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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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diese unbestimmten Ideen sich lauterem und umformten, bis sie zu praktisch
greifbaren Forderungen wurden, aber auch, wie viele warmherzige Männer
in Verbitterung und Irrfahrten sich verloren. Uns erscheint jetzt Manches
in dieser Zeit der Bewegung als schwächlich; es waren in Wahrheit harte,
aufreibende und menschenvertilgende Kämpfe zwischen geliebten Traumbildern
und schlechter Wirklichkeit, und die Nachwelt wird auch den Opfern ihre Theil¬
nahme nicht versagen.

Mathy begann seine politische Thätigkeit als Journalist zuerst auf den
anspruchslosen Seiten des Karlsruher Unterhaltungsblattes (III. Jahrg. 1830):
Natur- und Völkerleben, kleine Geschichten, Aphorismen. Schnell wuchsen
ihm die Schwingen; er wurde politischer Korrespondent anderer Localblätter
und Zeitungen, seit dem Jahre 1832 der eigentliche Redacteur der Zeitschrift
"Der Zeitgeist" (Karlsruhe bei Hasper, 1832 -- 34, zweimal, dann dreimal
wöchentlich). Es war ein wesentlich politisches Volksblatt mit belehrender
Tendenz, welches die politischen Neuigkeiten in prägnanter Uebersicht zusammen¬
faßte, Correspondenzen über locale Angelegenheiten brachte, vor allem Artikel
über Tagesfragen, über Pflichten und Rechte des Staatsbürgers gegen Tyrannei
und Uebergriffe der Beamten, über Verfassung und öffentliches Recht des
Auslandes u, s. w. Diese alle im Sinn des damaligen Liberalismus,
für dessen glänzendes Vorbild officiell Rotteck galt. Aber schon ist das
selbständige Urtheil des jungen Journalisten bemerkenswerth, die Klar¬
heit seines Stils, die Ehrlichkeit seiner Ueberzeugung, mit Vorliebe sind
national-ökonomische und sociale Fragen behandelt, mit tüchtiger Fachbil¬
dung; überall spricht ein warmherziger Deutscher, der sein Volk gegen
alle Fremden zu rühmen begierig ist. Die Zeitschrift machte großes Aufsehen
in Baden, nicht zuletzt bei den Beamten; die Autorschaft Mathy's blieb
kein Geheimniß, er wurde gefürchtet und mißliebig. Der Censor bekam
Weisungen, die Censurstriche wurden zahlreich, und -- was damals noch er¬
laubt war, -- durch leere Stellen im Texte angedeutet. Doch wollte die Re¬
gierung den hoffnungsvollen Beamten nicht verlieren; man hatte ihm, um
ihn zu gewinnen, zu den 400 Gulden seines Gehaltes noch lohnende Neben¬
arbeit überwiesen, jetzt häufte man die Acten in seiner Stube, um ihm die
journalistischen Allotria unmöglich zu machen. Das war vergebens, seine Ar¬
beitsfähigkeit schien unbegrenzt, er schriebin der Nacht, und nicht nur in den
Zeitgeist, auch als Correspondent der Augsburger Allgemeinen und anderer
Blätter. Sein wohlwollender Chef, Finanzminister Böckh, ließ ihn kommen'
"Wenn Sie sich entschließen können, Ihre ganze Kraft der Regierung zur
Disposition zu stellen, sollen Sie eine Carriere machen, wie noch nie jemand
in Baden". Darauf Mathy: "Das heißt ja wohl, ich soll für die Regierung
schreiben?" Böckh: "Allerdings." Mathy: "Nun. Excellenz, mit Ihnen


diese unbestimmten Ideen sich lauterem und umformten, bis sie zu praktisch
greifbaren Forderungen wurden, aber auch, wie viele warmherzige Männer
in Verbitterung und Irrfahrten sich verloren. Uns erscheint jetzt Manches
in dieser Zeit der Bewegung als schwächlich; es waren in Wahrheit harte,
aufreibende und menschenvertilgende Kämpfe zwischen geliebten Traumbildern
und schlechter Wirklichkeit, und die Nachwelt wird auch den Opfern ihre Theil¬
nahme nicht versagen.

Mathy begann seine politische Thätigkeit als Journalist zuerst auf den
anspruchslosen Seiten des Karlsruher Unterhaltungsblattes (III. Jahrg. 1830):
Natur- und Völkerleben, kleine Geschichten, Aphorismen. Schnell wuchsen
ihm die Schwingen; er wurde politischer Korrespondent anderer Localblätter
und Zeitungen, seit dem Jahre 1832 der eigentliche Redacteur der Zeitschrift
„Der Zeitgeist" (Karlsruhe bei Hasper, 1832 — 34, zweimal, dann dreimal
wöchentlich). Es war ein wesentlich politisches Volksblatt mit belehrender
Tendenz, welches die politischen Neuigkeiten in prägnanter Uebersicht zusammen¬
faßte, Correspondenzen über locale Angelegenheiten brachte, vor allem Artikel
über Tagesfragen, über Pflichten und Rechte des Staatsbürgers gegen Tyrannei
und Uebergriffe der Beamten, über Verfassung und öffentliches Recht des
Auslandes u, s. w. Diese alle im Sinn des damaligen Liberalismus,
für dessen glänzendes Vorbild officiell Rotteck galt. Aber schon ist das
selbständige Urtheil des jungen Journalisten bemerkenswerth, die Klar¬
heit seines Stils, die Ehrlichkeit seiner Ueberzeugung, mit Vorliebe sind
national-ökonomische und sociale Fragen behandelt, mit tüchtiger Fachbil¬
dung; überall spricht ein warmherziger Deutscher, der sein Volk gegen
alle Fremden zu rühmen begierig ist. Die Zeitschrift machte großes Aufsehen
in Baden, nicht zuletzt bei den Beamten; die Autorschaft Mathy's blieb
kein Geheimniß, er wurde gefürchtet und mißliebig. Der Censor bekam
Weisungen, die Censurstriche wurden zahlreich, und — was damals noch er¬
laubt war, — durch leere Stellen im Texte angedeutet. Doch wollte die Re¬
gierung den hoffnungsvollen Beamten nicht verlieren; man hatte ihm, um
ihn zu gewinnen, zu den 400 Gulden seines Gehaltes noch lohnende Neben¬
arbeit überwiesen, jetzt häufte man die Acten in seiner Stube, um ihm die
journalistischen Allotria unmöglich zu machen. Das war vergebens, seine Ar¬
beitsfähigkeit schien unbegrenzt, er schriebin der Nacht, und nicht nur in den
Zeitgeist, auch als Correspondent der Augsburger Allgemeinen und anderer
Blätter. Sein wohlwollender Chef, Finanzminister Böckh, ließ ihn kommen'
„Wenn Sie sich entschließen können, Ihre ganze Kraft der Regierung zur
Disposition zu stellen, sollen Sie eine Carriere machen, wie noch nie jemand
in Baden". Darauf Mathy: „Das heißt ja wohl, ich soll für die Regierung
schreiben?" Böckh: „Allerdings." Mathy: „Nun. Excellenz, mit Ihnen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/374>, abgerufen am 24.08.2024.