Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.vor welchem.am 12. Februar die Verhandlung stattfinden sollte. Natürlich "Wäre der Sturm hibernischer Verwünschungen, die auf die Regierung Die Wahrheit aber ist, daß selten ein thörichteres Geschrei erhoben worden Nun, die Frage, um die es sich handelt, ist nicht, ob der Freiheit der vor welchem.am 12. Februar die Verhandlung stattfinden sollte. Natürlich „Wäre der Sturm hibernischer Verwünschungen, die auf die Regierung Die Wahrheit aber ist, daß selten ein thörichteres Geschrei erhoben worden Nun, die Frage, um die es sich handelt, ist nicht, ob der Freiheit der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0394" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117398"/> <p xml:id="ID_1282" prev="#ID_1281"> vor welchem.am 12. Februar die Verhandlung stattfinden sollte. Natürlich<lb/> erscholl in allen irischen Blättern ein Schmerzensschrei über Unterdrückung<lb/> der Preßfreiheit, und dies veranlaßte die londoner Zeitung „Daily Telegraph",<lb/> für die Regierung in die Schranken zu treten. Sie that dies in einem ge¬<lb/> harnischten Leitartikel etwa folgenden Inhalts:</p><lb/> <p xml:id="ID_1283"> „Wäre der Sturm hibernischer Verwünschungen, die auf die Regierung<lb/> wegen der gegen Mr. Pigott erhobenen Anklage gerichtet werden, wäre<lb/> das Geschrei, daß die Minister einen Angriff gegen die Freiheit der Presse<lb/> unternommen haben, irgend begründet, so müßten wir Engländer je eher,<lb/> je besser an die Seite der irischen Schriftsteller treten. Lieber mag die Frei¬<lb/> heit die Gestalt der Zügellosigkeit annehmen, als daß Ordnung eintritt, wie<lb/> einst in Warschau herrschte! lieber mag etwas aufrührerischer Unsinn ungestraft<lb/> bleiben, als daß der Regierung gestattet wird, einen Präcedenzfall zu schaffen,<lb/> der in Zukunft vielleicht als Vollmacht benutzt werden könnte, die Wahrheit<lb/> zu unterdrücken. Für ministerielle Communiquv's, ministerielle Verwirrun¬<lb/> gen, ministerielle Verfolgungen wegen Aeußerung von Zweifeln an der Un¬<lb/> fehlbarkeit der Minister paßt das Klima von England nicht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1284"> Die Wahrheit aber ist, daß selten ein thörichteres Geschrei erhoben worden<lb/> ist. So wenig es der Redefreiheit Eintrag thut, daß derjenige bestraft wird,<lb/> der seinen Nachbar mündlich verleumdet, so wenig ist die englische Presse des¬<lb/> halb unfrei, weil kaum eine Woche ohne einen Verleumdungsprozeß gegen<lb/> irgendeine Zeitung vergeht, weil das Gesetz überhaupt jeden für seine Ver¬<lb/> öffentlichungen verantwortlich macht. Die französischen Tagesschriftsteller ge¬<lb/> nießen weit geringere Freiheit, als die unsrigen. Dennoch ist es keinem von<lb/> ihnen eingefallen, sich einzubilden: weil er die Leitartikel in den Debats oder<lb/> der Temps schreibe, müsse es ihm frei stehen, einen Senator zu beschuldigen,<lb/> daß er Löffel stehle, einen Minister, daß er den Markt unsicher mache, oder<lb/> einen Souverain, daß er in seinen Handlungen alle Verworfenheit aller Cae-<lb/> saren vereinige. Sie verlangen weiter nichts, als daß bei politischen Ver¬<lb/> gehen die Regierung so handle, wie die unsrige jetzt in Irland, das heißt,<lb/> daß sie den Schriftsteller, der sich vergangen hat, vor einem Gerichtshofe<lb/> verklage, die Gesetze, gegen die er verstoßen hat, einzeln aufführe, und die<lb/> Entscheidung einer Jury anheimstelle.</p><lb/> <p xml:id="ID_1285" next="#ID_1286"> Nun, die Frage, um die es sich handelt, ist nicht, ob der Freiheit der<lb/> englischen Presse engere Schranken gesteckt werden sollen, sondern ob die<lb/> irischen Organe des Fenierthums das Gesetz verletzt haben. Sie haben nicht<lb/> nur ihr unbestrittenes Recht geübt, die wegen des gemeinen Verbrechens der<lb/> Ermordung eines Polizeibeamten Hingerichteten Männer Märtyrer zu nennen,<lb/> sondern Aufruhr, Niederbrennen der Landhäuser, Niedermetzelung der einen<lb/> Race durch die andere in den klarsten Worten gepredigt, kurz, ihr Möglichstes</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0394]
vor welchem.am 12. Februar die Verhandlung stattfinden sollte. Natürlich
erscholl in allen irischen Blättern ein Schmerzensschrei über Unterdrückung
der Preßfreiheit, und dies veranlaßte die londoner Zeitung „Daily Telegraph",
für die Regierung in die Schranken zu treten. Sie that dies in einem ge¬
harnischten Leitartikel etwa folgenden Inhalts:
„Wäre der Sturm hibernischer Verwünschungen, die auf die Regierung
wegen der gegen Mr. Pigott erhobenen Anklage gerichtet werden, wäre
das Geschrei, daß die Minister einen Angriff gegen die Freiheit der Presse
unternommen haben, irgend begründet, so müßten wir Engländer je eher,
je besser an die Seite der irischen Schriftsteller treten. Lieber mag die Frei¬
heit die Gestalt der Zügellosigkeit annehmen, als daß Ordnung eintritt, wie
einst in Warschau herrschte! lieber mag etwas aufrührerischer Unsinn ungestraft
bleiben, als daß der Regierung gestattet wird, einen Präcedenzfall zu schaffen,
der in Zukunft vielleicht als Vollmacht benutzt werden könnte, die Wahrheit
zu unterdrücken. Für ministerielle Communiquv's, ministerielle Verwirrun¬
gen, ministerielle Verfolgungen wegen Aeußerung von Zweifeln an der Un¬
fehlbarkeit der Minister paßt das Klima von England nicht.
Die Wahrheit aber ist, daß selten ein thörichteres Geschrei erhoben worden
ist. So wenig es der Redefreiheit Eintrag thut, daß derjenige bestraft wird,
der seinen Nachbar mündlich verleumdet, so wenig ist die englische Presse des¬
halb unfrei, weil kaum eine Woche ohne einen Verleumdungsprozeß gegen
irgendeine Zeitung vergeht, weil das Gesetz überhaupt jeden für seine Ver¬
öffentlichungen verantwortlich macht. Die französischen Tagesschriftsteller ge¬
nießen weit geringere Freiheit, als die unsrigen. Dennoch ist es keinem von
ihnen eingefallen, sich einzubilden: weil er die Leitartikel in den Debats oder
der Temps schreibe, müsse es ihm frei stehen, einen Senator zu beschuldigen,
daß er Löffel stehle, einen Minister, daß er den Markt unsicher mache, oder
einen Souverain, daß er in seinen Handlungen alle Verworfenheit aller Cae-
saren vereinige. Sie verlangen weiter nichts, als daß bei politischen Ver¬
gehen die Regierung so handle, wie die unsrige jetzt in Irland, das heißt,
daß sie den Schriftsteller, der sich vergangen hat, vor einem Gerichtshofe
verklage, die Gesetze, gegen die er verstoßen hat, einzeln aufführe, und die
Entscheidung einer Jury anheimstelle.
Nun, die Frage, um die es sich handelt, ist nicht, ob der Freiheit der
englischen Presse engere Schranken gesteckt werden sollen, sondern ob die
irischen Organe des Fenierthums das Gesetz verletzt haben. Sie haben nicht
nur ihr unbestrittenes Recht geübt, die wegen des gemeinen Verbrechens der
Ermordung eines Polizeibeamten Hingerichteten Männer Märtyrer zu nennen,
sondern Aufruhr, Niederbrennen der Landhäuser, Niedermetzelung der einen
Race durch die andere in den klarsten Worten gepredigt, kurz, ihr Möglichstes
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