Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

Bild:
<< vorherige Seite

so finden wir außer diesen im gegenwärtigen Salon fast keine nennens-
werthen Motive, welche den Namen Historiengemälde verdienten, denn die
Krönung König Wilhelm I. von A. Mentzel ist bei allen Verdiensten eben
nur ein Situationsbild.

Darum dürfen wir es den Herren Lepaulle und Jonquiöres schon dan¬
ken, daß sie gleichzeitig den Besuch des Papstes unter den gefangenen Gari-
baldianern zum Vorwurf genommen. Beide haben die bekannte Scene gleich
bewegt und dramatisch geschildert, letzterer vielleicht psychologisch feiner, in¬
dem er einem seiner Charakterköpfe eine frappante Aehnlichkeit mit Victor
Emanuel geliehen. Herr Lepaulle bleibt dagegen mehr harmonisch in der
Loealfarbe der Nothhemden, und historisch treu, weil er die päpstlichen
Wachen bei dieser Zusammenkunft entfernt. Denn das Erhabene liegt just
in der freundlichen Ruhe, in der Furchtlosigkeit des Alleinstehens ?lo
nono's unter diesen wilden Gesellen. Aber freilich werden wir dabei die un¬
angenehme Empfindung der Tendenz nicht los. Von Geist und Angesicht
verschieden, wenn auch im Plane identisch find die ebenfalls doppelt, von
Paul Guerie und Herrn Fauvel vorgeführten Scenen des "Besuchs der Kaiserin
Eugenie im Cholerahospital zu Amiens im Juli 1866". Fauvels Bild, zur
Decoration für das Hospital bestimmt, verdient Lob für das Geschick, mit
welchem er den Stoff bewältigt, jedoch erhebt es sich nicht über die Grenzen
des gutgemalten Genre: Paul Guerie dagegen hat sich durch Stil und An¬
ordnung der vielseitigen Gruppen, durch den ästhetischen Takt, mit dem er
uns den Anblick des Unschönen entzieht, und alle seine bewegten Gestalten
(man rühmt ihre Portraitähnlichkeit) gegen den Mittelpunkt, die Kaiserin
zurückwirken läßt, -- ferner durch sein Sattes Colorit aus der Reihe der Un¬
bekannten, plötzlich zum gekrönten Geschichtsmaler aufgeschwungen. Beson¬
ders ist der Ausdruck des Mitleids und der Tröstung, in den Zügen der
hohen Frau, deren Heroismus und Menschenliebe hier in einem der Barm¬
herzigkeitsacte verewigt wird, zu rühmen. Ich entlehne dem Berichterstatter
der Kölnischen Blätter die historischen Worte, welche bei jener Gelegenheit
gewechselt wurden. Einer der Kranken nannte die Kaiserin "ma soeur"
sie mit einer barmherzigen Schwester, seiner Pflegerin verwechselnd. "Be¬
sinnt Euch." sagte jene erschrocken, "es ist Jhro Majestät, die mit Euch
redet." "O laßt," antwortete die Kaiserin gerührt, "gibt er mir doch einen
so schönen Namen!" "Und mit diesem werden die Engel Euch einst an der
Himmelspforte begrüßen." fügte der Bischof von Amiens als gleich vollen¬
deter Höfling und Geistlicher hinzu. Hier haben wir in That, Wort und
Bild, ein echtes Stück secoua emxirs. --

(Schluß folgt.)




so finden wir außer diesen im gegenwärtigen Salon fast keine nennens-
werthen Motive, welche den Namen Historiengemälde verdienten, denn die
Krönung König Wilhelm I. von A. Mentzel ist bei allen Verdiensten eben
nur ein Situationsbild.

Darum dürfen wir es den Herren Lepaulle und Jonquiöres schon dan¬
ken, daß sie gleichzeitig den Besuch des Papstes unter den gefangenen Gari-
baldianern zum Vorwurf genommen. Beide haben die bekannte Scene gleich
bewegt und dramatisch geschildert, letzterer vielleicht psychologisch feiner, in¬
dem er einem seiner Charakterköpfe eine frappante Aehnlichkeit mit Victor
Emanuel geliehen. Herr Lepaulle bleibt dagegen mehr harmonisch in der
Loealfarbe der Nothhemden, und historisch treu, weil er die päpstlichen
Wachen bei dieser Zusammenkunft entfernt. Denn das Erhabene liegt just
in der freundlichen Ruhe, in der Furchtlosigkeit des Alleinstehens ?lo
nono's unter diesen wilden Gesellen. Aber freilich werden wir dabei die un¬
angenehme Empfindung der Tendenz nicht los. Von Geist und Angesicht
verschieden, wenn auch im Plane identisch find die ebenfalls doppelt, von
Paul Guerie und Herrn Fauvel vorgeführten Scenen des „Besuchs der Kaiserin
Eugenie im Cholerahospital zu Amiens im Juli 1866". Fauvels Bild, zur
Decoration für das Hospital bestimmt, verdient Lob für das Geschick, mit
welchem er den Stoff bewältigt, jedoch erhebt es sich nicht über die Grenzen
des gutgemalten Genre: Paul Guerie dagegen hat sich durch Stil und An¬
ordnung der vielseitigen Gruppen, durch den ästhetischen Takt, mit dem er
uns den Anblick des Unschönen entzieht, und alle seine bewegten Gestalten
(man rühmt ihre Portraitähnlichkeit) gegen den Mittelpunkt, die Kaiserin
zurückwirken läßt, — ferner durch sein Sattes Colorit aus der Reihe der Un¬
bekannten, plötzlich zum gekrönten Geschichtsmaler aufgeschwungen. Beson¬
ders ist der Ausdruck des Mitleids und der Tröstung, in den Zügen der
hohen Frau, deren Heroismus und Menschenliebe hier in einem der Barm¬
herzigkeitsacte verewigt wird, zu rühmen. Ich entlehne dem Berichterstatter
der Kölnischen Blätter die historischen Worte, welche bei jener Gelegenheit
gewechselt wurden. Einer der Kranken nannte die Kaiserin „ma soeur"
sie mit einer barmherzigen Schwester, seiner Pflegerin verwechselnd. „Be¬
sinnt Euch." sagte jene erschrocken, „es ist Jhro Majestät, die mit Euch
redet." „O laßt," antwortete die Kaiserin gerührt, „gibt er mir doch einen
so schönen Namen!" „Und mit diesem werden die Engel Euch einst an der
Himmelspforte begrüßen." fügte der Bischof von Amiens als gleich vollen¬
deter Höfling und Geistlicher hinzu. Hier haben wir in That, Wort und
Bild, ein echtes Stück secoua emxirs. —

(Schluß folgt.)




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0316" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/287028"/>
            <p xml:id="ID_797" prev="#ID_796"> so finden wir außer diesen im gegenwärtigen Salon fast keine nennens-<lb/>
werthen Motive, welche den Namen Historiengemälde verdienten, denn die<lb/>
Krönung König Wilhelm I. von A. Mentzel ist bei allen Verdiensten eben<lb/>
nur ein Situationsbild.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_798"> Darum dürfen wir es den Herren Lepaulle und Jonquiöres schon dan¬<lb/>
ken, daß sie gleichzeitig den Besuch des Papstes unter den gefangenen Gari-<lb/>
baldianern zum Vorwurf genommen. Beide haben die bekannte Scene gleich<lb/>
bewegt und dramatisch geschildert, letzterer vielleicht psychologisch feiner, in¬<lb/>
dem er einem seiner Charakterköpfe eine frappante Aehnlichkeit mit Victor<lb/>
Emanuel geliehen. Herr Lepaulle bleibt dagegen mehr harmonisch in der<lb/>
Loealfarbe der Nothhemden, und historisch treu, weil er die päpstlichen<lb/>
Wachen bei dieser Zusammenkunft entfernt. Denn das Erhabene liegt just<lb/>
in der freundlichen Ruhe, in der Furchtlosigkeit des Alleinstehens ?lo<lb/>
nono's unter diesen wilden Gesellen. Aber freilich werden wir dabei die un¬<lb/>
angenehme Empfindung der Tendenz nicht los. Von Geist und Angesicht<lb/>
verschieden, wenn auch im Plane identisch find die ebenfalls doppelt, von<lb/>
Paul Guerie und Herrn Fauvel vorgeführten Scenen des &#x201E;Besuchs der Kaiserin<lb/>
Eugenie im Cholerahospital zu Amiens im Juli 1866". Fauvels Bild, zur<lb/>
Decoration für das Hospital bestimmt, verdient Lob für das Geschick, mit<lb/>
welchem er den Stoff bewältigt, jedoch erhebt es sich nicht über die Grenzen<lb/>
des gutgemalten Genre: Paul Guerie dagegen hat sich durch Stil und An¬<lb/>
ordnung der vielseitigen Gruppen, durch den ästhetischen Takt, mit dem er<lb/>
uns den Anblick des Unschönen entzieht, und alle seine bewegten Gestalten<lb/>
(man rühmt ihre Portraitähnlichkeit) gegen den Mittelpunkt, die Kaiserin<lb/>
zurückwirken läßt, &#x2014; ferner durch sein Sattes Colorit aus der Reihe der Un¬<lb/>
bekannten, plötzlich zum gekrönten Geschichtsmaler aufgeschwungen. Beson¬<lb/>
ders ist der Ausdruck des Mitleids und der Tröstung, in den Zügen der<lb/>
hohen Frau, deren Heroismus und Menschenliebe hier in einem der Barm¬<lb/>
herzigkeitsacte verewigt wird, zu rühmen. Ich entlehne dem Berichterstatter<lb/>
der Kölnischen Blätter die historischen Worte, welche bei jener Gelegenheit<lb/>
gewechselt wurden. Einer der Kranken nannte die Kaiserin &#x201E;ma soeur"<lb/>
sie mit einer barmherzigen Schwester, seiner Pflegerin verwechselnd. &#x201E;Be¬<lb/>
sinnt Euch." sagte jene erschrocken, &#x201E;es ist Jhro Majestät, die mit Euch<lb/>
redet." &#x201E;O laßt," antwortete die Kaiserin gerührt, &#x201E;gibt er mir doch einen<lb/>
so schönen Namen!" &#x201E;Und mit diesem werden die Engel Euch einst an der<lb/>
Himmelspforte begrüßen." fügte der Bischof von Amiens als gleich vollen¬<lb/>
deter Höfling und Geistlicher hinzu. Hier haben wir in That, Wort und<lb/>
Bild, ein echtes Stück secoua emxirs. &#x2014;</p><lb/>
            <p xml:id="ID_799"> (Schluß folgt.)</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0316] so finden wir außer diesen im gegenwärtigen Salon fast keine nennens- werthen Motive, welche den Namen Historiengemälde verdienten, denn die Krönung König Wilhelm I. von A. Mentzel ist bei allen Verdiensten eben nur ein Situationsbild. Darum dürfen wir es den Herren Lepaulle und Jonquiöres schon dan¬ ken, daß sie gleichzeitig den Besuch des Papstes unter den gefangenen Gari- baldianern zum Vorwurf genommen. Beide haben die bekannte Scene gleich bewegt und dramatisch geschildert, letzterer vielleicht psychologisch feiner, in¬ dem er einem seiner Charakterköpfe eine frappante Aehnlichkeit mit Victor Emanuel geliehen. Herr Lepaulle bleibt dagegen mehr harmonisch in der Loealfarbe der Nothhemden, und historisch treu, weil er die päpstlichen Wachen bei dieser Zusammenkunft entfernt. Denn das Erhabene liegt just in der freundlichen Ruhe, in der Furchtlosigkeit des Alleinstehens ?lo nono's unter diesen wilden Gesellen. Aber freilich werden wir dabei die un¬ angenehme Empfindung der Tendenz nicht los. Von Geist und Angesicht verschieden, wenn auch im Plane identisch find die ebenfalls doppelt, von Paul Guerie und Herrn Fauvel vorgeführten Scenen des „Besuchs der Kaiserin Eugenie im Cholerahospital zu Amiens im Juli 1866". Fauvels Bild, zur Decoration für das Hospital bestimmt, verdient Lob für das Geschick, mit welchem er den Stoff bewältigt, jedoch erhebt es sich nicht über die Grenzen des gutgemalten Genre: Paul Guerie dagegen hat sich durch Stil und An¬ ordnung der vielseitigen Gruppen, durch den ästhetischen Takt, mit dem er uns den Anblick des Unschönen entzieht, und alle seine bewegten Gestalten (man rühmt ihre Portraitähnlichkeit) gegen den Mittelpunkt, die Kaiserin zurückwirken läßt, — ferner durch sein Sattes Colorit aus der Reihe der Un¬ bekannten, plötzlich zum gekrönten Geschichtsmaler aufgeschwungen. Beson¬ ders ist der Ausdruck des Mitleids und der Tröstung, in den Zügen der hohen Frau, deren Heroismus und Menschenliebe hier in einem der Barm¬ herzigkeitsacte verewigt wird, zu rühmen. Ich entlehne dem Berichterstatter der Kölnischen Blätter die historischen Worte, welche bei jener Gelegenheit gewechselt wurden. Einer der Kranken nannte die Kaiserin „ma soeur" sie mit einer barmherzigen Schwester, seiner Pflegerin verwechselnd. „Be¬ sinnt Euch." sagte jene erschrocken, „es ist Jhro Majestät, die mit Euch redet." „O laßt," antwortete die Kaiserin gerührt, „gibt er mir doch einen so schönen Namen!" „Und mit diesem werden die Engel Euch einst an der Himmelspforte begrüßen." fügte der Bischof von Amiens als gleich vollen¬ deter Höfling und Geistlicher hinzu. Hier haben wir in That, Wort und Bild, ein echtes Stück secoua emxirs. — (Schluß folgt.)

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/316
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/316>, abgerufen am 04.07.2024.