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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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erschossen werde, so müsse er seinen vorjährigen John, ein Pfund, zurückzahlen.
Wie ganz anders die Ritter früherer Zeit, von denen einer es mit taufend
Ungarn aufgenommen hatte. Darum sei denn aber auch der Friede mit den
Ungarn nicht besser ausgefallen und die furchtbaren Verheerungen des Landes
ungerochen geblieben.

Noch einmal aber nahm der Dichter die schon aufgegebene Figur des
Knappen wieder hervor, als es galt, vor Albrecht, der 1298 den östreichischen
Herzogshut mit der deutschen Königskrone (VIII.) vertauscht hatte, den Glück¬
wunsch des Landes zu tragen. Von der früheren Verabschiedung des Knappen
ist daher keine Rede; er unterhält sich wie in alter Zeit mit dem Ritter.
Auch die meisten Gegenstände des Gesprächs sind nicht gerade neu; die frem¬
den Moden, der Geiz des Dienstadels, das alles wiederholt sich. Aber neu
ist die ausführliche Hervorhebung eines innigen Verhältnisses der Dienst¬
mannen zum untersten Stande, den Bauern. Natürlich, daß hierdurch der
Ritter seine Interessen aufs schwerste bedroht glaubt. Anschaulich wird ge¬
schildert, wie ein reichgewordener Bauer keck genug ist, nach einer ritterlichen
Braut zu blicken; und leider gibt es genug adelige Väter, die reich an
Kindern, aber arm an Gütern diese schmachvolle Verbindung eingehen. Die
Kinder dieser Ehen werden dann als einschildige Ritter von den Dienstmannen
bevorzugt: so erscheint der Bauer Engelmar aus einmal mit dem pompösen
Namen Herr Eberrausch. Doch freilich so wenig wie die Osterweihe der
Lämmer einem dabeistehenden Böcklein zu Gute komme, so wenig helfe einem
solchen Bauern der Rittersegen. Wollte Gott, daß er auf einmal anstatt des
Schildes ein Sandbrett, anstatt des Schwertes einen Neutelstab trüge, daß
ihm sein seidener Beutel zum Säetuch und seine Gürtelborte zu einem han¬
fenen Futterstrick würde! Sei doch -- und in diesem Glauben stand unser
Dichter nicht allein -- von Julius Caesar den Deutschen verliehen worden,
daß man den höheren Stand durch Jhrzen unterscheide; wie noch Herzog
Leupold den Bauern verboten habe, Schwerter zu tragen und Wildpret oder
Fisch zu essen. Alles dies wünscht der Knappe dem neuen König vortragen
zu können, dem das Land noch immer am Herzen liegen werde, wenn er es
auch schon seinem Sohne übertragen habe. Aber der Ritter verweist ihm das
er solle seine Rede lieber auf die Geschichte des Landes richten. Er solle
also mit den Babenbergern, dem Kreuzzug Leupold's VI., beginnen, dann auf
die Gewaltherrschaft des Böhmen, die einmüthige Wahl Rudolph's zu sprechen
kommen. Der Knappe meint dagegen, das brauche man dem Könige nicht
erst zu erzählen; der wisse das selbst am besten. Für diese kecke Unterbrechung
entläßt ihn der Ritter aus seinem Dienst, wird aber doch von Herzen ein¬
gestimmt haben in die Schlußworte des Knappen: ,Was auch die Kriege uns
gethan, dies ist ein gutes Ländelein: Das soll man spüren noch am Rhein-


erschossen werde, so müsse er seinen vorjährigen John, ein Pfund, zurückzahlen.
Wie ganz anders die Ritter früherer Zeit, von denen einer es mit taufend
Ungarn aufgenommen hatte. Darum sei denn aber auch der Friede mit den
Ungarn nicht besser ausgefallen und die furchtbaren Verheerungen des Landes
ungerochen geblieben.

Noch einmal aber nahm der Dichter die schon aufgegebene Figur des
Knappen wieder hervor, als es galt, vor Albrecht, der 1298 den östreichischen
Herzogshut mit der deutschen Königskrone (VIII.) vertauscht hatte, den Glück¬
wunsch des Landes zu tragen. Von der früheren Verabschiedung des Knappen
ist daher keine Rede; er unterhält sich wie in alter Zeit mit dem Ritter.
Auch die meisten Gegenstände des Gesprächs sind nicht gerade neu; die frem¬
den Moden, der Geiz des Dienstadels, das alles wiederholt sich. Aber neu
ist die ausführliche Hervorhebung eines innigen Verhältnisses der Dienst¬
mannen zum untersten Stande, den Bauern. Natürlich, daß hierdurch der
Ritter seine Interessen aufs schwerste bedroht glaubt. Anschaulich wird ge¬
schildert, wie ein reichgewordener Bauer keck genug ist, nach einer ritterlichen
Braut zu blicken; und leider gibt es genug adelige Väter, die reich an
Kindern, aber arm an Gütern diese schmachvolle Verbindung eingehen. Die
Kinder dieser Ehen werden dann als einschildige Ritter von den Dienstmannen
bevorzugt: so erscheint der Bauer Engelmar aus einmal mit dem pompösen
Namen Herr Eberrausch. Doch freilich so wenig wie die Osterweihe der
Lämmer einem dabeistehenden Böcklein zu Gute komme, so wenig helfe einem
solchen Bauern der Rittersegen. Wollte Gott, daß er auf einmal anstatt des
Schildes ein Sandbrett, anstatt des Schwertes einen Neutelstab trüge, daß
ihm sein seidener Beutel zum Säetuch und seine Gürtelborte zu einem han¬
fenen Futterstrick würde! Sei doch — und in diesem Glauben stand unser
Dichter nicht allein — von Julius Caesar den Deutschen verliehen worden,
daß man den höheren Stand durch Jhrzen unterscheide; wie noch Herzog
Leupold den Bauern verboten habe, Schwerter zu tragen und Wildpret oder
Fisch zu essen. Alles dies wünscht der Knappe dem neuen König vortragen
zu können, dem das Land noch immer am Herzen liegen werde, wenn er es
auch schon seinem Sohne übertragen habe. Aber der Ritter verweist ihm das
er solle seine Rede lieber auf die Geschichte des Landes richten. Er solle
also mit den Babenbergern, dem Kreuzzug Leupold's VI., beginnen, dann auf
die Gewaltherrschaft des Böhmen, die einmüthige Wahl Rudolph's zu sprechen
kommen. Der Knappe meint dagegen, das brauche man dem Könige nicht
erst zu erzählen; der wisse das selbst am besten. Für diese kecke Unterbrechung
entläßt ihn der Ritter aus seinem Dienst, wird aber doch von Herzen ein¬
gestimmt haben in die Schlußworte des Knappen: ,Was auch die Kriege uns
gethan, dies ist ein gutes Ländelein: Das soll man spüren noch am Rhein-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/343>, abgerufen am 24.08.2024.