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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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wofür er gesprochen, geschrieben, gelitten, sein Leben in die Schanze geschlagen.
Und die Erfüllung sollte kommen durch den Staat, auf den er seit dem
Jahre 1848 gehofft, und auf dem Wege, den er im Vertrauen schon lange
seinen Freunden prophezeit. In der ersten Nacht seines Ministeriums wurde
das badische Heer von der Reichsarmee zurückgerufen und Waffenstillstand von
den Preußen gefordert. Seitdem betrieb er mit unübertrefflicher Energie
die neuen Organisationen welche nothwendig wurden, um Baden der Ver¬
fassung des Bundesstaates anzupassen. Alles hatte er in der Stille fertig
gemacht für den bevorstehenden Eintritt, nie war seine Stimmung gehobener
gewesen als jetzt, wo er die Last von drei Ministerien auf seinen Schultern
trug. Da, -- wenige Wochen vor der Entscheidung -- starb er. Ob kurz
vor dem Tage, an welchem dem großen Werk, das auch ein Werk seines
Lebens gewesen war, die Krone der Vollendung aufgesetzt werden sollte, ob
kurz vor einer Enttäuschung, vor neuen Anläufen und vieljähriger Arbeit
der Besten?--

Er starb, die Hand der geliebten Frau in der seinen.

Ungezählt ist die Fülle von Talenten und Charakteren, welche der gute
Geist unserer Nation seit den letzten Geschlechtern verwandthat, um uns aus
der Dürftigkeit, Enge und Zersplitterung deutschen Lebens herauszuheben.
Ungezählt sind die pflichtvollen Beamten, Geschäftsmänner, Volkslehrer, welche
in den kleinen Kreisen des viel getheilten Deutschlands ihr Leben aufwandten,
zu bewahren, zu regieren und fortzubilden. Aber die stille, dauerhafte, liebe¬
volle Arbeit derer, welche mit ergrauenden Haar unter uns leben, ist wohl
werth, daß wir sie aufsuchen und rühmen, denn was wir gewonnen haben
und noch zu erreichen hoffen, das beruht auf ihrer geduldigen Thatkraft
und ihrer Hingabe an die Pflicht.

Aus dieser politischen Lehrzeit unseres Volkes erhob sich sein Bild, stets
wachsend mit der Größe der Aufgaben. Ein klarer, scharfblickender Geist,
durch keinen Schein zu bestechen, ein selbstloser Sinn, der nur den Erfolg der
Sachen, nie den eigenen suchte, vor allem ein festes, tapferes Herz. In
ruhiger Zeit bescheiden, gemächlich, dauerhaft regelmäßiger Arbeit hingegeben,
stellte er sich in der Noth, wo andere verwirrt und betäubt des Entschlusses
entbehrten, mit heiterer Ueberlegenheit auf die gefährlichste Stelle, ihm be¬
flügelte die Gefahr Willen und Erfindung, er kannte keine Furcht; wie aus
Erz gefügt, in festem Selbstvertrauen begeisterte er durch die Gewalt seines
Wesens die Freunde, schreckte die Gegner.

Es war das Leben eines großen und guten Mannes.


G. F.


wofür er gesprochen, geschrieben, gelitten, sein Leben in die Schanze geschlagen.
Und die Erfüllung sollte kommen durch den Staat, auf den er seit dem
Jahre 1848 gehofft, und auf dem Wege, den er im Vertrauen schon lange
seinen Freunden prophezeit. In der ersten Nacht seines Ministeriums wurde
das badische Heer von der Reichsarmee zurückgerufen und Waffenstillstand von
den Preußen gefordert. Seitdem betrieb er mit unübertrefflicher Energie
die neuen Organisationen welche nothwendig wurden, um Baden der Ver¬
fassung des Bundesstaates anzupassen. Alles hatte er in der Stille fertig
gemacht für den bevorstehenden Eintritt, nie war seine Stimmung gehobener
gewesen als jetzt, wo er die Last von drei Ministerien auf seinen Schultern
trug. Da, — wenige Wochen vor der Entscheidung — starb er. Ob kurz
vor dem Tage, an welchem dem großen Werk, das auch ein Werk seines
Lebens gewesen war, die Krone der Vollendung aufgesetzt werden sollte, ob
kurz vor einer Enttäuschung, vor neuen Anläufen und vieljähriger Arbeit
der Besten?--

Er starb, die Hand der geliebten Frau in der seinen.

Ungezählt ist die Fülle von Talenten und Charakteren, welche der gute
Geist unserer Nation seit den letzten Geschlechtern verwandthat, um uns aus
der Dürftigkeit, Enge und Zersplitterung deutschen Lebens herauszuheben.
Ungezählt sind die pflichtvollen Beamten, Geschäftsmänner, Volkslehrer, welche
in den kleinen Kreisen des viel getheilten Deutschlands ihr Leben aufwandten,
zu bewahren, zu regieren und fortzubilden. Aber die stille, dauerhafte, liebe¬
volle Arbeit derer, welche mit ergrauenden Haar unter uns leben, ist wohl
werth, daß wir sie aufsuchen und rühmen, denn was wir gewonnen haben
und noch zu erreichen hoffen, das beruht auf ihrer geduldigen Thatkraft
und ihrer Hingabe an die Pflicht.

Aus dieser politischen Lehrzeit unseres Volkes erhob sich sein Bild, stets
wachsend mit der Größe der Aufgaben. Ein klarer, scharfblickender Geist,
durch keinen Schein zu bestechen, ein selbstloser Sinn, der nur den Erfolg der
Sachen, nie den eigenen suchte, vor allem ein festes, tapferes Herz. In
ruhiger Zeit bescheiden, gemächlich, dauerhaft regelmäßiger Arbeit hingegeben,
stellte er sich in der Noth, wo andere verwirrt und betäubt des Entschlusses
entbehrten, mit heiterer Ueberlegenheit auf die gefährlichste Stelle, ihm be¬
flügelte die Gefahr Willen und Erfindung, er kannte keine Furcht; wie aus
Erz gefügt, in festem Selbstvertrauen begeisterte er durch die Gewalt seines
Wesens die Freunde, schreckte die Gegner.

Es war das Leben eines großen und guten Mannes.


G. F.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/384>, abgerufen am 24.08.2024.