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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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Auch hier hat der Dichter einen bestimmten Fall im Sinne; denn um solcher
Leute willen hatte der Sommerfeldzug gegen Iwan von Güsfing unterbrochen
werden müssen. Hierauf folgt der Prahler, der ohne Harnisch dem Feind
entgegenreitet; aber er hat auch eine rechte Kunst, die Kunst Haltdichfern,
die schirmt ihn vor allen Wunden. Wenn nun das Gefecht zu Ende ist,
dann kann niemand besser erzählen als er, wie man hier mit den Lanzen
aufeinander ansprengte, dort in ganzen Scharen focht. Natürlich: denn ihm
war der Eisenhut nicht über die Augen herabgeschlagen; von ferne konnte er
in Ruhe alles ansehn. Auch hier wird endlich der rechte Mann, der still das
Beste thut, den andern entgegengestellt.

Nachdem die Ritter also in nicht gerade schmeichelhaften Bildern ab-
conterfeit sind, werden auch die Frauen vorgenommen. Diese Schilderungen
sind nicht weniger lustig, aber zum Theil für unsern Geschmack etwas derb.
Ich zähle daher nur kurz die einzelnen Gestalten auf, welche der Dichter
uns vorzeichnet. Da erscheint die Frau, die dem geizigen Manne schlechte
Suppe und Kraut ohne Schmalz vorsetzt, und während er auf dem Acker sich
quält, selbst mit ihrer Dirne guten Wein trinkt und ein zartes Hühnchen
verzehrt. Abends hat sie natürlich keine Lust, an der kargen Mahlzeit ihres
Mannes Theil zu nehmen, und er kann sich, indem er sie in die runden
Backen kneift, nicht genug wundern, woher ein so mäßiges Weib ein so
prächtiges Aussehn bekomme. -- Dann folgen die Bilder der Eitelkeit: die
Frau, die ihre Reize allzubloß stellt, die andre, welche sie durch allerhand
Mittel zu erhöhen sucht -- und wir erfahren da ein ganzes Register von
Toilettekünsten, die wir unsern guten Vorfahren kaum zugetraut hätten. --
Und damit ist die Bilderreihe noch nicht zu Ende; es bleiben noch übrig die
Fromme, die keine Messe versäumt und zu Hause keine Gebetzeit vergißt, die
aber ihre Dienstleute grob und grausam behandelt und ihrem Manne das
Leben fast unerträglich macht; dann die Stille, die alles gehn läßt und
duldet, wie ein Lämmlein; endlich die Fensterhenne, die beständig von ihrem
Manne weg nach einem andern kritzele. -- Jetzt aber fühlt der Dichter selbst,
wie sehr seine böse Zunge sich schon versündigt hat, er schließt mit einem
warmen Lobe der guten Frauen. Freilich zuletzt kommt wieder der Schalk
zum Vorschein. Der Dichter meint, solche Frauen, ganz rein von allem
Fehl und Tadel, gebe es immer nur wenige, in einer weiten Umgegend kaum
drei, -- schlau fügt er hinzu: ,die meine ist, will's Gott, dabei/

Diese Gespräche mit dem Knappen setzen sich nun in andern Gedichten
fort, und der Dichter bestrebt sich, ihnen durch die Umstände, unter welchen
er sie statt finden läßt, noch mehr den Schein der Wirklichkeit zu verleihen.
Das eine Mal (II) erzählt er, daß er nach seiner -- übrigens bescheidenen --
Mahlzeit im Garten spazieren ging, wie da der Knecht zu ihm kam: Ob er


Auch hier hat der Dichter einen bestimmten Fall im Sinne; denn um solcher
Leute willen hatte der Sommerfeldzug gegen Iwan von Güsfing unterbrochen
werden müssen. Hierauf folgt der Prahler, der ohne Harnisch dem Feind
entgegenreitet; aber er hat auch eine rechte Kunst, die Kunst Haltdichfern,
die schirmt ihn vor allen Wunden. Wenn nun das Gefecht zu Ende ist,
dann kann niemand besser erzählen als er, wie man hier mit den Lanzen
aufeinander ansprengte, dort in ganzen Scharen focht. Natürlich: denn ihm
war der Eisenhut nicht über die Augen herabgeschlagen; von ferne konnte er
in Ruhe alles ansehn. Auch hier wird endlich der rechte Mann, der still das
Beste thut, den andern entgegengestellt.

Nachdem die Ritter also in nicht gerade schmeichelhaften Bildern ab-
conterfeit sind, werden auch die Frauen vorgenommen. Diese Schilderungen
sind nicht weniger lustig, aber zum Theil für unsern Geschmack etwas derb.
Ich zähle daher nur kurz die einzelnen Gestalten auf, welche der Dichter
uns vorzeichnet. Da erscheint die Frau, die dem geizigen Manne schlechte
Suppe und Kraut ohne Schmalz vorsetzt, und während er auf dem Acker sich
quält, selbst mit ihrer Dirne guten Wein trinkt und ein zartes Hühnchen
verzehrt. Abends hat sie natürlich keine Lust, an der kargen Mahlzeit ihres
Mannes Theil zu nehmen, und er kann sich, indem er sie in die runden
Backen kneift, nicht genug wundern, woher ein so mäßiges Weib ein so
prächtiges Aussehn bekomme. — Dann folgen die Bilder der Eitelkeit: die
Frau, die ihre Reize allzubloß stellt, die andre, welche sie durch allerhand
Mittel zu erhöhen sucht — und wir erfahren da ein ganzes Register von
Toilettekünsten, die wir unsern guten Vorfahren kaum zugetraut hätten. —
Und damit ist die Bilderreihe noch nicht zu Ende; es bleiben noch übrig die
Fromme, die keine Messe versäumt und zu Hause keine Gebetzeit vergißt, die
aber ihre Dienstleute grob und grausam behandelt und ihrem Manne das
Leben fast unerträglich macht; dann die Stille, die alles gehn läßt und
duldet, wie ein Lämmlein; endlich die Fensterhenne, die beständig von ihrem
Manne weg nach einem andern kritzele. — Jetzt aber fühlt der Dichter selbst,
wie sehr seine böse Zunge sich schon versündigt hat, er schließt mit einem
warmen Lobe der guten Frauen. Freilich zuletzt kommt wieder der Schalk
zum Vorschein. Der Dichter meint, solche Frauen, ganz rein von allem
Fehl und Tadel, gebe es immer nur wenige, in einer weiten Umgegend kaum
drei, — schlau fügt er hinzu: ,die meine ist, will's Gott, dabei/

Diese Gespräche mit dem Knappen setzen sich nun in andern Gedichten
fort, und der Dichter bestrebt sich, ihnen durch die Umstände, unter welchen
er sie statt finden läßt, noch mehr den Schein der Wirklichkeit zu verleihen.
Das eine Mal (II) erzählt er, daß er nach seiner — übrigens bescheidenen —
Mahlzeit im Garten spazieren ging, wie da der Knecht zu ihm kam: Ob er


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[0338] Auch hier hat der Dichter einen bestimmten Fall im Sinne; denn um solcher Leute willen hatte der Sommerfeldzug gegen Iwan von Güsfing unterbrochen werden müssen. Hierauf folgt der Prahler, der ohne Harnisch dem Feind entgegenreitet; aber er hat auch eine rechte Kunst, die Kunst Haltdichfern, die schirmt ihn vor allen Wunden. Wenn nun das Gefecht zu Ende ist, dann kann niemand besser erzählen als er, wie man hier mit den Lanzen aufeinander ansprengte, dort in ganzen Scharen focht. Natürlich: denn ihm war der Eisenhut nicht über die Augen herabgeschlagen; von ferne konnte er in Ruhe alles ansehn. Auch hier wird endlich der rechte Mann, der still das Beste thut, den andern entgegengestellt. Nachdem die Ritter also in nicht gerade schmeichelhaften Bildern ab- conterfeit sind, werden auch die Frauen vorgenommen. Diese Schilderungen sind nicht weniger lustig, aber zum Theil für unsern Geschmack etwas derb. Ich zähle daher nur kurz die einzelnen Gestalten auf, welche der Dichter uns vorzeichnet. Da erscheint die Frau, die dem geizigen Manne schlechte Suppe und Kraut ohne Schmalz vorsetzt, und während er auf dem Acker sich quält, selbst mit ihrer Dirne guten Wein trinkt und ein zartes Hühnchen verzehrt. Abends hat sie natürlich keine Lust, an der kargen Mahlzeit ihres Mannes Theil zu nehmen, und er kann sich, indem er sie in die runden Backen kneift, nicht genug wundern, woher ein so mäßiges Weib ein so prächtiges Aussehn bekomme. — Dann folgen die Bilder der Eitelkeit: die Frau, die ihre Reize allzubloß stellt, die andre, welche sie durch allerhand Mittel zu erhöhen sucht — und wir erfahren da ein ganzes Register von Toilettekünsten, die wir unsern guten Vorfahren kaum zugetraut hätten. — Und damit ist die Bilderreihe noch nicht zu Ende; es bleiben noch übrig die Fromme, die keine Messe versäumt und zu Hause keine Gebetzeit vergißt, die aber ihre Dienstleute grob und grausam behandelt und ihrem Manne das Leben fast unerträglich macht; dann die Stille, die alles gehn läßt und duldet, wie ein Lämmlein; endlich die Fensterhenne, die beständig von ihrem Manne weg nach einem andern kritzele. — Jetzt aber fühlt der Dichter selbst, wie sehr seine böse Zunge sich schon versündigt hat, er schließt mit einem warmen Lobe der guten Frauen. Freilich zuletzt kommt wieder der Schalk zum Vorschein. Der Dichter meint, solche Frauen, ganz rein von allem Fehl und Tadel, gebe es immer nur wenige, in einer weiten Umgegend kaum drei, — schlau fügt er hinzu: ,die meine ist, will's Gott, dabei/ Diese Gespräche mit dem Knappen setzen sich nun in andern Gedichten fort, und der Dichter bestrebt sich, ihnen durch die Umstände, unter welchen er sie statt finden läßt, noch mehr den Schein der Wirklichkeit zu verleihen. Das eine Mal (II) erzählt er, daß er nach seiner — übrigens bescheidenen — Mahlzeit im Garten spazieren ging, wie da der Knecht zu ihm kam: Ob er

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/338>, abgerufen am 24.08.2024.