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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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Wenden wir uns jetzt zu den neuen Erfindungen auf dem Gebiete
des Schiffsbaus und der Schiffsausrüstung, die in demselben Saale ausgestellt
sind. Hinsichtlich der Auftakelung der Schiffe ist nur eine neue Erfindung
im Modell ausgestellt; dafür ist es aber auch eine Erfindung von höchstem
Werthe, äußerst sinnreich und auch bereits im vorigen Jahre mit der goldnen
Medaille gekrönt. Der Ingenieur Fleury vermeidet durch höchst einfache
Vorrichtungen das bei hochgehender See sehr gefährliche Festmachen der ver¬
schiedenen Arten von Schratsegeln: ohne daß ein Mann nach dem Mast hin¬
auf zu gehn oder auf den Klüverbaum hinaufzusteigen braucht, zieht er vom
Deck aus alle jene Segel im Nu zusammen. Ueber den Klüver stützt sich ein vor¬
her zusammen geschobener hohler Kegel von Segeltuch, der dem Winde wenig
Fläche bietet; das Gaffelsegel rollt sich nach unten um den Giekbaum zu¬
sammen, der sich um seine Achse dreht wie eine Kurninpham-Raa, und auch
das Topsegel wird durch eine Spiralleine fest um den Mast geschlungen,
nachdem man die Schooten geviert hat. Von neuen Steuerrudern hat
Lumler) fünf verschiedene Formen seines Patentruders ausgestellt, das durch
seine Biegung viel stärker als ein gewöhnliches Ruder wirkt, und von dessen
Formen uns die zweite als die sinnreichste und zugleich solideste erscheint.
Wie wichtig die Solidität in diesen Dingen ist. kann nur der sich recht vor¬
stellen, der einmal bei. einem ordentlichen Sturm die colossale Gewalt der
Wellen beobachtet hat. Von gleich hohem, wenn nicht noch höherem Werth
für leichtes Wenden des Schiffs ist der sogenannte Schleusenkiel unseres
Hamburger Landsmannes Grell: die schmale Wand, in welche der Hintere
Theil des Schiffs unten ausläuft, hat Grell durchbrochen, sodaß sie. ent¬
weder permanent offen oder durch drehbare Platten zum Oeffnen eingerichtet,
bei einer Wendung im Wasser keinen seitlichen Widerstand findet. Für schnelle
Bewegung kleiner Nuderboote verspricht Farcots rare-boat mit seiner Ru¬
dereinrichtung ein vollkommener Typus zu werden: jeder Mann bewegt bei
diesem System nicht einen Riem (Ruder) überhaupt, sondern auf jedem Bord
einen solchen. Um dies zu ermöglichen, d. h. um die innere Hand, die sonst
am Griff jedes Riems liegen müßte, disponibel zu machen, hat der Erfinder
die Enden beider Riemen an einer senkrechten Säule in der Mittellinie des
Boots festgemacht, sodaß jetzt der Mann mit einer Hand jeden Riem ohne
Schwierigkeit zu bewegen vermag. Auch die gebogene Form des Blattes
sichert größere Gleichmäßigkeit des Widerstandes im Wasser. An schönen
Abenden sah man von der M6s, der prächtigen Nordostmole von Havre,
ein elegant gebautes leichtes Boot dieser Art durch größere Schnelligkeit alle
anderen Boote überflügeln. Als beachtenswerthen neuen Motor für Dampf¬
schiffe zeigt die Ausstellung allein den Propeller von Guerligny-
Groneruil, der schon im vorigen Jahr in Paris zu sehen war und eine


Wenden wir uns jetzt zu den neuen Erfindungen auf dem Gebiete
des Schiffsbaus und der Schiffsausrüstung, die in demselben Saale ausgestellt
sind. Hinsichtlich der Auftakelung der Schiffe ist nur eine neue Erfindung
im Modell ausgestellt; dafür ist es aber auch eine Erfindung von höchstem
Werthe, äußerst sinnreich und auch bereits im vorigen Jahre mit der goldnen
Medaille gekrönt. Der Ingenieur Fleury vermeidet durch höchst einfache
Vorrichtungen das bei hochgehender See sehr gefährliche Festmachen der ver¬
schiedenen Arten von Schratsegeln: ohne daß ein Mann nach dem Mast hin¬
auf zu gehn oder auf den Klüverbaum hinaufzusteigen braucht, zieht er vom
Deck aus alle jene Segel im Nu zusammen. Ueber den Klüver stützt sich ein vor¬
her zusammen geschobener hohler Kegel von Segeltuch, der dem Winde wenig
Fläche bietet; das Gaffelsegel rollt sich nach unten um den Giekbaum zu¬
sammen, der sich um seine Achse dreht wie eine Kurninpham-Raa, und auch
das Topsegel wird durch eine Spiralleine fest um den Mast geschlungen,
nachdem man die Schooten geviert hat. Von neuen Steuerrudern hat
Lumler) fünf verschiedene Formen seines Patentruders ausgestellt, das durch
seine Biegung viel stärker als ein gewöhnliches Ruder wirkt, und von dessen
Formen uns die zweite als die sinnreichste und zugleich solideste erscheint.
Wie wichtig die Solidität in diesen Dingen ist. kann nur der sich recht vor¬
stellen, der einmal bei. einem ordentlichen Sturm die colossale Gewalt der
Wellen beobachtet hat. Von gleich hohem, wenn nicht noch höherem Werth
für leichtes Wenden des Schiffs ist der sogenannte Schleusenkiel unseres
Hamburger Landsmannes Grell: die schmale Wand, in welche der Hintere
Theil des Schiffs unten ausläuft, hat Grell durchbrochen, sodaß sie. ent¬
weder permanent offen oder durch drehbare Platten zum Oeffnen eingerichtet,
bei einer Wendung im Wasser keinen seitlichen Widerstand findet. Für schnelle
Bewegung kleiner Nuderboote verspricht Farcots rare-boat mit seiner Ru¬
dereinrichtung ein vollkommener Typus zu werden: jeder Mann bewegt bei
diesem System nicht einen Riem (Ruder) überhaupt, sondern auf jedem Bord
einen solchen. Um dies zu ermöglichen, d. h. um die innere Hand, die sonst
am Griff jedes Riems liegen müßte, disponibel zu machen, hat der Erfinder
die Enden beider Riemen an einer senkrechten Säule in der Mittellinie des
Boots festgemacht, sodaß jetzt der Mann mit einer Hand jeden Riem ohne
Schwierigkeit zu bewegen vermag. Auch die gebogene Form des Blattes
sichert größere Gleichmäßigkeit des Widerstandes im Wasser. An schönen
Abenden sah man von der M6s, der prächtigen Nordostmole von Havre,
ein elegant gebautes leichtes Boot dieser Art durch größere Schnelligkeit alle
anderen Boote überflügeln. Als beachtenswerthen neuen Motor für Dampf¬
schiffe zeigt die Ausstellung allein den Propeller von Guerligny-
Groneruil, der schon im vorigen Jahr in Paris zu sehen war und eine


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[0291] Wenden wir uns jetzt zu den neuen Erfindungen auf dem Gebiete des Schiffsbaus und der Schiffsausrüstung, die in demselben Saale ausgestellt sind. Hinsichtlich der Auftakelung der Schiffe ist nur eine neue Erfindung im Modell ausgestellt; dafür ist es aber auch eine Erfindung von höchstem Werthe, äußerst sinnreich und auch bereits im vorigen Jahre mit der goldnen Medaille gekrönt. Der Ingenieur Fleury vermeidet durch höchst einfache Vorrichtungen das bei hochgehender See sehr gefährliche Festmachen der ver¬ schiedenen Arten von Schratsegeln: ohne daß ein Mann nach dem Mast hin¬ auf zu gehn oder auf den Klüverbaum hinaufzusteigen braucht, zieht er vom Deck aus alle jene Segel im Nu zusammen. Ueber den Klüver stützt sich ein vor¬ her zusammen geschobener hohler Kegel von Segeltuch, der dem Winde wenig Fläche bietet; das Gaffelsegel rollt sich nach unten um den Giekbaum zu¬ sammen, der sich um seine Achse dreht wie eine Kurninpham-Raa, und auch das Topsegel wird durch eine Spiralleine fest um den Mast geschlungen, nachdem man die Schooten geviert hat. Von neuen Steuerrudern hat Lumler) fünf verschiedene Formen seines Patentruders ausgestellt, das durch seine Biegung viel stärker als ein gewöhnliches Ruder wirkt, und von dessen Formen uns die zweite als die sinnreichste und zugleich solideste erscheint. Wie wichtig die Solidität in diesen Dingen ist. kann nur der sich recht vor¬ stellen, der einmal bei. einem ordentlichen Sturm die colossale Gewalt der Wellen beobachtet hat. Von gleich hohem, wenn nicht noch höherem Werth für leichtes Wenden des Schiffs ist der sogenannte Schleusenkiel unseres Hamburger Landsmannes Grell: die schmale Wand, in welche der Hintere Theil des Schiffs unten ausläuft, hat Grell durchbrochen, sodaß sie. ent¬ weder permanent offen oder durch drehbare Platten zum Oeffnen eingerichtet, bei einer Wendung im Wasser keinen seitlichen Widerstand findet. Für schnelle Bewegung kleiner Nuderboote verspricht Farcots rare-boat mit seiner Ru¬ dereinrichtung ein vollkommener Typus zu werden: jeder Mann bewegt bei diesem System nicht einen Riem (Ruder) überhaupt, sondern auf jedem Bord einen solchen. Um dies zu ermöglichen, d. h. um die innere Hand, die sonst am Griff jedes Riems liegen müßte, disponibel zu machen, hat der Erfinder die Enden beider Riemen an einer senkrechten Säule in der Mittellinie des Boots festgemacht, sodaß jetzt der Mann mit einer Hand jeden Riem ohne Schwierigkeit zu bewegen vermag. Auch die gebogene Form des Blattes sichert größere Gleichmäßigkeit des Widerstandes im Wasser. An schönen Abenden sah man von der M6s, der prächtigen Nordostmole von Havre, ein elegant gebautes leichtes Boot dieser Art durch größere Schnelligkeit alle anderen Boote überflügeln. Als beachtenswerthen neuen Motor für Dampf¬ schiffe zeigt die Ausstellung allein den Propeller von Guerligny- Groneruil, der schon im vorigen Jahr in Paris zu sehen war und eine

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/291>, abgerufen am 04.07.2024.