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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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Gemeinde durch künftige Verarmung vorzubeugen, von ihm eine bei der Ge-
meindecasse zu deponirende Caution von 200 Thlr. zu verlangen.

Unter diesen Umständen muß der arme Teufel natürlich Hauskauf und
Heirath aufgeben, denn so bedeutende Summen kann er nicht entbehren.

Der einzige Ausweg der Rettung ist noch, wie es auch meistens ge¬
schieht, daß er an das Mitleid der preußischen Commune appellirt, die dann,
nicht ebenso engherzig in jedem Menschen einen Armenhauscandidaten sehend,
auf ihre Gefahr hin gegen die unsittlichen Folgen der menschenfeindlichen
Gesetze eines Nachbarstaates durch Vermittelung der Naturalisation Remedur
eintreten läßt.

Wird auch nicht immer eine besondere Caution verlangt, so kommt es,
man möchte sagen, täglich vor, daß entweder durch directes Versagen der
Communen oder durch die für die Aufnahme der Braut und die Heiraths-
erlaubniß zu zahlenden Bürgerrechts- oder sonst benannten Gelder die Ver-
heirathung von Angehörigen solcher Staaten mit Ausländerinnen im Aus¬
lande unmöglich gemacht wird.

Und doch haben wir ein allgemeines Jndigenat und ein Freizügig¬
keitsgesetz!

Es wäre sehr zu wünschen, daß auf bundesgesetzlichem Wege dieser
Verkümmerung des allen freien Menschen zustehenden sittlichen Rechts, sich
eine Familie zu gründen, ein Ende gemacht würde.




Der Uordbund und die Südstaaten.

Neben der Sorge um, die Nothleidenden liegen dem deutschen Volk
jetzt zumeist die Ereignisse am Herzen, welche dem ersten Zollparlament vor¬
ausgehen. Das Schmerzvollste derselben war der Tod des badischen Staats¬
ministers Mathy, welcher seit dem Juli 1866 die politische Haltung Badens
durch die souveräne Sicherheit einer ungewöhnlichen Menschenkraft bestimmt hat.
Der Patriotismus des Großherzogs hat durch die Wahl seiner Nachfolger,
durch das Ministerium Joly, ein edles Zeugniß abgelegt, daß Baden der Politik
des Anschlusses treu bleiben wird. Ein zweiter Jncidenzpunkt war der Aus¬
fall der bairischen Wahlen zum Zollparlament; sie stellen die innern Gegen¬
sätze dieses Staates und die gegenwärtige Stimmung seiner Einwohner auch
durch das Zahlenverhältniß dar. Die kleinere Hälfte der Abgeordneten, meist
von fränkischen Städten gewählt, ist mehr oder weniger bundesfreundlich,


Gemeinde durch künftige Verarmung vorzubeugen, von ihm eine bei der Ge-
meindecasse zu deponirende Caution von 200 Thlr. zu verlangen.

Unter diesen Umständen muß der arme Teufel natürlich Hauskauf und
Heirath aufgeben, denn so bedeutende Summen kann er nicht entbehren.

Der einzige Ausweg der Rettung ist noch, wie es auch meistens ge¬
schieht, daß er an das Mitleid der preußischen Commune appellirt, die dann,
nicht ebenso engherzig in jedem Menschen einen Armenhauscandidaten sehend,
auf ihre Gefahr hin gegen die unsittlichen Folgen der menschenfeindlichen
Gesetze eines Nachbarstaates durch Vermittelung der Naturalisation Remedur
eintreten läßt.

Wird auch nicht immer eine besondere Caution verlangt, so kommt es,
man möchte sagen, täglich vor, daß entweder durch directes Versagen der
Communen oder durch die für die Aufnahme der Braut und die Heiraths-
erlaubniß zu zahlenden Bürgerrechts- oder sonst benannten Gelder die Ver-
heirathung von Angehörigen solcher Staaten mit Ausländerinnen im Aus¬
lande unmöglich gemacht wird.

Und doch haben wir ein allgemeines Jndigenat und ein Freizügig¬
keitsgesetz!

Es wäre sehr zu wünschen, daß auf bundesgesetzlichem Wege dieser
Verkümmerung des allen freien Menschen zustehenden sittlichen Rechts, sich
eine Familie zu gründen, ein Ende gemacht würde.




Der Uordbund und die Südstaaten.

Neben der Sorge um, die Nothleidenden liegen dem deutschen Volk
jetzt zumeist die Ereignisse am Herzen, welche dem ersten Zollparlament vor¬
ausgehen. Das Schmerzvollste derselben war der Tod des badischen Staats¬
ministers Mathy, welcher seit dem Juli 1866 die politische Haltung Badens
durch die souveräne Sicherheit einer ungewöhnlichen Menschenkraft bestimmt hat.
Der Patriotismus des Großherzogs hat durch die Wahl seiner Nachfolger,
durch das Ministerium Joly, ein edles Zeugniß abgelegt, daß Baden der Politik
des Anschlusses treu bleiben wird. Ein zweiter Jncidenzpunkt war der Aus¬
fall der bairischen Wahlen zum Zollparlament; sie stellen die innern Gegen¬
sätze dieses Staates und die gegenwärtige Stimmung seiner Einwohner auch
durch das Zahlenverhältniß dar. Die kleinere Hälfte der Abgeordneten, meist
von fränkischen Städten gewählt, ist mehr oder weniger bundesfreundlich,


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[0316] Gemeinde durch künftige Verarmung vorzubeugen, von ihm eine bei der Ge- meindecasse zu deponirende Caution von 200 Thlr. zu verlangen. Unter diesen Umständen muß der arme Teufel natürlich Hauskauf und Heirath aufgeben, denn so bedeutende Summen kann er nicht entbehren. Der einzige Ausweg der Rettung ist noch, wie es auch meistens ge¬ schieht, daß er an das Mitleid der preußischen Commune appellirt, die dann, nicht ebenso engherzig in jedem Menschen einen Armenhauscandidaten sehend, auf ihre Gefahr hin gegen die unsittlichen Folgen der menschenfeindlichen Gesetze eines Nachbarstaates durch Vermittelung der Naturalisation Remedur eintreten läßt. Wird auch nicht immer eine besondere Caution verlangt, so kommt es, man möchte sagen, täglich vor, daß entweder durch directes Versagen der Communen oder durch die für die Aufnahme der Braut und die Heiraths- erlaubniß zu zahlenden Bürgerrechts- oder sonst benannten Gelder die Ver- heirathung von Angehörigen solcher Staaten mit Ausländerinnen im Aus¬ lande unmöglich gemacht wird. Und doch haben wir ein allgemeines Jndigenat und ein Freizügig¬ keitsgesetz! Es wäre sehr zu wünschen, daß auf bundesgesetzlichem Wege dieser Verkümmerung des allen freien Menschen zustehenden sittlichen Rechts, sich eine Familie zu gründen, ein Ende gemacht würde. Der Uordbund und die Südstaaten. Neben der Sorge um, die Nothleidenden liegen dem deutschen Volk jetzt zumeist die Ereignisse am Herzen, welche dem ersten Zollparlament vor¬ ausgehen. Das Schmerzvollste derselben war der Tod des badischen Staats¬ ministers Mathy, welcher seit dem Juli 1866 die politische Haltung Badens durch die souveräne Sicherheit einer ungewöhnlichen Menschenkraft bestimmt hat. Der Patriotismus des Großherzogs hat durch die Wahl seiner Nachfolger, durch das Ministerium Joly, ein edles Zeugniß abgelegt, daß Baden der Politik des Anschlusses treu bleiben wird. Ein zweiter Jncidenzpunkt war der Aus¬ fall der bairischen Wahlen zum Zollparlament; sie stellen die innern Gegen¬ sätze dieses Staates und die gegenwärtige Stimmung seiner Einwohner auch durch das Zahlenverhältniß dar. Die kleinere Hälfte der Abgeordneten, meist von fränkischen Städten gewählt, ist mehr oder weniger bundesfreundlich,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/316>, abgerufen am 22.07.2024.