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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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verstand er wie wenige. Kurze Monate hatte er in dem Schafhausenschen
Bankverein gearbeitet, da kam Hansemann, ihn zu werben. Dieser trug
sich mit großen Projekten; er wollte zuerst die Discontogesellschast auf
weiter Basis mit großem Capital einrichten, dann Deutschland mit einem
Netz von zusammenhängenden Banken überziehen. Mathy ließ sich be¬
stimmen, die Einrichtungsstatute der Gesellschaft auszuarbeiten, dann eine
Directorstelle bei der Discontogesellschast anzunehmen. Aber der geschäft¬
liche Verkehr mit dem unruhigen, endlos speculirenden Hansemann wurde
ihm bald unbequem und als er von Berlin aus die Gothaer Bank ge¬
gründet hatte, übernahm er bereitwillig die angebotene ruhige Stellung eines
Directors dieser Provinzialbank. Von da ging er im Jahr 1859 nach Leipzig
als Director der großen deutschen Creditgefellschaft, zumeist weil dort die
Regelung schwieriger Geschäfte und die Zurückführung des Unternehmens
auf gesunde Grundlagen ihm lockend erschien. Auch diese verantwortliche Aufgabe
hat er in wenigen Jahren mit vortrefflicher Umsicht gelöst. Er war, solange
es Gefahr und Schwierigkeiten gab, für alle diese Institute von ganzem Herzen
bei der Sache. War aber alles in ruhigem Gang und Gleis, dann empfand er
wohl, daß das Beste seiner Kraft nicht in Verwendung kam. Er that überall
feine Pflicht, er war ein gewissenhafter Dirigent und arbeitete mit der Pünkt¬
lichkeit eines Uhrwerks den jüngern Männern zum Beispiel, er übersah und
wußte alles, die Beamten respectirten und liebten ihn, die Actionäre grüßten
ihn mit inniger Hochachtung, die Institute kamen herauf und gediehen unter
seiner Leitung, für alle Schwierigkeiten und Verwicklungen fand er Auskunft
und es waren immer die größten Gesichtspunkte, auf welche er drang. Aber
er sah allerdings ohne sonderliche Hochachtung auf die Börsengeschäftigkeit
und Procentmühen herab, und er, der Leiter von drei Bankgeschäften, hatte,
um alles zu sagen, eine sehr souveräne Stimmung gegen die Sorge seiner
Kunden, reich zu werden und starke Mißachtung gegen die Usancen und
Kunstgriffe, welche bei der Mehrzahl auch der ehrlichen Geschäftsmänner für
erlaubt gelten. Es wird hier nicht ohne Absicht erwähnt, daß er, der die
letzten 13 Jahre seines Lebens mitten über den größten Geldgeschäften lebte,
und Gehalte bezog, welche in Deutschland immerhin für hoch gelten, bei
seinem Tode an Ersparnissen nicht soviel hinterlassen hat, daß von den Zinsen
eine gebildete Familie mit den mäßigsten Ansprüchen in. größerer Stadt
leben könnte. -- Im Jahr 1855 hatte er sein letztes Kind, Karl, während
dessen Universitätszeit verloren. Was war ihm und seiner Gattin das Geld!

In sehr verschiedenartiger Arbeit war er umhergezogen; selten war ihm
länger als drei Jahre vergönnt gewesen, an einem Ort zu weilen, aber in
der mannigfaltigsten Thätigkeit unter Alemannen, Märkern, Thüringern,
Sachsen war die große Idee, für die er lebte, immer stetig und immer die-


verstand er wie wenige. Kurze Monate hatte er in dem Schafhausenschen
Bankverein gearbeitet, da kam Hansemann, ihn zu werben. Dieser trug
sich mit großen Projekten; er wollte zuerst die Discontogesellschast auf
weiter Basis mit großem Capital einrichten, dann Deutschland mit einem
Netz von zusammenhängenden Banken überziehen. Mathy ließ sich be¬
stimmen, die Einrichtungsstatute der Gesellschaft auszuarbeiten, dann eine
Directorstelle bei der Discontogesellschast anzunehmen. Aber der geschäft¬
liche Verkehr mit dem unruhigen, endlos speculirenden Hansemann wurde
ihm bald unbequem und als er von Berlin aus die Gothaer Bank ge¬
gründet hatte, übernahm er bereitwillig die angebotene ruhige Stellung eines
Directors dieser Provinzialbank. Von da ging er im Jahr 1859 nach Leipzig
als Director der großen deutschen Creditgefellschaft, zumeist weil dort die
Regelung schwieriger Geschäfte und die Zurückführung des Unternehmens
auf gesunde Grundlagen ihm lockend erschien. Auch diese verantwortliche Aufgabe
hat er in wenigen Jahren mit vortrefflicher Umsicht gelöst. Er war, solange
es Gefahr und Schwierigkeiten gab, für alle diese Institute von ganzem Herzen
bei der Sache. War aber alles in ruhigem Gang und Gleis, dann empfand er
wohl, daß das Beste seiner Kraft nicht in Verwendung kam. Er that überall
feine Pflicht, er war ein gewissenhafter Dirigent und arbeitete mit der Pünkt¬
lichkeit eines Uhrwerks den jüngern Männern zum Beispiel, er übersah und
wußte alles, die Beamten respectirten und liebten ihn, die Actionäre grüßten
ihn mit inniger Hochachtung, die Institute kamen herauf und gediehen unter
seiner Leitung, für alle Schwierigkeiten und Verwicklungen fand er Auskunft
und es waren immer die größten Gesichtspunkte, auf welche er drang. Aber
er sah allerdings ohne sonderliche Hochachtung auf die Börsengeschäftigkeit
und Procentmühen herab, und er, der Leiter von drei Bankgeschäften, hatte,
um alles zu sagen, eine sehr souveräne Stimmung gegen die Sorge seiner
Kunden, reich zu werden und starke Mißachtung gegen die Usancen und
Kunstgriffe, welche bei der Mehrzahl auch der ehrlichen Geschäftsmänner für
erlaubt gelten. Es wird hier nicht ohne Absicht erwähnt, daß er, der die
letzten 13 Jahre seines Lebens mitten über den größten Geldgeschäften lebte,
und Gehalte bezog, welche in Deutschland immerhin für hoch gelten, bei
seinem Tode an Ersparnissen nicht soviel hinterlassen hat, daß von den Zinsen
eine gebildete Familie mit den mäßigsten Ansprüchen in. größerer Stadt
leben könnte. — Im Jahr 1855 hatte er sein letztes Kind, Karl, während
dessen Universitätszeit verloren. Was war ihm und seiner Gattin das Geld!

In sehr verschiedenartiger Arbeit war er umhergezogen; selten war ihm
länger als drei Jahre vergönnt gewesen, an einem Ort zu weilen, aber in
der mannigfaltigsten Thätigkeit unter Alemannen, Märkern, Thüringern,
Sachsen war die große Idee, für die er lebte, immer stetig und immer die-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/382>, abgerufen am 24.08.2024.