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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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versuchte. Im Uebrigen befürchtet doch Guindey selbst, daß ihm ein Anderer
die Ehre streitig machen könne, den Prinzen besiegt zu haben; und daß seine
Veröffentlichung keinen Widerspruch erfuhr, beweist noch nichr für seine An"
sprüche, wenigstens für den vollen Umfang derselben; denn die Schlesischen
Provinzialblätter hatten nur eine ganz locale Verbreitung.

' Und nun tritt in der That dieser Andere in der Person des Reiters aus,
den Herr Windorf am Tage nach dem Gefechte auf das Schlachtfeld be¬
gleitete.

Die Offiziere wie die Saalfelder Bürger hielten und die noch heute leben¬
den Zeugen halten diesen Reiter sür Denjenigen, der den Prinzen erstach. Man
maß daher dem Guindeyschen Berichte, als er im Saalfelder Wochenblatte
(1843, p. 224) abgedruckt wurde, dort selbst keinen Glauben bei, hielt ihn
vielmehr für eine Fälschung. Auch der Frankesche Quartiergast präsentirte
sich dem Kaiser, und zwar alsbald nach dem Gefecht; er suchte ihn im nächsten
Hauptquartiere auf und überbrachte ihm die Orden des Gefallenen, um eine
Belohnung zu erhalten; aber er wurde, wie er nach seiner Rückkehr erzählte,
mit den Worten abgewiesen: "Man tödtet Prinzen nicht auf der Stelle,
man nimmt sie gefangen." Diese Antwort ist wahrscheinlicher, als diejenige,
welche nach Richters Erzählung Guindey empfangen haben will, weil es dem
Kaiser von größerem Werth sein mußte, den Prinzen gefangen zu haben, als
ihn todt zu wissen. Doch schloß sie eine Belohnung für die bewiesene Ta¬
pferkeit nicht aus, und in der That wurde der Wachtmeister, wie er bald
darauf nach Saalfeld schrieb, zum Lieutenant befördert. Napoleons Bulletin,
das schon am 12. October abgefaßt ist, paßt auf keine der beiden Erzählun¬
gen genau, weil es annimmt, daß der Prinz den Zweikampf gesucht habe;
es läßt sich daher auf die eine nicht mehr als auf die andere beziehen.
"VoMnt ainLi," heißt es da, "la. ävroute as ses Zeus, 1s xriuce I/puis ac
?i'U88e, en brave et loval soläat, se xrit corps a eorxs avec un inarsedal
as loZis du 10. resiment no dussaräs. "Renäes-vous, colouel, lui an 1o
dussarcl, on vous Lech mort." I^e xrinee lui rexouäit xs,r im eoux as
Lkdi-iz; Is msreeiial ach logis xar rin eoux <le xointe, et le xrmes tonwa
mort." Man sieht, daß der Wortlaut des Anrufs dem Berichte Guindeys,
der den Prinzen lange gesucht und in ihm den commandirenden General er¬
kannt haben will, nicht entspricht. ,

Hören wir nun zu dem, was wir über den im Frankeschen Hause einquar¬
tierten Wachtmeister bereits wissen, noch die kurze Mittheilung der Tochter
des Wirths. der noch lebenden Wittwe Rosine Fuchs. "Wenn schon da¬
mals, erst acht Jahre alt," so erzählt sie, "habe sie doch manches Ereigniß
in ihrem Gedächtnisse so genau bewahrt, als sei es erst gestern vorgekommen.
Am Abend der Saalfelder Affaire, nachdem der französische Wachtmeister, der


versuchte. Im Uebrigen befürchtet doch Guindey selbst, daß ihm ein Anderer
die Ehre streitig machen könne, den Prinzen besiegt zu haben; und daß seine
Veröffentlichung keinen Widerspruch erfuhr, beweist noch nichr für seine An«
sprüche, wenigstens für den vollen Umfang derselben; denn die Schlesischen
Provinzialblätter hatten nur eine ganz locale Verbreitung.

' Und nun tritt in der That dieser Andere in der Person des Reiters aus,
den Herr Windorf am Tage nach dem Gefechte auf das Schlachtfeld be¬
gleitete.

Die Offiziere wie die Saalfelder Bürger hielten und die noch heute leben¬
den Zeugen halten diesen Reiter sür Denjenigen, der den Prinzen erstach. Man
maß daher dem Guindeyschen Berichte, als er im Saalfelder Wochenblatte
(1843, p. 224) abgedruckt wurde, dort selbst keinen Glauben bei, hielt ihn
vielmehr für eine Fälschung. Auch der Frankesche Quartiergast präsentirte
sich dem Kaiser, und zwar alsbald nach dem Gefecht; er suchte ihn im nächsten
Hauptquartiere auf und überbrachte ihm die Orden des Gefallenen, um eine
Belohnung zu erhalten; aber er wurde, wie er nach seiner Rückkehr erzählte,
mit den Worten abgewiesen: „Man tödtet Prinzen nicht auf der Stelle,
man nimmt sie gefangen." Diese Antwort ist wahrscheinlicher, als diejenige,
welche nach Richters Erzählung Guindey empfangen haben will, weil es dem
Kaiser von größerem Werth sein mußte, den Prinzen gefangen zu haben, als
ihn todt zu wissen. Doch schloß sie eine Belohnung für die bewiesene Ta¬
pferkeit nicht aus, und in der That wurde der Wachtmeister, wie er bald
darauf nach Saalfeld schrieb, zum Lieutenant befördert. Napoleons Bulletin,
das schon am 12. October abgefaßt ist, paßt auf keine der beiden Erzählun¬
gen genau, weil es annimmt, daß der Prinz den Zweikampf gesucht habe;
es läßt sich daher auf die eine nicht mehr als auf die andere beziehen.
»VoMnt ainLi," heißt es da, „la. ävroute as ses Zeus, 1s xriuce I/puis ac
?i'U88e, en brave et loval soläat, se xrit corps a eorxs avec un inarsedal
as loZis du 10. resiment no dussaräs. „Renäes-vous, colouel, lui an 1o
dussarcl, on vous Lech mort." I^e xrinee lui rexouäit xs,r im eoux as
Lkdi-iz; Is msreeiial ach logis xar rin eoux <le xointe, et le xrmes tonwa
mort." Man sieht, daß der Wortlaut des Anrufs dem Berichte Guindeys,
der den Prinzen lange gesucht und in ihm den commandirenden General er¬
kannt haben will, nicht entspricht. ,

Hören wir nun zu dem, was wir über den im Frankeschen Hause einquar¬
tierten Wachtmeister bereits wissen, noch die kurze Mittheilung der Tochter
des Wirths. der noch lebenden Wittwe Rosine Fuchs. „Wenn schon da¬
mals, erst acht Jahre alt," so erzählt sie, „habe sie doch manches Ereigniß
in ihrem Gedächtnisse so genau bewahrt, als sei es erst gestern vorgekommen.
Am Abend der Saalfelder Affaire, nachdem der französische Wachtmeister, der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/300>, abgerufen am 04.07.2024.