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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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konnten, ihrerseits mit Hilfe der Staatsprämien Chausseen anzulegen; eigent¬
lich aber datirt der Entwurf und Ausbau eines förmlichen Chausseebaunetzes
erst aus der Zeit, wo die Eröffnung".der Ostbahn in naher Aussicht stand,
also vom Anfange des vorigen Jahrzehnts. Und noch gegenwärtig stehen
wir hinsichtlich des Reichthums an Kunststraßen relativ hinter andern Pro¬
vinzen weit zurück. Es kommen auf je 10 in Meilen in:

Chausseen überhaupt: darunter Staatschausseen:
Preußen.....5 Meilen, 2,4 Meilen,
Schlesien.....7,9 " 3,7 "
Sachsen.....10,4 " 5,5 "
Westphcilen .... 15.7 ., 7.7 "
Rheinprovinz . . . 17,8 " 6.2

Aber das ist nur der Durchschnitt; die entlegneren Kreise bleiben
weit hinter demselben zurück. In Masuren gibt es noch jetzt einen 17V-
lH Meilen großen Kreis, der nur 1'/- Meilen Chaussee hat. Viele Bewohner
der Grenzkreise haben noch gegenwärtig 8--10, manche 13 und mehr Meilen
zum Theil unchaussirten Weges zurückzulegen, ehe sie ihren Absatzort oder
die nächste Eisenbahnstation erreichen.

Noch schlimmer ist es uns mit der Eisenbahnverbindung gegangen,
und doch ist gerade diese in neuerer Zeit entscheidend für die Wege, die
der Handel einschlägt. Die ersten Eisenbahnen im preußischen Staate wurden
1838 eröffnet. 1852 besaß derselbe schon 594 Meilen Schienenwege sertig
im Betriebe -- aber noch keine einzige in unserer Provinz! Erst 1853
streckte die Ostbahn ihren eisernen Arm bis Königsberg aus; doch wurde sie
für den Güterverkehr im Großen eigentlich erst 5 Jahre später nutzbar, nach¬
dem die festen Brücken über die Weichsel und Nogat eröffnet worden waren,
und das Jahr 1860 kam heran, bevor sie bis zur russischen Grenze verlängert
wurde. --

Ebenso hatten wir bis auf die jüngste Zeit herab nur einen Kanal,
den etwa 3 Meilen langen Friedrichsgraben, der zur Umgehung des kurischen
Haffs bestimmt ist. Der nördliche Theil dieses gefährlichen Gewässers muß
noch immer von den den Riemen herabkommenden und nach Memel bestimm¬
ten Holzstößen passirt werden; alljährlich werden mehrere derselben durch
Stürme zerschlagen Und zerstreut und dem Holzhandel jener Stadt -- ihrer
hauptsächlichsten Erwerbsquelle -- empfindlicher Schaden zugefügt. Jetzt
endlich ist zur Abhilfe dieses Uebelstandes der Wilhelmskanal bei Memel in
der Anlage begriffen. Wir besitzen ferner seit einigen Jahren ein Meister¬
werk der Wasserbaukunst in dem oberländischen Kanal, der die Seen des
holzreichen Oberlandes mit Elbing verbindet. Auch an der Verbesserung der
bis dahin höchst mangelhaften Haseneinrichtungen von Pillau und Memel


konnten, ihrerseits mit Hilfe der Staatsprämien Chausseen anzulegen; eigent¬
lich aber datirt der Entwurf und Ausbau eines förmlichen Chausseebaunetzes
erst aus der Zeit, wo die Eröffnung».der Ostbahn in naher Aussicht stand,
also vom Anfange des vorigen Jahrzehnts. Und noch gegenwärtig stehen
wir hinsichtlich des Reichthums an Kunststraßen relativ hinter andern Pro¬
vinzen weit zurück. Es kommen auf je 10 in Meilen in:

Chausseen überhaupt: darunter Staatschausseen:
Preußen.....5 Meilen, 2,4 Meilen,
Schlesien.....7,9 „ 3,7 „
Sachsen.....10,4 „ 5,5 „
Westphcilen .... 15.7 ., 7.7 „
Rheinprovinz . . . 17,8 „ 6.2

Aber das ist nur der Durchschnitt; die entlegneren Kreise bleiben
weit hinter demselben zurück. In Masuren gibt es noch jetzt einen 17V-
lH Meilen großen Kreis, der nur 1'/- Meilen Chaussee hat. Viele Bewohner
der Grenzkreise haben noch gegenwärtig 8—10, manche 13 und mehr Meilen
zum Theil unchaussirten Weges zurückzulegen, ehe sie ihren Absatzort oder
die nächste Eisenbahnstation erreichen.

Noch schlimmer ist es uns mit der Eisenbahnverbindung gegangen,
und doch ist gerade diese in neuerer Zeit entscheidend für die Wege, die
der Handel einschlägt. Die ersten Eisenbahnen im preußischen Staate wurden
1838 eröffnet. 1852 besaß derselbe schon 594 Meilen Schienenwege sertig
im Betriebe — aber noch keine einzige in unserer Provinz! Erst 1853
streckte die Ostbahn ihren eisernen Arm bis Königsberg aus; doch wurde sie
für den Güterverkehr im Großen eigentlich erst 5 Jahre später nutzbar, nach¬
dem die festen Brücken über die Weichsel und Nogat eröffnet worden waren,
und das Jahr 1860 kam heran, bevor sie bis zur russischen Grenze verlängert
wurde. —

Ebenso hatten wir bis auf die jüngste Zeit herab nur einen Kanal,
den etwa 3 Meilen langen Friedrichsgraben, der zur Umgehung des kurischen
Haffs bestimmt ist. Der nördliche Theil dieses gefährlichen Gewässers muß
noch immer von den den Riemen herabkommenden und nach Memel bestimm¬
ten Holzstößen passirt werden; alljährlich werden mehrere derselben durch
Stürme zerschlagen Und zerstreut und dem Holzhandel jener Stadt — ihrer
hauptsächlichsten Erwerbsquelle — empfindlicher Schaden zugefügt. Jetzt
endlich ist zur Abhilfe dieses Uebelstandes der Wilhelmskanal bei Memel in
der Anlage begriffen. Wir besitzen ferner seit einigen Jahren ein Meister¬
werk der Wasserbaukunst in dem oberländischen Kanal, der die Seen des
holzreichen Oberlandes mit Elbing verbindet. Auch an der Verbesserung der
bis dahin höchst mangelhaften Haseneinrichtungen von Pillau und Memel


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/415>, abgerufen am 25.08.2024.