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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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Wirkungen der langen Rechtlosigkeit und Verwilderung ein östreichisches Lan-
desgefühl und die Anhänglichkeit an das neue Herrscherhaus stark und immer
stärker erhob, das läßt sich aus den Satiren unsers Dichters am besten er¬
kennen. Es wird am angemessensten sein, sie nach ihrer zeitlichen Folge
durchzunehmen.

Das älteste dieser Gedichte (XIV) ist noch im Frühjahr 1283 verfaßt,
da es von zwei Herzögen spricht. Es enthält schon den Gedanken, den
der Dichter später mit Vorliebe verfolgte, aber noch in allzu knappen, un¬
reifem Ausdruck. Jedes Land, so heißt es, habe seine eigenthümlichen Sitten,
nur Oestreich nicht; da seien die Leute windschaffen, d. h. wankelmüthig,
wetterwendisch. Der alte Herzog Friedrich habe sich ungarisch getragen,
dann habe man den Sachsen ihr kurzes Haar nachgeäfft. Auch die böhmische
Art sei nicht spurlos vorübergegangen; das zeige der Morgengruß äodi'Mo.
Und so ahme man auch den Meißnern nach, den Baiern, Steirern, Kärnt¬
nern, Krämern, Wälschen, Schwaben. Ja die Schwaben! Ihre Sättel, die
wie Krippen um den Reiter herumliefen, ihre Bickelhauben, das alles habe
man ihnen zu verdanken. Im Ganzen stehe es wohl um Oestreich unter dem
Doppelregiment der Söhne des römischen Königs. Ein so vorzüglicher Friede
ward noch nie im Land, der König selbst sende seinen Schutz vom Rhein
her. Zum Danke dafür sollten nun die Dienstmannen, die mit Reichs-,
geistlichen und fürstlichen Lehen begabte Ritterschaft an den Rhein ziehn und
dort, wie der Dichter sich mit einer Anspielung auf die Nibelungen aus¬
drückt, den Wein König Etzels bezahlen, d. h, ihre Haut zu Markte tragen.

Abgesehen von dem Spott über die Schwaben, die mit den Habsburgern
ins Land gekommen waren, spricht sich der Dichter hier noch ziemlich aner¬
kennend über die neue Herrschaft aus. Ganz anderen Stimmungen gibt das
nächste Gedicht (V) offenen Ausdruck. "Wen es nicht verdrießen mag, der
höre an des Landes Klag! Seid ihr getreu dem ron'schen Reich, so klag
ich, König Rudolf, euch und allen euren Schwaben, die durch vier Jahre
haben, von mir, dem armen Osterland,-- es ist euch sicher noch bekannt, -- ihren
Unterhalt genommen. Fürwahr, das ist mir schlecht bekommen. Nicht länger
sei's verschwiegen, wie ich mich ließ bekriegen. Der Herzog, den ihr mir
gesandt, fällt mir der Ungarn Volk ins Land, dann reitet er zum Jagen.
Die Herzogin muß ich verklagen, die ist für's Gut so eingenommen, so
viel sie irgend kann bekommen, das schiebt sie alles in den Sack und sendet
dann das volle Pack zu ihrem Vater, daß ihr's wißt, der dort in Kärnten
Herzog ist." -- Und nun geht es über die neuen fremden Beamten her,
über den Landschreiber, über den Grafen von Nabenswalde, und ganz be¬
sonders über den listigen Fuchs, den Haug von Taufers; der eine schicke
nach Nürnberg, der andre nach Thüringen, der dritte an die Etsch, was sie


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Wirkungen der langen Rechtlosigkeit und Verwilderung ein östreichisches Lan-
desgefühl und die Anhänglichkeit an das neue Herrscherhaus stark und immer
stärker erhob, das läßt sich aus den Satiren unsers Dichters am besten er¬
kennen. Es wird am angemessensten sein, sie nach ihrer zeitlichen Folge
durchzunehmen.

Das älteste dieser Gedichte (XIV) ist noch im Frühjahr 1283 verfaßt,
da es von zwei Herzögen spricht. Es enthält schon den Gedanken, den
der Dichter später mit Vorliebe verfolgte, aber noch in allzu knappen, un¬
reifem Ausdruck. Jedes Land, so heißt es, habe seine eigenthümlichen Sitten,
nur Oestreich nicht; da seien die Leute windschaffen, d. h. wankelmüthig,
wetterwendisch. Der alte Herzog Friedrich habe sich ungarisch getragen,
dann habe man den Sachsen ihr kurzes Haar nachgeäfft. Auch die böhmische
Art sei nicht spurlos vorübergegangen; das zeige der Morgengruß äodi'Mo.
Und so ahme man auch den Meißnern nach, den Baiern, Steirern, Kärnt¬
nern, Krämern, Wälschen, Schwaben. Ja die Schwaben! Ihre Sättel, die
wie Krippen um den Reiter herumliefen, ihre Bickelhauben, das alles habe
man ihnen zu verdanken. Im Ganzen stehe es wohl um Oestreich unter dem
Doppelregiment der Söhne des römischen Königs. Ein so vorzüglicher Friede
ward noch nie im Land, der König selbst sende seinen Schutz vom Rhein
her. Zum Danke dafür sollten nun die Dienstmannen, die mit Reichs-,
geistlichen und fürstlichen Lehen begabte Ritterschaft an den Rhein ziehn und
dort, wie der Dichter sich mit einer Anspielung auf die Nibelungen aus¬
drückt, den Wein König Etzels bezahlen, d. h, ihre Haut zu Markte tragen.

Abgesehen von dem Spott über die Schwaben, die mit den Habsburgern
ins Land gekommen waren, spricht sich der Dichter hier noch ziemlich aner¬
kennend über die neue Herrschaft aus. Ganz anderen Stimmungen gibt das
nächste Gedicht (V) offenen Ausdruck. „Wen es nicht verdrießen mag, der
höre an des Landes Klag! Seid ihr getreu dem ron'schen Reich, so klag
ich, König Rudolf, euch und allen euren Schwaben, die durch vier Jahre
haben, von mir, dem armen Osterland,— es ist euch sicher noch bekannt, — ihren
Unterhalt genommen. Fürwahr, das ist mir schlecht bekommen. Nicht länger
sei's verschwiegen, wie ich mich ließ bekriegen. Der Herzog, den ihr mir
gesandt, fällt mir der Ungarn Volk ins Land, dann reitet er zum Jagen.
Die Herzogin muß ich verklagen, die ist für's Gut so eingenommen, so
viel sie irgend kann bekommen, das schiebt sie alles in den Sack und sendet
dann das volle Pack zu ihrem Vater, daß ihr's wißt, der dort in Kärnten
Herzog ist." — Und nun geht es über die neuen fremden Beamten her,
über den Landschreiber, über den Grafen von Nabenswalde, und ganz be¬
sonders über den listigen Fuchs, den Haug von Taufers; der eine schicke
nach Nürnberg, der andre nach Thüringen, der dritte an die Etsch, was sie


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[0331] Wirkungen der langen Rechtlosigkeit und Verwilderung ein östreichisches Lan- desgefühl und die Anhänglichkeit an das neue Herrscherhaus stark und immer stärker erhob, das läßt sich aus den Satiren unsers Dichters am besten er¬ kennen. Es wird am angemessensten sein, sie nach ihrer zeitlichen Folge durchzunehmen. Das älteste dieser Gedichte (XIV) ist noch im Frühjahr 1283 verfaßt, da es von zwei Herzögen spricht. Es enthält schon den Gedanken, den der Dichter später mit Vorliebe verfolgte, aber noch in allzu knappen, un¬ reifem Ausdruck. Jedes Land, so heißt es, habe seine eigenthümlichen Sitten, nur Oestreich nicht; da seien die Leute windschaffen, d. h. wankelmüthig, wetterwendisch. Der alte Herzog Friedrich habe sich ungarisch getragen, dann habe man den Sachsen ihr kurzes Haar nachgeäfft. Auch die böhmische Art sei nicht spurlos vorübergegangen; das zeige der Morgengruß äodi'Mo. Und so ahme man auch den Meißnern nach, den Baiern, Steirern, Kärnt¬ nern, Krämern, Wälschen, Schwaben. Ja die Schwaben! Ihre Sättel, die wie Krippen um den Reiter herumliefen, ihre Bickelhauben, das alles habe man ihnen zu verdanken. Im Ganzen stehe es wohl um Oestreich unter dem Doppelregiment der Söhne des römischen Königs. Ein so vorzüglicher Friede ward noch nie im Land, der König selbst sende seinen Schutz vom Rhein her. Zum Danke dafür sollten nun die Dienstmannen, die mit Reichs-, geistlichen und fürstlichen Lehen begabte Ritterschaft an den Rhein ziehn und dort, wie der Dichter sich mit einer Anspielung auf die Nibelungen aus¬ drückt, den Wein König Etzels bezahlen, d. h, ihre Haut zu Markte tragen. Abgesehen von dem Spott über die Schwaben, die mit den Habsburgern ins Land gekommen waren, spricht sich der Dichter hier noch ziemlich aner¬ kennend über die neue Herrschaft aus. Ganz anderen Stimmungen gibt das nächste Gedicht (V) offenen Ausdruck. „Wen es nicht verdrießen mag, der höre an des Landes Klag! Seid ihr getreu dem ron'schen Reich, so klag ich, König Rudolf, euch und allen euren Schwaben, die durch vier Jahre haben, von mir, dem armen Osterland,— es ist euch sicher noch bekannt, — ihren Unterhalt genommen. Fürwahr, das ist mir schlecht bekommen. Nicht länger sei's verschwiegen, wie ich mich ließ bekriegen. Der Herzog, den ihr mir gesandt, fällt mir der Ungarn Volk ins Land, dann reitet er zum Jagen. Die Herzogin muß ich verklagen, die ist für's Gut so eingenommen, so viel sie irgend kann bekommen, das schiebt sie alles in den Sack und sendet dann das volle Pack zu ihrem Vater, daß ihr's wißt, der dort in Kärnten Herzog ist." — Und nun geht es über die neuen fremden Beamten her, über den Landschreiber, über den Grafen von Nabenswalde, und ganz be¬ sonders über den listigen Fuchs, den Haug von Taufers; der eine schicke nach Nürnberg, der andre nach Thüringen, der dritte an die Etsch, was sie 41*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/331>, abgerufen am 24.08.2024.