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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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halbdunklen Saal. Jede Langseite des Saales, in dessen Mitte Divans
stehen , hat 20 (mit den Ecken 26) Fenster: zugleich aber ist der Saal so tief
unter die Erde versenkt, daß das Niveau der letzteren der Oberkante der
Fenster gleich ist. Es würde also ganz dunkel sein, hätte man nicht vor
jedem Fenster eine Grube in die Erde gemacht, und dieselbe, nachdem sie mit
Korallen, Felsen, Sand und Steinchen ausgelegt worden, mit Seewasser aus¬
gefüllt, durch welches nun das Licht von oben nach den Fenstern fällt. Jede
Grube ist nun mit besonderen SeepflanzenTang und Algen bestanzt, mit
besonderen Fischen, Krustaceen, Mollusken und Schildkröten belebt, und es
gewährt einen reizenden und zugleich höchst interessanten Anblick, die ver¬
schiedenen Thiere im Leben zu beobachten. Durchsichtige Seepferdchen und
Krevetten, pfeilschnelle hechtartige Fische, und Flundern, deren ganzer Kör¬
per als Flosse spielt, wimmeln dem Beschauer buchstäblich vor der Nase
herum, und gravitätisch schreitet unten der Hummer, tastet die unbehilfliche
Krabbe, schnappt die grausame gierige Seeschildkröte mit Flossen statt der
Füße, indessen Austern und Muscheln in stiller Behaglichkeit ihr Dasein vor
den Augen neugieriger Menschenkinder verträumen. Nach den fünfzig Fenstern
dieses Aquariums drängt denn natürlich auch massenhaft das große Publikum,
während die Fachmänner noch wenig vertreten sind und erst jetzt zu kom¬
men beginnen, wie auch von der norddeutschen Marine Kapitän Werner
erst jetzt zum Besuch der Ausstellung gesandt worden ist. Immer voll da¬
gegen ist und war die Ausstellung während der Nachmittags- und während
der Abendconzerte, die täglich stattfinden. Auch sonst hat man, um dies noch
zu erwähnen, gar Manches ausgeboten, um den Aufstellungsplatz anziehend
zu machen. Eine spanische Gesellschaft liefert in einem großen Circus Stier¬
gefechte, denen allerdings der Neiz der Gefahr fehlt, insofern die Thiere nicht
getödtet werden dürfen und die Spitzen ihrer Hörner durch aufgesetzte Kugeln
gefahrlos gemacht sind: indessen ist die Sache doch bisweilen ziemlich riskant
für die Chulos, die allerdings nicht von den beschlagenen Hörnern durchbohrt,
aber noch ganz bequem an der Wand vom Stiere zerdrückt werden können.
Uebrigens fällt das Widerliche gräßlich verwundeter Pferde und Menschen
weg, und die Kraft und Grazie in den Bewegungen der Chulos gewährt
demjenigen, der schöne Bewegungen liebt, ähnlichen Genuß wie ein südita¬
lienischer Nationaltanz. Schließlich haben wir noch den Ablauf der schönen
französischen Kriegscorvette "Chü-teau Renaud" von der Werst des Herrn
Normand, die Ankunft der beiden amerikanischen Kriegs-Schrauben-Sloops
"Ticonderoga" und "Swatara" und die großen Wettrennen unweit Havres
in dem paradiesischen Seinethal bei Harsleur als Momente zu nennen, die für
den Besucher der Ausstellung bisher von besonderem Interesse waren.

Bei der langen Dauer der Ausstellung (vom 1. Juni bis 31. October) ist


halbdunklen Saal. Jede Langseite des Saales, in dessen Mitte Divans
stehen , hat 20 (mit den Ecken 26) Fenster: zugleich aber ist der Saal so tief
unter die Erde versenkt, daß das Niveau der letzteren der Oberkante der
Fenster gleich ist. Es würde also ganz dunkel sein, hätte man nicht vor
jedem Fenster eine Grube in die Erde gemacht, und dieselbe, nachdem sie mit
Korallen, Felsen, Sand und Steinchen ausgelegt worden, mit Seewasser aus¬
gefüllt, durch welches nun das Licht von oben nach den Fenstern fällt. Jede
Grube ist nun mit besonderen SeepflanzenTang und Algen bestanzt, mit
besonderen Fischen, Krustaceen, Mollusken und Schildkröten belebt, und es
gewährt einen reizenden und zugleich höchst interessanten Anblick, die ver¬
schiedenen Thiere im Leben zu beobachten. Durchsichtige Seepferdchen und
Krevetten, pfeilschnelle hechtartige Fische, und Flundern, deren ganzer Kör¬
per als Flosse spielt, wimmeln dem Beschauer buchstäblich vor der Nase
herum, und gravitätisch schreitet unten der Hummer, tastet die unbehilfliche
Krabbe, schnappt die grausame gierige Seeschildkröte mit Flossen statt der
Füße, indessen Austern und Muscheln in stiller Behaglichkeit ihr Dasein vor
den Augen neugieriger Menschenkinder verträumen. Nach den fünfzig Fenstern
dieses Aquariums drängt denn natürlich auch massenhaft das große Publikum,
während die Fachmänner noch wenig vertreten sind und erst jetzt zu kom¬
men beginnen, wie auch von der norddeutschen Marine Kapitän Werner
erst jetzt zum Besuch der Ausstellung gesandt worden ist. Immer voll da¬
gegen ist und war die Ausstellung während der Nachmittags- und während
der Abendconzerte, die täglich stattfinden. Auch sonst hat man, um dies noch
zu erwähnen, gar Manches ausgeboten, um den Aufstellungsplatz anziehend
zu machen. Eine spanische Gesellschaft liefert in einem großen Circus Stier¬
gefechte, denen allerdings der Neiz der Gefahr fehlt, insofern die Thiere nicht
getödtet werden dürfen und die Spitzen ihrer Hörner durch aufgesetzte Kugeln
gefahrlos gemacht sind: indessen ist die Sache doch bisweilen ziemlich riskant
für die Chulos, die allerdings nicht von den beschlagenen Hörnern durchbohrt,
aber noch ganz bequem an der Wand vom Stiere zerdrückt werden können.
Uebrigens fällt das Widerliche gräßlich verwundeter Pferde und Menschen
weg, und die Kraft und Grazie in den Bewegungen der Chulos gewährt
demjenigen, der schöne Bewegungen liebt, ähnlichen Genuß wie ein südita¬
lienischer Nationaltanz. Schließlich haben wir noch den Ablauf der schönen
französischen Kriegscorvette „Chü-teau Renaud" von der Werst des Herrn
Normand, die Ankunft der beiden amerikanischen Kriegs-Schrauben-Sloops
„Ticonderoga" und „Swatara" und die großen Wettrennen unweit Havres
in dem paradiesischen Seinethal bei Harsleur als Momente zu nennen, die für
den Besucher der Ausstellung bisher von besonderem Interesse waren.

Bei der langen Dauer der Ausstellung (vom 1. Juni bis 31. October) ist


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[0294] halbdunklen Saal. Jede Langseite des Saales, in dessen Mitte Divans stehen , hat 20 (mit den Ecken 26) Fenster: zugleich aber ist der Saal so tief unter die Erde versenkt, daß das Niveau der letzteren der Oberkante der Fenster gleich ist. Es würde also ganz dunkel sein, hätte man nicht vor jedem Fenster eine Grube in die Erde gemacht, und dieselbe, nachdem sie mit Korallen, Felsen, Sand und Steinchen ausgelegt worden, mit Seewasser aus¬ gefüllt, durch welches nun das Licht von oben nach den Fenstern fällt. Jede Grube ist nun mit besonderen SeepflanzenTang und Algen bestanzt, mit besonderen Fischen, Krustaceen, Mollusken und Schildkröten belebt, und es gewährt einen reizenden und zugleich höchst interessanten Anblick, die ver¬ schiedenen Thiere im Leben zu beobachten. Durchsichtige Seepferdchen und Krevetten, pfeilschnelle hechtartige Fische, und Flundern, deren ganzer Kör¬ per als Flosse spielt, wimmeln dem Beschauer buchstäblich vor der Nase herum, und gravitätisch schreitet unten der Hummer, tastet die unbehilfliche Krabbe, schnappt die grausame gierige Seeschildkröte mit Flossen statt der Füße, indessen Austern und Muscheln in stiller Behaglichkeit ihr Dasein vor den Augen neugieriger Menschenkinder verträumen. Nach den fünfzig Fenstern dieses Aquariums drängt denn natürlich auch massenhaft das große Publikum, während die Fachmänner noch wenig vertreten sind und erst jetzt zu kom¬ men beginnen, wie auch von der norddeutschen Marine Kapitän Werner erst jetzt zum Besuch der Ausstellung gesandt worden ist. Immer voll da¬ gegen ist und war die Ausstellung während der Nachmittags- und während der Abendconzerte, die täglich stattfinden. Auch sonst hat man, um dies noch zu erwähnen, gar Manches ausgeboten, um den Aufstellungsplatz anziehend zu machen. Eine spanische Gesellschaft liefert in einem großen Circus Stier¬ gefechte, denen allerdings der Neiz der Gefahr fehlt, insofern die Thiere nicht getödtet werden dürfen und die Spitzen ihrer Hörner durch aufgesetzte Kugeln gefahrlos gemacht sind: indessen ist die Sache doch bisweilen ziemlich riskant für die Chulos, die allerdings nicht von den beschlagenen Hörnern durchbohrt, aber noch ganz bequem an der Wand vom Stiere zerdrückt werden können. Uebrigens fällt das Widerliche gräßlich verwundeter Pferde und Menschen weg, und die Kraft und Grazie in den Bewegungen der Chulos gewährt demjenigen, der schöne Bewegungen liebt, ähnlichen Genuß wie ein südita¬ lienischer Nationaltanz. Schließlich haben wir noch den Ablauf der schönen französischen Kriegscorvette „Chü-teau Renaud" von der Werst des Herrn Normand, die Ankunft der beiden amerikanischen Kriegs-Schrauben-Sloops „Ticonderoga" und „Swatara" und die großen Wettrennen unweit Havres in dem paradiesischen Seinethal bei Harsleur als Momente zu nennen, die für den Besucher der Ausstellung bisher von besonderem Interesse waren. Bei der langen Dauer der Ausstellung (vom 1. Juni bis 31. October) ist

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/294>, abgerufen am 04.07.2024.