafen Hermann am 1. Januar 1376; Eschwege, die bedeutendste Landstadt des Niederfürstenthums, schloß sich dem Bunde an. Die Bündner zogen nach der Hauptstadt und eroberten die landgräfliche Burg zu Cassel. 1378 wurde unter Vermittelung der thü¬ ringer Landgrafen ein Vergleich geschlossen. Die Bedrückungen des Landgrafen Hermann wurden indeß ärger und insonderheit sollte Eschwege den ganzen Zorn der beleidigten Majestät fühlen. Man suchte Schutz und Hilfe bei Balthasar von Thüringen und dieser kündete darauf dem Landgrafen Her- Mann die Fehde an. Verbündet mit Braunschweig, Mainz, Köln und andern rückte er 1386 in Hessen ein; Wanfried, Sontra und Schloß Beyneburg öffneten sich ihm; auch Eschwege warf sich ihm in die Arme und that Hul¬ digung. Die Alltirten erschienen vor Cassel und Hermann schloß mit ihnen einen schmählichen Frieden. Balthasar behielt seine Eroberungen, namentlich Eschwege, Sontra und Homberg. Im März 1387 hielt Balthasar mit Otto von Braunschweig und Adolph von Mainz dort Tagfahrt; Otto trat das Drittheil der Eroberungen, worauf er Ansprüche machte, an Balthasar ab und dieser nahm den Churfürsten von Mainz in die Gemeinschaft von Esch- Kege und Sontra auf. Ein neuer Zug gegen Cassel wurde beschlossen. 1373 schlössen in Eschwege die Landgrafen Heinrich II. und Hermann von Hessen und "Redlich, Balthasar und Wilhelm von Meißen und Thüringen eine Erbverbrüderung und die hessischen Städte und Schlösser leisteten dem meißnischen Hause, die meißnischen und thürin- S'schen aber dem hessischen die Eventualhuldigung.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/327
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/327>, abgerufen am 04.07.2024.