Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.ständniß und schöpferischer Kraft drückt den wackeren Handwerksmarm mehr Deshalb ist die Einführung schöner Formen in das Handwerk und die ständniß und schöpferischer Kraft drückt den wackeren Handwerksmarm mehr Deshalb ist die Einführung schöner Formen in das Handwerk und die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0525" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117527"/> <p xml:id="ID_1693" prev="#ID_1692"> ständniß und schöpferischer Kraft drückt den wackeren Handwerksmarm mehr<lb/> nieder, als etwas anderes. Die schwierige sociale Stellung unserer Arbeiter,<lb/> der Kampf zwischen Handwerk und Maschinentechnik, sie können gut und<lb/> gründlich nur dann geheilt werden, wenn unser Handwerk wieder kunstvoll<lb/> wird, d. h. wenn dem bescheidenen Mann wieder die stolze Freude kommt,<lb/> auch schön zu erfinden, und wenn solche Arbeit ihm zu lohnender Werkthätig¬<lb/> keit wird. Jetzt ist im Handwerk der Mangel an Talenten sehr groß, und<lb/> überall wird die Klage laut, wie selten geschickte Gesellen zu finden sind. welche<lb/> auch nur die gewöhnliche Tagesarbeit gut und mit Verstand verrichten. Die<lb/> Ueberlegenheit, welche die Franzosen aus einzelnen Gebieten der Industrie<lb/> und Technik unleugbar besitzen, kommt nur daher, daß durch günstige Ver<lb/> Hältnisse der Sinn für zierliche Form, der sich von dem zusammengefügten<lb/> Blumenstrauß bis zu Umriß und Malerei einer Porzellanvase und einer<lb/> Broche bewährt, in dem Volke nie ganz verloren ging und jetzt reichlicher<lb/> gepflegt ward.</p><lb/> <p xml:id="ID_1694"> Deshalb ist die Einführung schöner Formen in das Handwerk und die<lb/> Bildung des Schönheitssinnes im Arbeiter eine der wichtigsten Culturauf¬<lb/> gaben unserer lehrhaften Zeit geworden, und wer nach dieser Richtung un¬<lb/> serem Volke wohlzuthun weiß, der hebt nicht nur die Production und leitet<lb/> Wohlstand in die enge Behausung des Armen, er verschönert auch das Leben<lb/> aller, welche die Handwerksarbeit für sich gebrauchen, und nicht zuletzt Leben.<lb/> Gedanken und Gemüth des Arbeitenden selbst. Und man meine nur nicht,<lb/> daß solche Veredlung der Handwerksindustrie gleichbedeutend sei mit einer<lb/> unverhältnißmäßigen Steigerung des Luxus und unwesentlicher Bedürfnisse des<lb/> Genießenden. In zahllosen Fällen werden die Genüsse unseres Lebens dadurch<lb/> nicht vertheuert. sondern das Schönere wird billiger gemacht. Es ist z. B.<lb/> jetzt fast überall in Deutschland noch schwierig, nur die einfachste Zimmer¬<lb/> einrichtung so herzustellen, daß Farbe und Muster der Tapeten. Vorhänge.<lb/> Möbeln. Teppiche in gefälliger Weise zu einander stimmen. Auch unter den so¬<lb/> genannten Gebildeten haben die wenigsten ein Verständniß dafür. Und wer<lb/> jetzt solche das Auge nicht beleidigende Uebereinstimmung bei der Einrichtung<lb/> seiner Wohnung sucht, der muß entweder eine außerordentliche Mühe auf¬<lb/> wenden und sich selbst von vielen Orten einzelnes zusammentragen, oder<lb/> einen außerordentlichen Preis bezahlen. Dann aber wird den Reicheren bei<lb/> verfeinerter Cultur des Handwerks alle Tage Gelegenheit gegeben, auch be¬<lb/> sonders Zierliches und die liebevollen Arbeiten eines talentvollen Handwerkers<lb/> um sich zu sammeln, und diese Art von Verschönerung der Stuben ist gerade<lb/> das beste Gegengewicht gegen den rohen und prahlerischer Luxus, der jetzt<lb/> nur in theuren und fremdartigen Stoffen und in einem unablässigen Wechsel<lb/> modischer Möbel und neuen Tafelgeschirrs seine Befriedigung findet.</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0525]
ständniß und schöpferischer Kraft drückt den wackeren Handwerksmarm mehr
nieder, als etwas anderes. Die schwierige sociale Stellung unserer Arbeiter,
der Kampf zwischen Handwerk und Maschinentechnik, sie können gut und
gründlich nur dann geheilt werden, wenn unser Handwerk wieder kunstvoll
wird, d. h. wenn dem bescheidenen Mann wieder die stolze Freude kommt,
auch schön zu erfinden, und wenn solche Arbeit ihm zu lohnender Werkthätig¬
keit wird. Jetzt ist im Handwerk der Mangel an Talenten sehr groß, und
überall wird die Klage laut, wie selten geschickte Gesellen zu finden sind. welche
auch nur die gewöhnliche Tagesarbeit gut und mit Verstand verrichten. Die
Ueberlegenheit, welche die Franzosen aus einzelnen Gebieten der Industrie
und Technik unleugbar besitzen, kommt nur daher, daß durch günstige Ver
Hältnisse der Sinn für zierliche Form, der sich von dem zusammengefügten
Blumenstrauß bis zu Umriß und Malerei einer Porzellanvase und einer
Broche bewährt, in dem Volke nie ganz verloren ging und jetzt reichlicher
gepflegt ward.
Deshalb ist die Einführung schöner Formen in das Handwerk und die
Bildung des Schönheitssinnes im Arbeiter eine der wichtigsten Culturauf¬
gaben unserer lehrhaften Zeit geworden, und wer nach dieser Richtung un¬
serem Volke wohlzuthun weiß, der hebt nicht nur die Production und leitet
Wohlstand in die enge Behausung des Armen, er verschönert auch das Leben
aller, welche die Handwerksarbeit für sich gebrauchen, und nicht zuletzt Leben.
Gedanken und Gemüth des Arbeitenden selbst. Und man meine nur nicht,
daß solche Veredlung der Handwerksindustrie gleichbedeutend sei mit einer
unverhältnißmäßigen Steigerung des Luxus und unwesentlicher Bedürfnisse des
Genießenden. In zahllosen Fällen werden die Genüsse unseres Lebens dadurch
nicht vertheuert. sondern das Schönere wird billiger gemacht. Es ist z. B.
jetzt fast überall in Deutschland noch schwierig, nur die einfachste Zimmer¬
einrichtung so herzustellen, daß Farbe und Muster der Tapeten. Vorhänge.
Möbeln. Teppiche in gefälliger Weise zu einander stimmen. Auch unter den so¬
genannten Gebildeten haben die wenigsten ein Verständniß dafür. Und wer
jetzt solche das Auge nicht beleidigende Uebereinstimmung bei der Einrichtung
seiner Wohnung sucht, der muß entweder eine außerordentliche Mühe auf¬
wenden und sich selbst von vielen Orten einzelnes zusammentragen, oder
einen außerordentlichen Preis bezahlen. Dann aber wird den Reicheren bei
verfeinerter Cultur des Handwerks alle Tage Gelegenheit gegeben, auch be¬
sonders Zierliches und die liebevollen Arbeiten eines talentvollen Handwerkers
um sich zu sammeln, und diese Art von Verschönerung der Stuben ist gerade
das beste Gegengewicht gegen den rohen und prahlerischer Luxus, der jetzt
nur in theuren und fremdartigen Stoffen und in einem unablässigen Wechsel
modischer Möbel und neuen Tafelgeschirrs seine Befriedigung findet.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |