Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.Literatur Friedrich Rückerts sämmtliche poetische Werke, (Frankfurt a. M. bei Sauer¬ länder). Daß das heute lebende Geschlecht auf der Grenze zweier verschiedener Welten Einem wirklich vorhandenen, nicht erst seit gestern fühlbar gewordenen Bedürfniß Handbuch der Musikgeschichte von den ersten Anfängen bis zum Tode Beet¬ hovens, von Arrcy von Donner. Leipzig, Grunow, 1868; VI u. 608 S. An Werken über die Geschichte der Musik ist kein Mangel, Wohl aber hat Literatur Friedrich Rückerts sämmtliche poetische Werke, (Frankfurt a. M. bei Sauer¬ länder). Daß das heute lebende Geschlecht auf der Grenze zweier verschiedener Welten Einem wirklich vorhandenen, nicht erst seit gestern fühlbar gewordenen Bedürfniß Handbuch der Musikgeschichte von den ersten Anfängen bis zum Tode Beet¬ hovens, von Arrcy von Donner. Leipzig, Grunow, 1868; VI u. 608 S. An Werken über die Geschichte der Musik ist kein Mangel, Wohl aber hat <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0444" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117448"/> </div> </div> <div n="1"> <head> Literatur</head><lb/> <div n="2"> <head> Friedrich Rückerts sämmtliche poetische Werke, (Frankfurt a. M. bei Sauer¬<lb/> länder).</head><lb/> <p xml:id="ID_1459"> Daß das heute lebende Geschlecht auf der Grenze zweier verschiedener Welten<lb/> steht, macht sich auf dem künsterisch-literarischen Gebiet ebenso geltend, wie auf dem<lb/> politischen. Dieselbe Generation, welche während der ersten Hälfte ihres Lebens in<lb/> den Erfolgen einer Reihe großer Künstler, Dichter wie Musiker, Theil nahm, mit<lb/> dem einen Fuß noch in der Göthezeit stand, sieht dieselben aussterben und muß sich<lb/> sagen, daß an einen vollständigen Ersatz schon darum nicht zu denken ist, weil der<lb/> Schwerpunkt der nationalen Interessen aus dem Gebiet der Kunst in das einer<lb/> rauhen und strengen Wirklichkeit verlegt worden ist. Die „jungen Aare", an deren<lb/> kühnem Fluge der sterbende Göthe sich erfreute, sie sind einer nach dem andern ins<lb/> Grab gegangen, Chamisso und Heine, Uhland und Rückert. Friedrich Rückert war<lb/> der letzte große Lyriker, der aus der Zeit der Befreiungskriege und des Wieder¬<lb/> erwachens der Romantik in unsere Tage hineinragte, und als man ihn zu Grabe<lb/> trug, mußte die Nation sich sagen, sie habe den letzten Repräsentanten einer großen<lb/> Zeit begraben, einer Zeit, die nach Uhlands schönem Wort nur noch in den Kin¬<lb/> dern derer lebt, die sie selbst einst todt gemeint hatte." Gerade darum müssen<lb/> wir es mit Dank begrüßen, daß uns die Gelegenheit geboten ist, die Schätze,<lb/> welche der Dichter des Liebesfrühlings und der Bramanenwcisheit hinterlassen, in<lb/> einer Gesammtausgabe in die Hände zu bekommen: wird das Soll und Haben<lb/> eines Vermögens doch in der Regel erst regulirt, wenn dasselbe zur Erbschaft eines<lb/> Verstorbenen geworden. — Das Erscheinen einer Gesammtausgabe der Rückertschcn<lb/> Dichtungen war um so nothwendiger geworden, als des Dichters kleinere poetische<lb/> Schöpfungen, die lyrischen Gedichte, seit Jahren eigentlich nur in einer ausgewählten<lb/> Sammlung zu haben waren, deren beschränkter Umfang eine auch nur annähernde<lb/> Vollständigkeit ausschloß. Eine der vollendetsten Dichtungen des Meisters, jene<lb/> „Griechischen Tageszeiten", welche allein neben Schillers „Göttern Griechenlands"<lb/> genannt werden können, fehlte jener Sammlung, ebenso manches andere, unserem<lb/> Volk lieb gewordene Gedicht. — Die von der Verlagsbuchhandlung angekündigte<lb/> neue Gesammtausgabe, ist auf zwölf Bände angelegt und soll Rückerts sämmtliche<lb/> Schöpfungen, auch die Dramen umfassen; die beiden ersten Bände, den Liebes¬<lb/> frühling und die vaterländischen Gedichte, find bereits erschienen, die Herausgabe der<lb/> Uebrigen ist für die nächste Zukunft in Aussicht gestellt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1460"> Einem wirklich vorhandenen, nicht erst seit gestern fühlbar gewordenen Bedürfniß<lb/> entgegen kommend, wird das verdienstvolle Unternehmen auf die dankbarste Anerken¬<lb/> nung aller Deutschen rechnen können.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="2"> <head> Handbuch der Musikgeschichte von den ersten Anfängen bis zum Tode Beet¬<lb/> hovens, von Arrcy von Donner. Leipzig, Grunow, 1868; VI u. 608 S.</head><lb/> <p xml:id="ID_1461" next="#ID_1462"> An Werken über die Geschichte der Musik ist kein Mangel, Wohl aber hat<lb/> es bisher an einem Buche gefehlt, welches, wie das obengenannte, in gleicher Weise<lb/> den Fachmusiker wie den gebildeten Kunstfreund zu befriedigen geeignet wäre. Ge¬<lb/> lehrte und umfassende Monographien über einzelne, treffliche Biographien über her-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0444]
Literatur
Friedrich Rückerts sämmtliche poetische Werke, (Frankfurt a. M. bei Sauer¬
länder).
Daß das heute lebende Geschlecht auf der Grenze zweier verschiedener Welten
steht, macht sich auf dem künsterisch-literarischen Gebiet ebenso geltend, wie auf dem
politischen. Dieselbe Generation, welche während der ersten Hälfte ihres Lebens in
den Erfolgen einer Reihe großer Künstler, Dichter wie Musiker, Theil nahm, mit
dem einen Fuß noch in der Göthezeit stand, sieht dieselben aussterben und muß sich
sagen, daß an einen vollständigen Ersatz schon darum nicht zu denken ist, weil der
Schwerpunkt der nationalen Interessen aus dem Gebiet der Kunst in das einer
rauhen und strengen Wirklichkeit verlegt worden ist. Die „jungen Aare", an deren
kühnem Fluge der sterbende Göthe sich erfreute, sie sind einer nach dem andern ins
Grab gegangen, Chamisso und Heine, Uhland und Rückert. Friedrich Rückert war
der letzte große Lyriker, der aus der Zeit der Befreiungskriege und des Wieder¬
erwachens der Romantik in unsere Tage hineinragte, und als man ihn zu Grabe
trug, mußte die Nation sich sagen, sie habe den letzten Repräsentanten einer großen
Zeit begraben, einer Zeit, die nach Uhlands schönem Wort nur noch in den Kin¬
dern derer lebt, die sie selbst einst todt gemeint hatte." Gerade darum müssen
wir es mit Dank begrüßen, daß uns die Gelegenheit geboten ist, die Schätze,
welche der Dichter des Liebesfrühlings und der Bramanenwcisheit hinterlassen, in
einer Gesammtausgabe in die Hände zu bekommen: wird das Soll und Haben
eines Vermögens doch in der Regel erst regulirt, wenn dasselbe zur Erbschaft eines
Verstorbenen geworden. — Das Erscheinen einer Gesammtausgabe der Rückertschcn
Dichtungen war um so nothwendiger geworden, als des Dichters kleinere poetische
Schöpfungen, die lyrischen Gedichte, seit Jahren eigentlich nur in einer ausgewählten
Sammlung zu haben waren, deren beschränkter Umfang eine auch nur annähernde
Vollständigkeit ausschloß. Eine der vollendetsten Dichtungen des Meisters, jene
„Griechischen Tageszeiten", welche allein neben Schillers „Göttern Griechenlands"
genannt werden können, fehlte jener Sammlung, ebenso manches andere, unserem
Volk lieb gewordene Gedicht. — Die von der Verlagsbuchhandlung angekündigte
neue Gesammtausgabe, ist auf zwölf Bände angelegt und soll Rückerts sämmtliche
Schöpfungen, auch die Dramen umfassen; die beiden ersten Bände, den Liebes¬
frühling und die vaterländischen Gedichte, find bereits erschienen, die Herausgabe der
Uebrigen ist für die nächste Zukunft in Aussicht gestellt.
Einem wirklich vorhandenen, nicht erst seit gestern fühlbar gewordenen Bedürfniß
entgegen kommend, wird das verdienstvolle Unternehmen auf die dankbarste Anerken¬
nung aller Deutschen rechnen können.
Handbuch der Musikgeschichte von den ersten Anfängen bis zum Tode Beet¬
hovens, von Arrcy von Donner. Leipzig, Grunow, 1868; VI u. 608 S.
An Werken über die Geschichte der Musik ist kein Mangel, Wohl aber hat
es bisher an einem Buche gefehlt, welches, wie das obengenannte, in gleicher Weise
den Fachmusiker wie den gebildeten Kunstfreund zu befriedigen geeignet wäre. Ge¬
lehrte und umfassende Monographien über einzelne, treffliche Biographien über her-
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