Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.verliert. Gerade dadurch hatte er sich seinem Protector, Herrn v. Varnbüler, Am 30. Octbr. war er entschieden für den Allianzvertrag vom 13- Aug. Kürzlich nun hatte der Chef der Justiz aufs neue Gelegenheit, politisch Dies gab Herrn Mittnacht Veranlassung, eine Rede großen Stils zu Ein würtembergischer Jurist, der den Blick nordwärts richtet und, im Dem preußischen Herrenhaus war es vorbehalten, den Pendant zum verliert. Gerade dadurch hatte er sich seinem Protector, Herrn v. Varnbüler, Am 30. Octbr. war er entschieden für den Allianzvertrag vom 13- Aug. Kürzlich nun hatte der Chef der Justiz aufs neue Gelegenheit, politisch Dies gab Herrn Mittnacht Veranlassung, eine Rede großen Stils zu Ein würtembergischer Jurist, der den Blick nordwärts richtet und, im Dem preußischen Herrenhaus war es vorbehalten, den Pendant zum <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0068" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117074"/> <p xml:id="ID_197" prev="#ID_196"> verliert. Gerade dadurch hatte er sich seinem Protector, Herrn v. Varnbüler,<lb/> empfohlen, mit welchem er sich auch heute noch im herzlichsten Einvernehmen<lb/> befindet.</p><lb/> <p xml:id="ID_198"> Am 30. Octbr. war er entschieden für den Allianzvertrag vom 13- Aug.<lb/> 1866, am 31. Octbr. noch entschiedener für den Zollvereinsvertrag vom<lb/> 8. Juli 1867.</p><lb/> <p xml:id="ID_199"> Kürzlich nun hatte der Chef der Justiz aufs neue Gelegenheit, politisch<lb/> Farbe zu bekennen. Es handelte sich darum, ob auf die vorgelegte Gerichts¬<lb/> verfassung seitens der zweiten Kammer einzugehen sei. Die nationale Seite<lb/> des Hauses verlangte Garantie dafür, daß die Annahme der Regierungs¬<lb/> entwürfe, namentlich der Civilproceßordnung, der künftigen Einführung<lb/> eines gemeinsamen Gesetzes über das Verfahren in bürgerlichen Rechtsstreitig¬<lb/> keiten nicht blos für den norddeutschen Bund, sondern für ganz Deutschland,<lb/> kein Hinderniß bereite.</p><lb/> <p xml:id="ID_200"> Dies gab Herrn Mittnacht Veranlassung, eine Rede großen Stils zu<lb/> halten, die eine ganz andere Farbe trug, als die Vorträge vom 30. und 31.<lb/> October. Er appellirre aus das nachdrücklichste an den würtembergischen<lb/> Particularismus. Er beschwor die Kammer, doch ja nur auf die Vorlage<lb/> einzugehen, denn sonst könne sich ein schweres Unglück ereignen, das Unglück<lb/> nämlich, daß die würtembergischen Juristen, welche eine Reform der Gerichts¬<lb/> verfassung und der Prozeßordnung dringend verlangten, so sehr des würtem¬<lb/> bergischen Particularismus (euphemistisch: Patriotismus) vergäßen, daß sie<lb/> am Ende gar ihre Blicke ausschließlich nach dem Norden richteten, als ob<lb/> von da jedes Heil der Welt, und auch in dieser Beziehung Abhilfe zu<lb/> erwarten stehe.</p><lb/> <p xml:id="ID_201"> Ein würtembergischer Jurist, der den Blick nordwärts richtet und, im<lb/> Widerspruch mit dem Beobachter-Dogma: „Wie kann von Nazareth Gutes<lb/> kommen?" von Berlin das Heil erwartet, war für unsere „Großdeutschen"<lb/> etwas so entsetzliches, daß sie dem Justizminister beipflichteten.</p><lb/> <p xml:id="ID_202"> Dem preußischen Herrenhaus war es vorbehalten, den Pendant zum<lb/> würtembergischen Abgeordnetenhause zu liefern. Denn zu derselben Stunde,<lb/> wo man hier mit Schaudern an die Möglichkeit dachte, daß ein würtember¬<lb/> gischer Jurist nordwärts blicke, machten einige hoehconservative Mitglieder<lb/> des Herrenhauses in Berlin die Entdeckung, daß es doch mit der Proze߬<lb/> ordnung sür das ganze norddeutsche Bundesgebiet fast ebenso bedenklich be¬<lb/> stellt sei, wie mit dem Nordwärtsblicken des schwäbischen Jurisconsultus;<lb/> denn sagten die Hochconservativen, „besagte Proceßordnung wird die Orga¬<lb/> nisation der Gerichte und die Etatsregulirung in Preußen berühren, worin<lb/> ohne Zustimmung beider Häuser <— natürlich also auch des Herrenhauses —)<lb/> des Landtags der Monarchie eine Abänderung nicht erfolgen kann.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0068]
verliert. Gerade dadurch hatte er sich seinem Protector, Herrn v. Varnbüler,
empfohlen, mit welchem er sich auch heute noch im herzlichsten Einvernehmen
befindet.
Am 30. Octbr. war er entschieden für den Allianzvertrag vom 13- Aug.
1866, am 31. Octbr. noch entschiedener für den Zollvereinsvertrag vom
8. Juli 1867.
Kürzlich nun hatte der Chef der Justiz aufs neue Gelegenheit, politisch
Farbe zu bekennen. Es handelte sich darum, ob auf die vorgelegte Gerichts¬
verfassung seitens der zweiten Kammer einzugehen sei. Die nationale Seite
des Hauses verlangte Garantie dafür, daß die Annahme der Regierungs¬
entwürfe, namentlich der Civilproceßordnung, der künftigen Einführung
eines gemeinsamen Gesetzes über das Verfahren in bürgerlichen Rechtsstreitig¬
keiten nicht blos für den norddeutschen Bund, sondern für ganz Deutschland,
kein Hinderniß bereite.
Dies gab Herrn Mittnacht Veranlassung, eine Rede großen Stils zu
halten, die eine ganz andere Farbe trug, als die Vorträge vom 30. und 31.
October. Er appellirre aus das nachdrücklichste an den würtembergischen
Particularismus. Er beschwor die Kammer, doch ja nur auf die Vorlage
einzugehen, denn sonst könne sich ein schweres Unglück ereignen, das Unglück
nämlich, daß die würtembergischen Juristen, welche eine Reform der Gerichts¬
verfassung und der Prozeßordnung dringend verlangten, so sehr des würtem¬
bergischen Particularismus (euphemistisch: Patriotismus) vergäßen, daß sie
am Ende gar ihre Blicke ausschließlich nach dem Norden richteten, als ob
von da jedes Heil der Welt, und auch in dieser Beziehung Abhilfe zu
erwarten stehe.
Ein würtembergischer Jurist, der den Blick nordwärts richtet und, im
Widerspruch mit dem Beobachter-Dogma: „Wie kann von Nazareth Gutes
kommen?" von Berlin das Heil erwartet, war für unsere „Großdeutschen"
etwas so entsetzliches, daß sie dem Justizminister beipflichteten.
Dem preußischen Herrenhaus war es vorbehalten, den Pendant zum
würtembergischen Abgeordnetenhause zu liefern. Denn zu derselben Stunde,
wo man hier mit Schaudern an die Möglichkeit dachte, daß ein würtember¬
gischer Jurist nordwärts blicke, machten einige hoehconservative Mitglieder
des Herrenhauses in Berlin die Entdeckung, daß es doch mit der Proze߬
ordnung sür das ganze norddeutsche Bundesgebiet fast ebenso bedenklich be¬
stellt sei, wie mit dem Nordwärtsblicken des schwäbischen Jurisconsultus;
denn sagten die Hochconservativen, „besagte Proceßordnung wird die Orga¬
nisation der Gerichte und die Etatsregulirung in Preußen berühren, worin
ohne Zustimmung beider Häuser <— natürlich also auch des Herrenhauses —)
des Landtags der Monarchie eine Abänderung nicht erfolgen kann.
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