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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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Wirkung der Staatsbehörden und Gewährung von Beihilfen aus der Staats-
casse. Nach den durch die Kriegsereignisse unterbrochenen Intentionen der
ehemaligen hannoverischen Negierung sollten die letzteren erhöhet, dagegen auch
die Leistungen der Wegeverbände entsprechend gesteigert, und von denselben
ein namhaster Theil des aus der Staatscasse Empfangenen später wieder
abgetragen werden.

Solange Hannover als besonderer Einzelstaat bestand, war das Geld¬
interesse der einzelnen Staatsgenossen nicht wesentlich dabei betheiligt, ob die
Gewährungen aus der Staatscasse als dieser oder -- unter Wegfall des
entsprechenden Theiles der Staatssteuern -- durch Provinzialsteuern auf¬
gebracht wurden. Sobald aber Hannover eine Provinz des preußischen
Staates wurde, erschien es als eine einfache Forderung der ausgleichenden
Gerechtigkeit, wie dieselbe in Art. 101 der preußischen Verfassung Anerken¬
nung gefunden hat, daß alle Staatslasten nach Verhältniß der Steuersähig-
keit von allen Staatsgenossen -- in den neuen, wie in den alten Provinzen
gleichmäßig getragen, keiner Provinz eine bevorzugte Sonderstellung einge¬
räumt, mit andern Worten nicht in den alten Provinzen außer den Staats¬
steuern noch namhafte Provinzialsteuern für die bezeichneten öffentlichen
Zwecke erhoben, in Hannover die letzteren dagegen aus der gemeinsamen
Staatscasse bestritten würden. Eine Ausnahme mußte natürlich anerkannt
werden, insoweit etwa für einzelne Verwendungen ein rechtlicher Special-
tirel, eine besondere klagbare Verpflichtung bestand. Wo eine seitherige Aus¬
gabe dagegen nicht auf einer solchen, sondern lediglich auf einer widerruf¬
lichen Bewilligung der früheren Landesvertretung beruhete, war es die Auf¬
gabe der jetzigen Landesvertretung, auch in dieser Beziehung jede Bevor¬
zugung zu beseitigen, und die eine Provinz zu behandeln wie die andere.

Nun verlangte die Regierung, daß der Provinz Hannover ein Capital
'später eine immerwährende Rente von einer halben Million -- aus Staats¬
mitteln überwiesen werden solle, um daraus die bezeichneten Zwecke entweder
im seitherigen Maße allein, oder in erhöhtem Betrage mit Ausschluß der von
der hannoverschen Regierung selbst verlangten Mehrleistung der Wegever¬
bände zu bestreiten.

Man sollte sagen: nach den einfachsten Grundsätzen der Gerechtigkeit
konnte die Behandlung der Frage hiernach nicht zweifelhaft sein. Um die
Provinzen in ihren Leistungen gleichzustellen, mußten die Verwendungen für
die benannten WohltlMgkeitsnnstalten vom Etat gestrichen, die Wegegesetz-
gebung angemessen modificirt, jedenfalls die mit diesen Grundsätzen unver¬
einbare Regierungsvorlage abgelehnt werden.

Ist es nun dem entgegen eine "gesunde innere Politik", an die Stelle
des gleichen Rechtes aller Theile des Staates, einer Provinz Sonder-


Wirkung der Staatsbehörden und Gewährung von Beihilfen aus der Staats-
casse. Nach den durch die Kriegsereignisse unterbrochenen Intentionen der
ehemaligen hannoverischen Negierung sollten die letzteren erhöhet, dagegen auch
die Leistungen der Wegeverbände entsprechend gesteigert, und von denselben
ein namhaster Theil des aus der Staatscasse Empfangenen später wieder
abgetragen werden.

Solange Hannover als besonderer Einzelstaat bestand, war das Geld¬
interesse der einzelnen Staatsgenossen nicht wesentlich dabei betheiligt, ob die
Gewährungen aus der Staatscasse als dieser oder — unter Wegfall des
entsprechenden Theiles der Staatssteuern — durch Provinzialsteuern auf¬
gebracht wurden. Sobald aber Hannover eine Provinz des preußischen
Staates wurde, erschien es als eine einfache Forderung der ausgleichenden
Gerechtigkeit, wie dieselbe in Art. 101 der preußischen Verfassung Anerken¬
nung gefunden hat, daß alle Staatslasten nach Verhältniß der Steuersähig-
keit von allen Staatsgenossen — in den neuen, wie in den alten Provinzen
gleichmäßig getragen, keiner Provinz eine bevorzugte Sonderstellung einge¬
räumt, mit andern Worten nicht in den alten Provinzen außer den Staats¬
steuern noch namhafte Provinzialsteuern für die bezeichneten öffentlichen
Zwecke erhoben, in Hannover die letzteren dagegen aus der gemeinsamen
Staatscasse bestritten würden. Eine Ausnahme mußte natürlich anerkannt
werden, insoweit etwa für einzelne Verwendungen ein rechtlicher Special-
tirel, eine besondere klagbare Verpflichtung bestand. Wo eine seitherige Aus¬
gabe dagegen nicht auf einer solchen, sondern lediglich auf einer widerruf¬
lichen Bewilligung der früheren Landesvertretung beruhete, war es die Auf¬
gabe der jetzigen Landesvertretung, auch in dieser Beziehung jede Bevor¬
zugung zu beseitigen, und die eine Provinz zu behandeln wie die andere.

Nun verlangte die Regierung, daß der Provinz Hannover ein Capital
'später eine immerwährende Rente von einer halben Million — aus Staats¬
mitteln überwiesen werden solle, um daraus die bezeichneten Zwecke entweder
im seitherigen Maße allein, oder in erhöhtem Betrage mit Ausschluß der von
der hannoverschen Regierung selbst verlangten Mehrleistung der Wegever¬
bände zu bestreiten.

Man sollte sagen: nach den einfachsten Grundsätzen der Gerechtigkeit
konnte die Behandlung der Frage hiernach nicht zweifelhaft sein. Um die
Provinzen in ihren Leistungen gleichzustellen, mußten die Verwendungen für
die benannten WohltlMgkeitsnnstalten vom Etat gestrichen, die Wegegesetz-
gebung angemessen modificirt, jedenfalls die mit diesen Grundsätzen unver¬
einbare Regierungsvorlage abgelehnt werden.

Ist es nun dem entgegen eine „gesunde innere Politik", an die Stelle
des gleichen Rechtes aller Theile des Staates, einer Provinz Sonder-


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[0513] Wirkung der Staatsbehörden und Gewährung von Beihilfen aus der Staats- casse. Nach den durch die Kriegsereignisse unterbrochenen Intentionen der ehemaligen hannoverischen Negierung sollten die letzteren erhöhet, dagegen auch die Leistungen der Wegeverbände entsprechend gesteigert, und von denselben ein namhaster Theil des aus der Staatscasse Empfangenen später wieder abgetragen werden. Solange Hannover als besonderer Einzelstaat bestand, war das Geld¬ interesse der einzelnen Staatsgenossen nicht wesentlich dabei betheiligt, ob die Gewährungen aus der Staatscasse als dieser oder — unter Wegfall des entsprechenden Theiles der Staatssteuern — durch Provinzialsteuern auf¬ gebracht wurden. Sobald aber Hannover eine Provinz des preußischen Staates wurde, erschien es als eine einfache Forderung der ausgleichenden Gerechtigkeit, wie dieselbe in Art. 101 der preußischen Verfassung Anerken¬ nung gefunden hat, daß alle Staatslasten nach Verhältniß der Steuersähig- keit von allen Staatsgenossen — in den neuen, wie in den alten Provinzen gleichmäßig getragen, keiner Provinz eine bevorzugte Sonderstellung einge¬ räumt, mit andern Worten nicht in den alten Provinzen außer den Staats¬ steuern noch namhafte Provinzialsteuern für die bezeichneten öffentlichen Zwecke erhoben, in Hannover die letzteren dagegen aus der gemeinsamen Staatscasse bestritten würden. Eine Ausnahme mußte natürlich anerkannt werden, insoweit etwa für einzelne Verwendungen ein rechtlicher Special- tirel, eine besondere klagbare Verpflichtung bestand. Wo eine seitherige Aus¬ gabe dagegen nicht auf einer solchen, sondern lediglich auf einer widerruf¬ lichen Bewilligung der früheren Landesvertretung beruhete, war es die Auf¬ gabe der jetzigen Landesvertretung, auch in dieser Beziehung jede Bevor¬ zugung zu beseitigen, und die eine Provinz zu behandeln wie die andere. Nun verlangte die Regierung, daß der Provinz Hannover ein Capital 'später eine immerwährende Rente von einer halben Million — aus Staats¬ mitteln überwiesen werden solle, um daraus die bezeichneten Zwecke entweder im seitherigen Maße allein, oder in erhöhtem Betrage mit Ausschluß der von der hannoverschen Regierung selbst verlangten Mehrleistung der Wegever¬ bände zu bestreiten. Man sollte sagen: nach den einfachsten Grundsätzen der Gerechtigkeit konnte die Behandlung der Frage hiernach nicht zweifelhaft sein. Um die Provinzen in ihren Leistungen gleichzustellen, mußten die Verwendungen für die benannten WohltlMgkeitsnnstalten vom Etat gestrichen, die Wegegesetz- gebung angemessen modificirt, jedenfalls die mit diesen Grundsätzen unver¬ einbare Regierungsvorlage abgelehnt werden. Ist es nun dem entgegen eine „gesunde innere Politik", an die Stelle des gleichen Rechtes aller Theile des Staates, einer Provinz Sonder-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/513>, abgerufen am 01.10.2024.