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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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gesehen: und er vertrat die niedere Ritterschaft, den eigentlichen Mittelstand,
der nebst den Bauern noch am meisten das Wohl des Ganzen bedachte.
Schlimmer stand es mit den Städten und mit dem Dienstadel. Wien hatte
zuerst von Kaiser Friedrich II. die Rechte einer freien Reichsstadt, und von
Rudolph in der Noth vor der Schlacht auf dem Marchfelde wenn auch, wie
es scheint, nicht deren Bestätigung, doch auf jeden Fall ausgedehnte Frei¬
heiten erhalten. Aber Albrecht war nicht gewillt, seine beste Stadt aus der
Hand zu geben: ungescheut verletzte er die städtische Verfassung und brachte
das ausständische Stadtvolk durch Absperrung aller Zufuhr zur Ergebung.
Dies war 1288 geschehen, noch unter König Rudolph. Damals hatten die
Landherren zugesehn, vielleicht daß sie mit den Krämern nichts zu schaffen
haben wollten. Jetzt aber, nach Rudolphs Tod, traten auch sie aufrührerisch
zusammen. Daß ein Aufstand der Steirer 1292 trotz der Unterstützung durch
die Baiern und den Erzbischof von Salzburg von Albrecht schnell unter¬
drückt wurde, schreckte sie nicht ab. In Trübensee hielten sie ihre Zusammen¬
kunft; sie sandten ihre Boten an König Adolph, an den Böhmenkönig., ja
selbst an den schlimmsten Landesfeind, Iwan von Güssing. Aber Albrecht
hielt auch hier Stand. Die wirklich begründeten Beschwerden, vor allem die
Begünstigung der Schwaben, stellte er ab, die weitergehenden Forderungen
aber wies er zurück und warf die zu offenkundigem Aufstand und Landes-
verrath Fortgeschrittener mit aller Kraft nieder. So zerstob die Verschwörung
und diente nur dazu, den Herzog bei dem Kerne des Landes beliebt zu machen.

Diesen Umschwung können wir gerade an unserem Dichter deutlich wahr¬
nehmen. Wir sehen. wie ihm, dem anfänglichen Feind, dann lauen Freunde
des neuen Herrschergeschlechtes, nun die Augen aufgingen, wie er nun allein
im Anschluß an Albrecht das Heil des Landes und namentlich seines Stan¬
des erblickte. Er stellt (IV), die Auflehnungsversuche der vornehmen Ritter¬
schaft dar als eine Verschwörung von vier Landherren, die das Herzogthum
Oestreich mit Hilfe des Königs Adolph in vier Markgrasschaften hätten theilen
wollen. Die Verschwornen, die er mit halbversteckenden Namen Lachsen¬
brecht, Rüdensmer, Juflof und Henneriuch nennt -- wahrscheinlich find Alber
von Buchheim, Heinrich von Lichtenstein, Conrad von Sumerau, Leutolt
von Kunringen gemeint -- läßt er im Walde bei einer Jagd von seinem
Knappen belauschen. Den Herzog mit seinen Schwaben wollen sie zum Land
hinaus haben, ihre Partei in Wien und sonst begünstigen, die niedre Ritter¬
schaft aber unterdrücken. Beim Heimritt wird der Knappe befragt, wie die
Jagd ausgefallen sei. Er erwiedert, die Hunde Falsch, Haß und Neid seien
allerdings gar gut gelaufen. Fürst sei auf der rechten Fährte gewesen, und
als Fuchs und Wolf ihm tückisch nachschlichen, habe er ihnen die Zähne ge¬
zeigt, sodaß sie bang zurückgewichen seien. Treu lag zu Boden, fest an einen


gesehen: und er vertrat die niedere Ritterschaft, den eigentlichen Mittelstand,
der nebst den Bauern noch am meisten das Wohl des Ganzen bedachte.
Schlimmer stand es mit den Städten und mit dem Dienstadel. Wien hatte
zuerst von Kaiser Friedrich II. die Rechte einer freien Reichsstadt, und von
Rudolph in der Noth vor der Schlacht auf dem Marchfelde wenn auch, wie
es scheint, nicht deren Bestätigung, doch auf jeden Fall ausgedehnte Frei¬
heiten erhalten. Aber Albrecht war nicht gewillt, seine beste Stadt aus der
Hand zu geben: ungescheut verletzte er die städtische Verfassung und brachte
das ausständische Stadtvolk durch Absperrung aller Zufuhr zur Ergebung.
Dies war 1288 geschehen, noch unter König Rudolph. Damals hatten die
Landherren zugesehn, vielleicht daß sie mit den Krämern nichts zu schaffen
haben wollten. Jetzt aber, nach Rudolphs Tod, traten auch sie aufrührerisch
zusammen. Daß ein Aufstand der Steirer 1292 trotz der Unterstützung durch
die Baiern und den Erzbischof von Salzburg von Albrecht schnell unter¬
drückt wurde, schreckte sie nicht ab. In Trübensee hielten sie ihre Zusammen¬
kunft; sie sandten ihre Boten an König Adolph, an den Böhmenkönig., ja
selbst an den schlimmsten Landesfeind, Iwan von Güssing. Aber Albrecht
hielt auch hier Stand. Die wirklich begründeten Beschwerden, vor allem die
Begünstigung der Schwaben, stellte er ab, die weitergehenden Forderungen
aber wies er zurück und warf die zu offenkundigem Aufstand und Landes-
verrath Fortgeschrittener mit aller Kraft nieder. So zerstob die Verschwörung
und diente nur dazu, den Herzog bei dem Kerne des Landes beliebt zu machen.

Diesen Umschwung können wir gerade an unserem Dichter deutlich wahr¬
nehmen. Wir sehen. wie ihm, dem anfänglichen Feind, dann lauen Freunde
des neuen Herrschergeschlechtes, nun die Augen aufgingen, wie er nun allein
im Anschluß an Albrecht das Heil des Landes und namentlich seines Stan¬
des erblickte. Er stellt (IV), die Auflehnungsversuche der vornehmen Ritter¬
schaft dar als eine Verschwörung von vier Landherren, die das Herzogthum
Oestreich mit Hilfe des Königs Adolph in vier Markgrasschaften hätten theilen
wollen. Die Verschwornen, die er mit halbversteckenden Namen Lachsen¬
brecht, Rüdensmer, Juflof und Henneriuch nennt — wahrscheinlich find Alber
von Buchheim, Heinrich von Lichtenstein, Conrad von Sumerau, Leutolt
von Kunringen gemeint — läßt er im Walde bei einer Jagd von seinem
Knappen belauschen. Den Herzog mit seinen Schwaben wollen sie zum Land
hinaus haben, ihre Partei in Wien und sonst begünstigen, die niedre Ritter¬
schaft aber unterdrücken. Beim Heimritt wird der Knappe befragt, wie die
Jagd ausgefallen sei. Er erwiedert, die Hunde Falsch, Haß und Neid seien
allerdings gar gut gelaufen. Fürst sei auf der rechten Fährte gewesen, und
als Fuchs und Wolf ihm tückisch nachschlichen, habe er ihnen die Zähne ge¬
zeigt, sodaß sie bang zurückgewichen seien. Treu lag zu Boden, fest an einen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/341>, abgerufen am 24.08.2024.