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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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ertheilen. Mit 14 Jahren begann auch Karl Privatstunden zu geben, bald
trug er zur Erhaltung der Familie seinen Theil bei. Neben den Schulstunden
gab'er den ganzen Tag Unterricht, seine Aufgaben arbeitete er in der Nacht.

Im Herbst 1824 bezog Karl die Universität Heidelberg, dort Cameralia
zu hören, ein Studium, welches von der Regierung begünstigt wurde und
dem jungen Beamten eine gute Laufbahn in Aussicht stellte. Auch auf der
Universität wurde Mathy seiner verwittweten Mutter und den jüngern Ge¬
schwistern eine unentbehrliche Stütze, er selbst lernte, während er Ausländer
im Deutschen unterrichtete, fertig französisch, im letzten Jahr englisch. Er war
ein guter Lehrer und es fehlte ihm nie an Gelegenheit zum Unterricht. Unter
diesen Verhältnissen erhielt er in den Jahren, wo sonst der junge Mann
durch das Vaterhaus erhalten wird, eine seltene Festigkeit und Selbständig¬
keit der Existenz. Dabei war er nach den Begriffen der Jugend ein tüch¬
tiger Student, natürlich Burschenschafter; still, fest, zuverlässig, stets gesam¬
melt, übte er den größten Einfluß auf seine Bekannten, unter denen er
sich auch als ausdauernder Kamerad in fröhlicher Geselligkeit und Ge¬
sang bewährte. Als später sein eigener Sohn Karl in derselben Ver¬
bindung zu Heidelberg war, riefen diesen seine Freunde zur Durchsicht des
Buches, in welches seit früheren Studentengeschlechtern die Duelle eingezeichnet
wurden, und wiesen ihm, daß sein Vater unter anderem an einem Morgen
zweimal auf Mensur gestanden hatte. Und als der Sohn dies dem Vater
berichtete, mußte dieser sagen: ich werde den Vätern schreiben, sie sollen sich
hüten, ihre Söhne auf dieselbe Universität zu schicken, wo sie ihre Streiche
gemacht haben. In den Universitätsjah^en geschah es auch, daß Mathy
einst mit einem Freunde zu Manheim im Winter einen Hund seine Schwimm¬
kunst im Rhein versuchen ließ. Der Hund verlor im kalten Wasser die Kraft
und war im Begriff unterzugehn, da warf sich Mathy in den Rhein, rettete
das Thier und kam zum Schrecken seiner Familie triefend und erstarrt nach
Hause.

In zwei und einem halben Jahr hatte er nach damaligem Brauch als
fleißiger Hörer seine Studien vollendet; er blieb im Jahr 1827 in Heidelberg,
gab Privatstunden und benutzte die Muße, zu dem Französischen, das er fer¬
tig sprach, auch englisch zu lernen. Der Aufenthalt in Heidelberg und seine
Privatstunden hatten ihm die Bekanntschaft von Franzosen und Engländern
zugeführt, das Interesse an der Fremde vergrößert. Die Begeisterung der
Jugend und die Sehnsucht nach thatkräftigen Wagniß waren in ihm mäch¬
tig geworden und es war eine heiße Flamme, welche in feinem ernsten, zu¬
sammengefaßten Wesen aufbrannte. Jetzt stand er vor der Aussicht, in
einem kleinen Staat als Rad in die Maschine eingefügt zu werden, und
in seiner Aktenstube dahinzuleben. Da faßte ihn mit unwiderstehlicher Ge-


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ertheilen. Mit 14 Jahren begann auch Karl Privatstunden zu geben, bald
trug er zur Erhaltung der Familie seinen Theil bei. Neben den Schulstunden
gab'er den ganzen Tag Unterricht, seine Aufgaben arbeitete er in der Nacht.

Im Herbst 1824 bezog Karl die Universität Heidelberg, dort Cameralia
zu hören, ein Studium, welches von der Regierung begünstigt wurde und
dem jungen Beamten eine gute Laufbahn in Aussicht stellte. Auch auf der
Universität wurde Mathy seiner verwittweten Mutter und den jüngern Ge¬
schwistern eine unentbehrliche Stütze, er selbst lernte, während er Ausländer
im Deutschen unterrichtete, fertig französisch, im letzten Jahr englisch. Er war
ein guter Lehrer und es fehlte ihm nie an Gelegenheit zum Unterricht. Unter
diesen Verhältnissen erhielt er in den Jahren, wo sonst der junge Mann
durch das Vaterhaus erhalten wird, eine seltene Festigkeit und Selbständig¬
keit der Existenz. Dabei war er nach den Begriffen der Jugend ein tüch¬
tiger Student, natürlich Burschenschafter; still, fest, zuverlässig, stets gesam¬
melt, übte er den größten Einfluß auf seine Bekannten, unter denen er
sich auch als ausdauernder Kamerad in fröhlicher Geselligkeit und Ge¬
sang bewährte. Als später sein eigener Sohn Karl in derselben Ver¬
bindung zu Heidelberg war, riefen diesen seine Freunde zur Durchsicht des
Buches, in welches seit früheren Studentengeschlechtern die Duelle eingezeichnet
wurden, und wiesen ihm, daß sein Vater unter anderem an einem Morgen
zweimal auf Mensur gestanden hatte. Und als der Sohn dies dem Vater
berichtete, mußte dieser sagen: ich werde den Vätern schreiben, sie sollen sich
hüten, ihre Söhne auf dieselbe Universität zu schicken, wo sie ihre Streiche
gemacht haben. In den Universitätsjah^en geschah es auch, daß Mathy
einst mit einem Freunde zu Manheim im Winter einen Hund seine Schwimm¬
kunst im Rhein versuchen ließ. Der Hund verlor im kalten Wasser die Kraft
und war im Begriff unterzugehn, da warf sich Mathy in den Rhein, rettete
das Thier und kam zum Schrecken seiner Familie triefend und erstarrt nach
Hause.

In zwei und einem halben Jahr hatte er nach damaligem Brauch als
fleißiger Hörer seine Studien vollendet; er blieb im Jahr 1827 in Heidelberg,
gab Privatstunden und benutzte die Muße, zu dem Französischen, das er fer¬
tig sprach, auch englisch zu lernen. Der Aufenthalt in Heidelberg und seine
Privatstunden hatten ihm die Bekanntschaft von Franzosen und Engländern
zugeführt, das Interesse an der Fremde vergrößert. Die Begeisterung der
Jugend und die Sehnsucht nach thatkräftigen Wagniß waren in ihm mäch¬
tig geworden und es war eine heiße Flamme, welche in feinem ernsten, zu¬
sammengefaßten Wesen aufbrannte. Jetzt stand er vor der Aussicht, in
einem kleinen Staat als Rad in die Maschine eingefügt zu werden, und
in seiner Aktenstube dahinzuleben. Da faßte ihn mit unwiderstehlicher Ge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/371>, abgerufen am 24.08.2024.