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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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liebt geworden. Sie wurde typisch für die Darstellung der Apotheose, dann
bemächtigte sich die Decorationsmalerei bei der entschiedenen Vorliebe für
schwebende Gestalten als Verzierung von Wänden und Decken dieses Motivs,
das uns auf römischen und campanischen Wandgemälden in mannichfachen
Variationen immer wieder begegnet.

Wie nun aus diesen äußerlich zusammengebrachten Elementen eine Com-
Position zu Stande gekommen ist, welche den Bedingungen des gegebenen
Raums aufs glücklichste entspricht, symmetrisch, wie es der ornamentalen
Kunst gebührt, aber ohne Zwang geordnet, reich und wohlgefällig, so drückt
die Vorstellung auch den politischen Gedanken der Zeit mit solcher Klarheit
und Energie aus, als wäre sie ganz selbständig aus demselben hervorgegan¬
gen. Die Schmach, daß römische Feldzeichen, römische Gefangene in der
Gewalt der Parther geblieben waren, empfanden die Römer lebhaft als
einen Makel ihrer Ehre, der um jeden Preis abgewaschen werden müsse; der
Name der Parther wirkte bei ihnen, wie bei den Franzosen Waterloo,
bei uns Jena.


Wie? wurden nicht die Krieger von Crassus Heer
Der Feindestöchter schmähliche Gatten, und --
O Roms Senat! o Fall der Sitten! --
Marser und Apuler nicht auf Feldern

Der Schwätzer unter parthischen Herrschern grau;
Geweihte Schild' und Namen und Römerkleid
Und Vestas Fen'r vergessend, da doch
Rom und sein Jupiter unversehrt stand?


sagt Horaz in einer der Oden, in welcher er seinem Volk ernst ins Gewissen
redet. Ihm, wie Virgil und Properz, ist der Parther der Landesfeind,
den zu besiegen die erschlaffte Jugend wieder mannhaft und waffengeübt wer¬
den soll. Seitdem der Greuel der Bürgerkriege gesühnt ist, werden sie nicht
müde, an die verpfändete Ehre zu mahnen, die dort noch einzulösen war und
Krieg mit den Parthern zu predigen. Im Bündniß mit Antonius und
Cleopatra hatte der Orient Rom die Herrschaft zu entreißen getrachtet,
Augustus sollte an den Parthern Rache nehmen, die siegreichen Waffen
zu den Indern und Serern tragen und Rom in Wahrheit zur Welt¬
herrscherin machen. Solche Worte, von Dichtern aus dem intimsten Freun¬
deskreise des Mäcenas gesprochen, waren Fühler an die öffentliche Meinung,
und "Krieg mit den Parthern!" wirkte damals in Rom, wie heutzutage in
Paris, wenn von der Rhein grenze, an der Newa, wenn von Constanti-
nopel geredet wird. Allein Augustus war vorsichtig und scheute das ge¬
fährliche Spiel, er rüstete und machte ein paarmal drohende Anstalten, welche die


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liebt geworden. Sie wurde typisch für die Darstellung der Apotheose, dann
bemächtigte sich die Decorationsmalerei bei der entschiedenen Vorliebe für
schwebende Gestalten als Verzierung von Wänden und Decken dieses Motivs,
das uns auf römischen und campanischen Wandgemälden in mannichfachen
Variationen immer wieder begegnet.

Wie nun aus diesen äußerlich zusammengebrachten Elementen eine Com-
Position zu Stande gekommen ist, welche den Bedingungen des gegebenen
Raums aufs glücklichste entspricht, symmetrisch, wie es der ornamentalen
Kunst gebührt, aber ohne Zwang geordnet, reich und wohlgefällig, so drückt
die Vorstellung auch den politischen Gedanken der Zeit mit solcher Klarheit
und Energie aus, als wäre sie ganz selbständig aus demselben hervorgegan¬
gen. Die Schmach, daß römische Feldzeichen, römische Gefangene in der
Gewalt der Parther geblieben waren, empfanden die Römer lebhaft als
einen Makel ihrer Ehre, der um jeden Preis abgewaschen werden müsse; der
Name der Parther wirkte bei ihnen, wie bei den Franzosen Waterloo,
bei uns Jena.


Wie? wurden nicht die Krieger von Crassus Heer
Der Feindestöchter schmähliche Gatten, und —
O Roms Senat! o Fall der Sitten! —
Marser und Apuler nicht auf Feldern

Der Schwätzer unter parthischen Herrschern grau;
Geweihte Schild' und Namen und Römerkleid
Und Vestas Fen'r vergessend, da doch
Rom und sein Jupiter unversehrt stand?


sagt Horaz in einer der Oden, in welcher er seinem Volk ernst ins Gewissen
redet. Ihm, wie Virgil und Properz, ist der Parther der Landesfeind,
den zu besiegen die erschlaffte Jugend wieder mannhaft und waffengeübt wer¬
den soll. Seitdem der Greuel der Bürgerkriege gesühnt ist, werden sie nicht
müde, an die verpfändete Ehre zu mahnen, die dort noch einzulösen war und
Krieg mit den Parthern zu predigen. Im Bündniß mit Antonius und
Cleopatra hatte der Orient Rom die Herrschaft zu entreißen getrachtet,
Augustus sollte an den Parthern Rache nehmen, die siegreichen Waffen
zu den Indern und Serern tragen und Rom in Wahrheit zur Welt¬
herrscherin machen. Solche Worte, von Dichtern aus dem intimsten Freun¬
deskreise des Mäcenas gesprochen, waren Fühler an die öffentliche Meinung,
und „Krieg mit den Parthern!" wirkte damals in Rom, wie heutzutage in
Paris, wenn von der Rhein grenze, an der Newa, wenn von Constanti-
nopel geredet wird. Allein Augustus war vorsichtig und scheute das ge¬
fährliche Spiel, er rüstete und machte ein paarmal drohende Anstalten, welche die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/99>, abgerufen am 05.02.2025.