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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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die zu den integrirenden Bestandtheilen der Maßregel gehört, hat sich seitdem
sogar auf dem Congreß norddeutscher Landwirthe, also einer reinen Jnter-
essentenversammlung, eine ansehnliche Minderheit gefunden.

In einer ganz ähnlichen Lage wie zu dem Zucker, sieht sich der Zoll¬
verein, nachdem er handlungs- und bewegungsfähig geworden, einem andern
großen Genußmittel gegenüber, dem Tabak. Bei einem viel größeren durch¬
schnittlichen Verbrauch einer größeren Bevölkerung liefert er in Deutschland
der Staatscasse nur 3--4, in England über 70 Millionen Thaler im Jahre.
Aber auch Frankreich, Oestreich, Rußland, die Vereinigten Staaten wissen
ihm mehr Finanzertrag abzugewinnen, die einen durch ein Verkaufsmonopol
des Staats, die andern durch hohe Eingangszölle und Productions- oder
Consumtionssteuern. Werth besteuert zu werden ist er vermöge seiner Stel¬
lung in der Reihe der menschlichen Bedürfnisse jedenfalls noch viel mehr als
Zucker, der ein eigentliches Nahrungsmittel ist; mehr überhaupt als fast alle
Gegenstände allgemeineren Gebrauchs. Es erscheint daher durchaus nicht
wunderbar, daß der erste Gedanke unserer Finanzmänner, als die neue Ver¬
fassung des Zollvereins ins Leben getreten war, eine höhere Heranziehung
des Tabaks war. Da man aber seit Jahren an eine sehr niedrige, ja zum
Theil -- in Betreff des in Süddeutschland selbst verbrauchten Theils der
süddeutschen Tabaksproduktion -- an gar keine Besteuerung des Tabaks ge¬
wöhnt ist, rief die erste entfernte Ankündigung dieser Absicht gleich einen
wahren Sturm von Opposition hervor. Auf der einen Seite die Tabaks¬
pflanzer der Pfalz und anderer Landstriche, auf der andern die durch ganz
Deutschland zerstreuten zahlreichen Fabrikanten von Tabak und Cigarren
sammt ihrer Reserve, den Importeuren und "oberländischen Häusern" Bre¬
mens und Hamburgs, erhoben lautschallenden Protest, den die Masse der
Gewohnheitsraucher grollend und murrend verstärkte. Die Finanzverwaltung
schien vor dieser furchtbaren Phalanx umkehren zu wollen. Monate lang
war von einer höheren Tabaksbesteuerung keine Rede mehr. Noch als der
Ausschuß des Handelstags in Berlin versammelt und der Zollbundesrath
bereits einberufen war, galt jene Sorge für so vollständig abgethan, daß der
Ausschuß auf diese Frage gar nicht eingehen wollte. Die badische Regierung
hat bekannt, daß sogar sie völlig überrascht worden sei, als gleichwohl nach¬
her im Zvllbundesrath ein Erhöhungsantrag eingebracht wurde. Man hat
also schon nicht übel manövrirt, daß mindestens der Bundesrath seine Ent¬
scheidung fassen wird, ohne dem Drucke einer lebhaften actuellen Agitation
gegen jede Erhöhung zu unterliegen. Als günstiger Umstand kann es ferner
betrachtet werden, daß früher von einer bedeutend höheren Steigerung von
Zoll und Steuern die Rede war, als sie gegenwärtig beabsichtigt wird; der
Zoll auf rohe Blätter soll von 4 aus 6 Thaler, die Steuer von ca. 20 aus


die zu den integrirenden Bestandtheilen der Maßregel gehört, hat sich seitdem
sogar auf dem Congreß norddeutscher Landwirthe, also einer reinen Jnter-
essentenversammlung, eine ansehnliche Minderheit gefunden.

In einer ganz ähnlichen Lage wie zu dem Zucker, sieht sich der Zoll¬
verein, nachdem er handlungs- und bewegungsfähig geworden, einem andern
großen Genußmittel gegenüber, dem Tabak. Bei einem viel größeren durch¬
schnittlichen Verbrauch einer größeren Bevölkerung liefert er in Deutschland
der Staatscasse nur 3—4, in England über 70 Millionen Thaler im Jahre.
Aber auch Frankreich, Oestreich, Rußland, die Vereinigten Staaten wissen
ihm mehr Finanzertrag abzugewinnen, die einen durch ein Verkaufsmonopol
des Staats, die andern durch hohe Eingangszölle und Productions- oder
Consumtionssteuern. Werth besteuert zu werden ist er vermöge seiner Stel¬
lung in der Reihe der menschlichen Bedürfnisse jedenfalls noch viel mehr als
Zucker, der ein eigentliches Nahrungsmittel ist; mehr überhaupt als fast alle
Gegenstände allgemeineren Gebrauchs. Es erscheint daher durchaus nicht
wunderbar, daß der erste Gedanke unserer Finanzmänner, als die neue Ver¬
fassung des Zollvereins ins Leben getreten war, eine höhere Heranziehung
des Tabaks war. Da man aber seit Jahren an eine sehr niedrige, ja zum
Theil — in Betreff des in Süddeutschland selbst verbrauchten Theils der
süddeutschen Tabaksproduktion — an gar keine Besteuerung des Tabaks ge¬
wöhnt ist, rief die erste entfernte Ankündigung dieser Absicht gleich einen
wahren Sturm von Opposition hervor. Auf der einen Seite die Tabaks¬
pflanzer der Pfalz und anderer Landstriche, auf der andern die durch ganz
Deutschland zerstreuten zahlreichen Fabrikanten von Tabak und Cigarren
sammt ihrer Reserve, den Importeuren und „oberländischen Häusern" Bre¬
mens und Hamburgs, erhoben lautschallenden Protest, den die Masse der
Gewohnheitsraucher grollend und murrend verstärkte. Die Finanzverwaltung
schien vor dieser furchtbaren Phalanx umkehren zu wollen. Monate lang
war von einer höheren Tabaksbesteuerung keine Rede mehr. Noch als der
Ausschuß des Handelstags in Berlin versammelt und der Zollbundesrath
bereits einberufen war, galt jene Sorge für so vollständig abgethan, daß der
Ausschuß auf diese Frage gar nicht eingehen wollte. Die badische Regierung
hat bekannt, daß sogar sie völlig überrascht worden sei, als gleichwohl nach¬
her im Zvllbundesrath ein Erhöhungsantrag eingebracht wurde. Man hat
also schon nicht übel manövrirt, daß mindestens der Bundesrath seine Ent¬
scheidung fassen wird, ohne dem Drucke einer lebhaften actuellen Agitation
gegen jede Erhöhung zu unterliegen. Als günstiger Umstand kann es ferner
betrachtet werden, daß früher von einer bedeutend höheren Steigerung von
Zoll und Steuern die Rede war, als sie gegenwärtig beabsichtigt wird; der
Zoll auf rohe Blätter soll von 4 aus 6 Thaler, die Steuer von ca. 20 aus


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/508>, abgerufen am 22.07.2024.