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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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Punkte der Einsicht und des guten Willens nichts zu wünschen übrig läßt,
hat, das Zehnguldenstück sowie manches andere Gute nur erst auf dem Pa¬
pier, weil es das Papier nicht loswerden kann, das es in unheilvollen Tagen
für Geld erklärt hat. England dagegen ist so selbstgenügsam stolz auf die Fe¬
stigkeit und Reinheit seines Münzwesens, daß es sich noch nach einem Viertel'
jahrhundert öffentlicher Discussion nicht entschließen kann, den Sovereign um
nicht ganz ein Prozent im Werthe herabzusetzen, um der allgemeinen Münz¬
einheit der Welt ein Opfer zu bringen. Es scheint daher nicht, als sollte
von außen her sobald ein mächtiger Druck zu Gunsten des Goldguldensystems
auf uns wirken. Finden wir dieses System nicht in sich selbst, und wegen
der Aussicht, auf späteren Anschluß Oestreichs und Englands, vielleicht auch
nur auf letzteres Land unsererseits einen Druck üben zu können, vorzüglicher
als das einfache Goldfrankensystem, so wird dieses wohl allein ernstlich in
Frage kommen.

Auf dem Wege, sich die civilisirte Welt zu erobern, ist dasselbe ganz
augenscheinlich. Kaum war es zum Gemeingut vier an einander grenzender
Länder geworden, Frankreichs, Belgiens, der Schweiz und Italiens, so schloß
sich ihm erst, ungeachtet aller Feindschaft gegen das Königreich Italien, der
Kirchenstaat an. dann vermöge Gesetzes vom 10. April 1867 Griechenland.
In diesem Augenblick beschäftigt der junge Staat Rumänien sich mit den
nöthigen gesetzlichen Vorbereitungen, um zum Frankensystem überzugehen.
Das Großfürstenthum Finnland, dem Rußland aus Argwohn vor der
schwedischen Propaganda neben andern Freiheiten und Eigenthümlichkeiten
auch seine eigenen Münzen und ein Papiergeld ohne Zwangscours gönnt,
besitzt schon seit 1863 in der Markka oder Mark, dem vierten Theil des
Silberrubels, eine dem Franken praktisch nahezu gleichkommende Münzein¬
heit. Diese Uebereinstimmung wird noch realere Wichtigkeit gewinnen, wenn
Schweden den Vorschlägen seines Bevollmächtigten auf der pariser Münz-
conferenz folgen, d. h. Carolin zu fünfundzwanzig, Ducaten zu zehn Franken
in Gold ausprägen und übrigens die Rechnung nach Franken und Cents
annehmen sollte. Holland gehört neben Deutschland noch zu den festesten
Burgen der Silberwährung; hat es sie doch erst 18S0 gegen Goldwährung
eingetauscht, theilweise beherrscht durch die damals allgemeine Furcht vor
der reißenden Entwerthung des Goldes in Folge der californischen und
australischen Entdeckungen. Allein seine Gelehrten und Finanzmänner richten
sich schon vollständig auf die Nothwendigkeit der Rückkehr zur Goldwährung
ein, wie man aus der aufmerksamen Sorgfalt entnehmen kann, mit welcher
sie der Bewegung der öffentlichen Meinung insbesondere in Deutschland
folgen. --

Sogar jenseits des Weltmeers beginnt das französische Münzsystem


Punkte der Einsicht und des guten Willens nichts zu wünschen übrig läßt,
hat, das Zehnguldenstück sowie manches andere Gute nur erst auf dem Pa¬
pier, weil es das Papier nicht loswerden kann, das es in unheilvollen Tagen
für Geld erklärt hat. England dagegen ist so selbstgenügsam stolz auf die Fe¬
stigkeit und Reinheit seines Münzwesens, daß es sich noch nach einem Viertel'
jahrhundert öffentlicher Discussion nicht entschließen kann, den Sovereign um
nicht ganz ein Prozent im Werthe herabzusetzen, um der allgemeinen Münz¬
einheit der Welt ein Opfer zu bringen. Es scheint daher nicht, als sollte
von außen her sobald ein mächtiger Druck zu Gunsten des Goldguldensystems
auf uns wirken. Finden wir dieses System nicht in sich selbst, und wegen
der Aussicht, auf späteren Anschluß Oestreichs und Englands, vielleicht auch
nur auf letzteres Land unsererseits einen Druck üben zu können, vorzüglicher
als das einfache Goldfrankensystem, so wird dieses wohl allein ernstlich in
Frage kommen.

Auf dem Wege, sich die civilisirte Welt zu erobern, ist dasselbe ganz
augenscheinlich. Kaum war es zum Gemeingut vier an einander grenzender
Länder geworden, Frankreichs, Belgiens, der Schweiz und Italiens, so schloß
sich ihm erst, ungeachtet aller Feindschaft gegen das Königreich Italien, der
Kirchenstaat an. dann vermöge Gesetzes vom 10. April 1867 Griechenland.
In diesem Augenblick beschäftigt der junge Staat Rumänien sich mit den
nöthigen gesetzlichen Vorbereitungen, um zum Frankensystem überzugehen.
Das Großfürstenthum Finnland, dem Rußland aus Argwohn vor der
schwedischen Propaganda neben andern Freiheiten und Eigenthümlichkeiten
auch seine eigenen Münzen und ein Papiergeld ohne Zwangscours gönnt,
besitzt schon seit 1863 in der Markka oder Mark, dem vierten Theil des
Silberrubels, eine dem Franken praktisch nahezu gleichkommende Münzein¬
heit. Diese Uebereinstimmung wird noch realere Wichtigkeit gewinnen, wenn
Schweden den Vorschlägen seines Bevollmächtigten auf der pariser Münz-
conferenz folgen, d. h. Carolin zu fünfundzwanzig, Ducaten zu zehn Franken
in Gold ausprägen und übrigens die Rechnung nach Franken und Cents
annehmen sollte. Holland gehört neben Deutschland noch zu den festesten
Burgen der Silberwährung; hat es sie doch erst 18S0 gegen Goldwährung
eingetauscht, theilweise beherrscht durch die damals allgemeine Furcht vor
der reißenden Entwerthung des Goldes in Folge der californischen und
australischen Entdeckungen. Allein seine Gelehrten und Finanzmänner richten
sich schon vollständig auf die Nothwendigkeit der Rückkehr zur Goldwährung
ein, wie man aus der aufmerksamen Sorgfalt entnehmen kann, mit welcher
sie der Bewegung der öffentlichen Meinung insbesondere in Deutschland
folgen. —

Sogar jenseits des Weltmeers beginnt das französische Münzsystem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/310>, abgerufen am 22.07.2024.