Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

die erste der Christenheit anerkannt, war seit dem jähen Sturze der Hohen-
staufen aufs tiefste in der fremden und eigenen Achtung gesunken; nach außen
ohnmächtig, im innern durch zahllose wilde Fehden zerrissen. Am schlimmsten
aber stand es damals mit den südöstlichen Grenzgebieten, mit Oestreich und
Steiermark; hier war noch vor dem Interregnum des Reiches ein Interreg¬
num des Landes eingetreten. 1246 war Herzog-Friedrich der Streitbare,
der letzte aus dem glorreichen Stamme der Babenberger, in einem siegreichen
Treffen gegen die Ungarn gefallen. Alsbald erhoben sich von verschiedenen
Seiten Ansprüche auf die verwaisten Land.er; unter den Bewerbern trug, vom
Papste begünstigt, Ottokar von Böhmen den Sieg davon. Seine Rechts¬
ansprüche hatte er durch eine Vermählung mit Margarethe, der Schwester
des Herzogs Friedrich, begründet; als er jedoch Oestreich sicher in seiner Ge¬
walt zu haben glaubte, verstieß er die schon Bejahrte. Ihr Schicksal war ein
Bild dessen, was das Land zu erdulden hatte. Oestreich war bereits durch die
Erbfolgekriege, die namentlich von Seiten Ungarns mit barbarischen Verwü¬
stungen geführt wurden, furchtbar mitgenommen. Nun trat auch die Herr¬
schaft des übermüthigen Böhmen mehr und mehr in ihrer wahren Gestalt
hervor. Seine Willkür und Grausamkeit wandte bald die Herzen seiner
Unterthanen von ihm ab und ließ sie mit Sehnsucht nach einem Befreier
blicken.

Und dieser sand sich allerdings. König Rudolph erkannte sofort, welche
Zukunft seinem Hause bevorstand, wenn es ihm gelang, die rechtlich herren¬
losen Länder Oestreich und Steiermark zu gewinnen, und er nahm den Kampf
gegen den scheinbar übermächtigen König auf. Als Ottokar sich weigerte,
seinen unrechtmäßigen Besitz dem Reiche zurückzugeben, zog Rudolph 127K
mit einem kleinen Heer in Oestreich ein; die Nachbarn unterstützten ihn, die
Landesangehörigen erhoben sich für ihn. Wien widerstand eine Zeit lang,
durch eine Partei des Rathes beherrscht; mit der Uebergabe der Stadt aber
brach auch der Muth des Böhmenkönigs. Er trat Oestreich und Steiermark
ab, Rudolph nahm es in seinen Besitz. Vergebens, daß Ottokar nochmals
1278 mit einem von allen Seiten gesammelten Heere in Oestreich einbrach;
Rudolphs treffliche Leitung, die Tapferkeit der Seinigen und die Hilfe des
jungen Ungarnkönigs errangen den entscheidenden Sieg auf dem Marchfelde.
Ottokar selbst siel; den Frieden mit seinem Erben stellte Rudolph her, indem
er ihn mit einer seiner zahlreichen Tochter verheirathete. Dann verfügte er
über die nun dauernd erworbenen Länder. Er belehnte im December 1282
seine Söhne Albrecht und Rudolph mit Oestreich, Steiermark und Krain,
übergab aber 128Z am 1. Juni auf die Bitte der Landesherren, der vor¬
nehmen Ritter, Albrecht allein die Herrschaft.

Wie sich nun Oestreich unter Albrecht befand, wie sich aus den Nach-


die erste der Christenheit anerkannt, war seit dem jähen Sturze der Hohen-
staufen aufs tiefste in der fremden und eigenen Achtung gesunken; nach außen
ohnmächtig, im innern durch zahllose wilde Fehden zerrissen. Am schlimmsten
aber stand es damals mit den südöstlichen Grenzgebieten, mit Oestreich und
Steiermark; hier war noch vor dem Interregnum des Reiches ein Interreg¬
num des Landes eingetreten. 1246 war Herzog-Friedrich der Streitbare,
der letzte aus dem glorreichen Stamme der Babenberger, in einem siegreichen
Treffen gegen die Ungarn gefallen. Alsbald erhoben sich von verschiedenen
Seiten Ansprüche auf die verwaisten Land.er; unter den Bewerbern trug, vom
Papste begünstigt, Ottokar von Böhmen den Sieg davon. Seine Rechts¬
ansprüche hatte er durch eine Vermählung mit Margarethe, der Schwester
des Herzogs Friedrich, begründet; als er jedoch Oestreich sicher in seiner Ge¬
walt zu haben glaubte, verstieß er die schon Bejahrte. Ihr Schicksal war ein
Bild dessen, was das Land zu erdulden hatte. Oestreich war bereits durch die
Erbfolgekriege, die namentlich von Seiten Ungarns mit barbarischen Verwü¬
stungen geführt wurden, furchtbar mitgenommen. Nun trat auch die Herr¬
schaft des übermüthigen Böhmen mehr und mehr in ihrer wahren Gestalt
hervor. Seine Willkür und Grausamkeit wandte bald die Herzen seiner
Unterthanen von ihm ab und ließ sie mit Sehnsucht nach einem Befreier
blicken.

Und dieser sand sich allerdings. König Rudolph erkannte sofort, welche
Zukunft seinem Hause bevorstand, wenn es ihm gelang, die rechtlich herren¬
losen Länder Oestreich und Steiermark zu gewinnen, und er nahm den Kampf
gegen den scheinbar übermächtigen König auf. Als Ottokar sich weigerte,
seinen unrechtmäßigen Besitz dem Reiche zurückzugeben, zog Rudolph 127K
mit einem kleinen Heer in Oestreich ein; die Nachbarn unterstützten ihn, die
Landesangehörigen erhoben sich für ihn. Wien widerstand eine Zeit lang,
durch eine Partei des Rathes beherrscht; mit der Uebergabe der Stadt aber
brach auch der Muth des Böhmenkönigs. Er trat Oestreich und Steiermark
ab, Rudolph nahm es in seinen Besitz. Vergebens, daß Ottokar nochmals
1278 mit einem von allen Seiten gesammelten Heere in Oestreich einbrach;
Rudolphs treffliche Leitung, die Tapferkeit der Seinigen und die Hilfe des
jungen Ungarnkönigs errangen den entscheidenden Sieg auf dem Marchfelde.
Ottokar selbst siel; den Frieden mit seinem Erben stellte Rudolph her, indem
er ihn mit einer seiner zahlreichen Tochter verheirathete. Dann verfügte er
über die nun dauernd erworbenen Länder. Er belehnte im December 1282
seine Söhne Albrecht und Rudolph mit Oestreich, Steiermark und Krain,
übergab aber 128Z am 1. Juni auf die Bitte der Landesherren, der vor¬
nehmen Ritter, Albrecht allein die Herrschaft.

Wie sich nun Oestreich unter Albrecht befand, wie sich aus den Nach-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0330" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117334"/>
          <p xml:id="ID_905" prev="#ID_904"> die erste der Christenheit anerkannt, war seit dem jähen Sturze der Hohen-<lb/>
staufen aufs tiefste in der fremden und eigenen Achtung gesunken; nach außen<lb/>
ohnmächtig, im innern durch zahllose wilde Fehden zerrissen. Am schlimmsten<lb/>
aber stand es damals mit den südöstlichen Grenzgebieten, mit Oestreich und<lb/>
Steiermark; hier war noch vor dem Interregnum des Reiches ein Interreg¬<lb/>
num des Landes eingetreten. 1246 war Herzog-Friedrich der Streitbare,<lb/>
der letzte aus dem glorreichen Stamme der Babenberger, in einem siegreichen<lb/>
Treffen gegen die Ungarn gefallen. Alsbald erhoben sich von verschiedenen<lb/>
Seiten Ansprüche auf die verwaisten Land.er; unter den Bewerbern trug, vom<lb/>
Papste begünstigt, Ottokar von Böhmen den Sieg davon. Seine Rechts¬<lb/>
ansprüche hatte er durch eine Vermählung mit Margarethe, der Schwester<lb/>
des Herzogs Friedrich, begründet; als er jedoch Oestreich sicher in seiner Ge¬<lb/>
walt zu haben glaubte, verstieß er die schon Bejahrte. Ihr Schicksal war ein<lb/>
Bild dessen, was das Land zu erdulden hatte. Oestreich war bereits durch die<lb/>
Erbfolgekriege, die namentlich von Seiten Ungarns mit barbarischen Verwü¬<lb/>
stungen geführt wurden, furchtbar mitgenommen. Nun trat auch die Herr¬<lb/>
schaft des übermüthigen Böhmen mehr und mehr in ihrer wahren Gestalt<lb/>
hervor. Seine Willkür und Grausamkeit wandte bald die Herzen seiner<lb/>
Unterthanen von ihm ab und ließ sie mit Sehnsucht nach einem Befreier<lb/>
blicken.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_906"> Und dieser sand sich allerdings. König Rudolph erkannte sofort, welche<lb/>
Zukunft seinem Hause bevorstand, wenn es ihm gelang, die rechtlich herren¬<lb/>
losen Länder Oestreich und Steiermark zu gewinnen, und er nahm den Kampf<lb/>
gegen den scheinbar übermächtigen König auf. Als Ottokar sich weigerte,<lb/>
seinen unrechtmäßigen Besitz dem Reiche zurückzugeben, zog Rudolph 127K<lb/>
mit einem kleinen Heer in Oestreich ein; die Nachbarn unterstützten ihn, die<lb/>
Landesangehörigen erhoben sich für ihn. Wien widerstand eine Zeit lang,<lb/>
durch eine Partei des Rathes beherrscht; mit der Uebergabe der Stadt aber<lb/>
brach auch der Muth des Böhmenkönigs. Er trat Oestreich und Steiermark<lb/>
ab, Rudolph nahm es in seinen Besitz. Vergebens, daß Ottokar nochmals<lb/>
1278 mit einem von allen Seiten gesammelten Heere in Oestreich einbrach;<lb/>
Rudolphs treffliche Leitung, die Tapferkeit der Seinigen und die Hilfe des<lb/>
jungen Ungarnkönigs errangen den entscheidenden Sieg auf dem Marchfelde.<lb/>
Ottokar selbst siel; den Frieden mit seinem Erben stellte Rudolph her, indem<lb/>
er ihn mit einer seiner zahlreichen Tochter verheirathete. Dann verfügte er<lb/>
über die nun dauernd erworbenen Länder. Er belehnte im December 1282<lb/>
seine Söhne Albrecht und Rudolph mit Oestreich, Steiermark und Krain,<lb/>
übergab aber 128Z am 1. Juni auf die Bitte der Landesherren, der vor¬<lb/>
nehmen Ritter, Albrecht allein die Herrschaft.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_907" next="#ID_908"> Wie sich nun Oestreich unter Albrecht befand, wie sich aus den Nach-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0330] die erste der Christenheit anerkannt, war seit dem jähen Sturze der Hohen- staufen aufs tiefste in der fremden und eigenen Achtung gesunken; nach außen ohnmächtig, im innern durch zahllose wilde Fehden zerrissen. Am schlimmsten aber stand es damals mit den südöstlichen Grenzgebieten, mit Oestreich und Steiermark; hier war noch vor dem Interregnum des Reiches ein Interreg¬ num des Landes eingetreten. 1246 war Herzog-Friedrich der Streitbare, der letzte aus dem glorreichen Stamme der Babenberger, in einem siegreichen Treffen gegen die Ungarn gefallen. Alsbald erhoben sich von verschiedenen Seiten Ansprüche auf die verwaisten Land.er; unter den Bewerbern trug, vom Papste begünstigt, Ottokar von Böhmen den Sieg davon. Seine Rechts¬ ansprüche hatte er durch eine Vermählung mit Margarethe, der Schwester des Herzogs Friedrich, begründet; als er jedoch Oestreich sicher in seiner Ge¬ walt zu haben glaubte, verstieß er die schon Bejahrte. Ihr Schicksal war ein Bild dessen, was das Land zu erdulden hatte. Oestreich war bereits durch die Erbfolgekriege, die namentlich von Seiten Ungarns mit barbarischen Verwü¬ stungen geführt wurden, furchtbar mitgenommen. Nun trat auch die Herr¬ schaft des übermüthigen Böhmen mehr und mehr in ihrer wahren Gestalt hervor. Seine Willkür und Grausamkeit wandte bald die Herzen seiner Unterthanen von ihm ab und ließ sie mit Sehnsucht nach einem Befreier blicken. Und dieser sand sich allerdings. König Rudolph erkannte sofort, welche Zukunft seinem Hause bevorstand, wenn es ihm gelang, die rechtlich herren¬ losen Länder Oestreich und Steiermark zu gewinnen, und er nahm den Kampf gegen den scheinbar übermächtigen König auf. Als Ottokar sich weigerte, seinen unrechtmäßigen Besitz dem Reiche zurückzugeben, zog Rudolph 127K mit einem kleinen Heer in Oestreich ein; die Nachbarn unterstützten ihn, die Landesangehörigen erhoben sich für ihn. Wien widerstand eine Zeit lang, durch eine Partei des Rathes beherrscht; mit der Uebergabe der Stadt aber brach auch der Muth des Böhmenkönigs. Er trat Oestreich und Steiermark ab, Rudolph nahm es in seinen Besitz. Vergebens, daß Ottokar nochmals 1278 mit einem von allen Seiten gesammelten Heere in Oestreich einbrach; Rudolphs treffliche Leitung, die Tapferkeit der Seinigen und die Hilfe des jungen Ungarnkönigs errangen den entscheidenden Sieg auf dem Marchfelde. Ottokar selbst siel; den Frieden mit seinem Erben stellte Rudolph her, indem er ihn mit einer seiner zahlreichen Tochter verheirathete. Dann verfügte er über die nun dauernd erworbenen Länder. Er belehnte im December 1282 seine Söhne Albrecht und Rudolph mit Oestreich, Steiermark und Krain, übergab aber 128Z am 1. Juni auf die Bitte der Landesherren, der vor¬ nehmen Ritter, Albrecht allein die Herrschaft. Wie sich nun Oestreich unter Albrecht befand, wie sich aus den Nach-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/330
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/330>, abgerufen am 05.02.2025.