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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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Klarheit über die Punkte, worauf es für die inneren preußischen Fragen
wesentlich ankam", verschonen.

Daß im Schoße der Fraction häufig verschiedene politische Auffassungen
über innere Fragen herrschen, ist allerdings nicht zu verkennen; ihre Bildung
scheint sich wesentlich die verdienstliche Aufgabe gestellt zu haben, aus den
Negationen der Conflictszeit hinaus zunächst auf dem festen Böden der deut¬
schen Politik der Regierung wieder Fuß zu fassen, und ein festes Programm
über die weitere innere Entwickelung liegt vielleicht noch nicht vor. Wenn
aber der Herr Berichterstatter diesen Mangel an Uebereinstimmung seiner
Partei in wesentlichen Punkten hervorhebt, wie kann er sich dann darüber
Wundern, daß die Zeitungen der Partei in Cardinalfragen ihre Ansichten
nicht treffen? Daß es ihnen an Information über die Ansichten der Majorität
gebrach, und sie daher auch ihren Lesern eine solche nicht zu bieten ver¬
mochten!

Dem besondern Vorwurfe -- daß die Partei "der wichtigsten von allen
vorliegenden Fragen -- nach der Organisation der neuen Landestheile, nach
dem Verhältnisse, in welchem die neuen Provinzen zu den alten stehen sollten;
ohne festes Programm entgegen gegangen war", läßt sich die Erwägung
gegenüberstellen, daß die Ansichten über die Organisation der Verwaltung
der neuen Provinzen wesentlich von der Entscheidung der eben nicht einfachen
Vorfrage abhängen, für welches der sehr verschiedenen Systeme man in Be¬
zug auf die dringend nothwendige Neuorganisation der Verwaltung auch in
den alten Provinzen sich entscheidet, eine Frage, welche nicht blos von all¬
gemeinen politischen Parteigrundsätzen abhängt, sondern durch eine Menge
von technischen, statistischen und localen Erörterungen bedingt wird, und
daher im Schoße derselben politischen Partei eine sehr verschiedenartige Be¬
antwortung finden kann, ohne daß dieselbe für die Frage des Zusammen¬
haltens und der Einigkeit unter den Parteigenossen ein zutreffendes Merkmal
darstellte. Erst von Entscheidung der allgemeinen Fragen hängt dann wieder
ab, welche Einrichtungen im ganzen Staate durchgängig bestehen, für welche
eine verschiedene Behandlung nach abweichenden örtlichen Gesichtspunkten in
den einzelnen Provinzen nachgelassen werden soll. Welche Verschiedenheiten
der Ansichten über wichtige Organisationsfragen unter fach- und ortskundigen
Angehörigen derselben Partei, derselben neuen Provinz bestehen, das zeigt
K- B. die Meinungsverschiedenheit zwischen den hannoverschen Abgeordneten
v- Bennigsen. Grundrecht und Miquel über den Fortbestand der Lcmd-
drosteien in der Provinz Hannover. Und nun macht man der nationallibe¬
ralen Partei, in welcher eine Menge von Juristen sich befinden, welche nie¬
mals praktisch mit Verwaltungsangelegenheiten vertraut geworden sind, einen
Vorwurf daraus, daß sie nicht schon im November über solche durch Orts-


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Klarheit über die Punkte, worauf es für die inneren preußischen Fragen
wesentlich ankam", verschonen.

Daß im Schoße der Fraction häufig verschiedene politische Auffassungen
über innere Fragen herrschen, ist allerdings nicht zu verkennen; ihre Bildung
scheint sich wesentlich die verdienstliche Aufgabe gestellt zu haben, aus den
Negationen der Conflictszeit hinaus zunächst auf dem festen Böden der deut¬
schen Politik der Regierung wieder Fuß zu fassen, und ein festes Programm
über die weitere innere Entwickelung liegt vielleicht noch nicht vor. Wenn
aber der Herr Berichterstatter diesen Mangel an Uebereinstimmung seiner
Partei in wesentlichen Punkten hervorhebt, wie kann er sich dann darüber
Wundern, daß die Zeitungen der Partei in Cardinalfragen ihre Ansichten
nicht treffen? Daß es ihnen an Information über die Ansichten der Majorität
gebrach, und sie daher auch ihren Lesern eine solche nicht zu bieten ver¬
mochten!

Dem besondern Vorwurfe — daß die Partei „der wichtigsten von allen
vorliegenden Fragen — nach der Organisation der neuen Landestheile, nach
dem Verhältnisse, in welchem die neuen Provinzen zu den alten stehen sollten;
ohne festes Programm entgegen gegangen war", läßt sich die Erwägung
gegenüberstellen, daß die Ansichten über die Organisation der Verwaltung
der neuen Provinzen wesentlich von der Entscheidung der eben nicht einfachen
Vorfrage abhängen, für welches der sehr verschiedenen Systeme man in Be¬
zug auf die dringend nothwendige Neuorganisation der Verwaltung auch in
den alten Provinzen sich entscheidet, eine Frage, welche nicht blos von all¬
gemeinen politischen Parteigrundsätzen abhängt, sondern durch eine Menge
von technischen, statistischen und localen Erörterungen bedingt wird, und
daher im Schoße derselben politischen Partei eine sehr verschiedenartige Be¬
antwortung finden kann, ohne daß dieselbe für die Frage des Zusammen¬
haltens und der Einigkeit unter den Parteigenossen ein zutreffendes Merkmal
darstellte. Erst von Entscheidung der allgemeinen Fragen hängt dann wieder
ab, welche Einrichtungen im ganzen Staate durchgängig bestehen, für welche
eine verschiedene Behandlung nach abweichenden örtlichen Gesichtspunkten in
den einzelnen Provinzen nachgelassen werden soll. Welche Verschiedenheiten
der Ansichten über wichtige Organisationsfragen unter fach- und ortskundigen
Angehörigen derselben Partei, derselben neuen Provinz bestehen, das zeigt
K- B. die Meinungsverschiedenheit zwischen den hannoverschen Abgeordneten
v- Bennigsen. Grundrecht und Miquel über den Fortbestand der Lcmd-
drosteien in der Provinz Hannover. Und nun macht man der nationallibe¬
ralen Partei, in welcher eine Menge von Juristen sich befinden, welche nie¬
mals praktisch mit Verwaltungsangelegenheiten vertraut geworden sind, einen
Vorwurf daraus, daß sie nicht schon im November über solche durch Orts-


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[0517] Klarheit über die Punkte, worauf es für die inneren preußischen Fragen wesentlich ankam", verschonen. Daß im Schoße der Fraction häufig verschiedene politische Auffassungen über innere Fragen herrschen, ist allerdings nicht zu verkennen; ihre Bildung scheint sich wesentlich die verdienstliche Aufgabe gestellt zu haben, aus den Negationen der Conflictszeit hinaus zunächst auf dem festen Böden der deut¬ schen Politik der Regierung wieder Fuß zu fassen, und ein festes Programm über die weitere innere Entwickelung liegt vielleicht noch nicht vor. Wenn aber der Herr Berichterstatter diesen Mangel an Uebereinstimmung seiner Partei in wesentlichen Punkten hervorhebt, wie kann er sich dann darüber Wundern, daß die Zeitungen der Partei in Cardinalfragen ihre Ansichten nicht treffen? Daß es ihnen an Information über die Ansichten der Majorität gebrach, und sie daher auch ihren Lesern eine solche nicht zu bieten ver¬ mochten! Dem besondern Vorwurfe — daß die Partei „der wichtigsten von allen vorliegenden Fragen — nach der Organisation der neuen Landestheile, nach dem Verhältnisse, in welchem die neuen Provinzen zu den alten stehen sollten; ohne festes Programm entgegen gegangen war", läßt sich die Erwägung gegenüberstellen, daß die Ansichten über die Organisation der Verwaltung der neuen Provinzen wesentlich von der Entscheidung der eben nicht einfachen Vorfrage abhängen, für welches der sehr verschiedenen Systeme man in Be¬ zug auf die dringend nothwendige Neuorganisation der Verwaltung auch in den alten Provinzen sich entscheidet, eine Frage, welche nicht blos von all¬ gemeinen politischen Parteigrundsätzen abhängt, sondern durch eine Menge von technischen, statistischen und localen Erörterungen bedingt wird, und daher im Schoße derselben politischen Partei eine sehr verschiedenartige Be¬ antwortung finden kann, ohne daß dieselbe für die Frage des Zusammen¬ haltens und der Einigkeit unter den Parteigenossen ein zutreffendes Merkmal darstellte. Erst von Entscheidung der allgemeinen Fragen hängt dann wieder ab, welche Einrichtungen im ganzen Staate durchgängig bestehen, für welche eine verschiedene Behandlung nach abweichenden örtlichen Gesichtspunkten in den einzelnen Provinzen nachgelassen werden soll. Welche Verschiedenheiten der Ansichten über wichtige Organisationsfragen unter fach- und ortskundigen Angehörigen derselben Partei, derselben neuen Provinz bestehen, das zeigt K- B. die Meinungsverschiedenheit zwischen den hannoverschen Abgeordneten v- Bennigsen. Grundrecht und Miquel über den Fortbestand der Lcmd- drosteien in der Provinz Hannover. Und nun macht man der nationallibe¬ ralen Partei, in welcher eine Menge von Juristen sich befinden, welche nie¬ mals praktisch mit Verwaltungsangelegenheiten vertraut geworden sind, einen Vorwurf daraus, daß sie nicht schon im November über solche durch Orts- 64*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/517>, abgerufen am 02.10.2024.