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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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ficht nach an sich aus die Masse der norddeutschen Staatsmänner und Volks¬
vertreter mächtig einwirken; es würde auch positiv unterstützt werden von der
täglich zunehmenden Zahl norddeutscher Politiker, Volkswirthe und Ge¬
schäftsleute, die persönlich überzeugt sind, daß Deutschland sich beeilen sollte,
die Goldwährung anzunehmen, und zwar in der Form des internationalen
Frankensystems.

Des internationalen Franken systems, -- nicht des specifisch französischen.
Denn Frankreich hält im einseitigen Interesse des Staats (als Schuldners
aller Renten-Inhaber) und der Bank von Frankreich (als des größten Bank-
und Wechselgeschäfts des Landes) noch immer an der Doppelwährung fest,
die das Münzgesetz von 1803 einführte, ohne daß deshalb bis 1830 that¬
sächlich etwas anderes gegolten hätte als Silberwährung, mit dem silber¬
nen Fünffrankenstück als Hauptmünze. Seitdem herrscht zwar, nachdem die
Fünffrankenthaler den Weg alles Silbers, d. h. nach Ostindien und China
gewandert sind, thatsächlich die Goldwährung mit den Napoleonsdors oder
Zwanzigfrankenstücken; allein es kommt nur darauf an, daß Silber noch
eine Weile auf dem internationalen Edelmetallmarkt mehr werth bleibe als
2/01 seines Gewichts in Gold der Verhältnißzahl, zu welcher es in dem
Münzgesetz von 1803 normirt ist --, so werden der Staat, die Bank und
andere Agiospekulanten wieder silberne Fünffrankenstücke bei der Münze be¬
stellen und ihre Gläubiger damit abfinden, anstatt sie in Napoleonsdors zu
befriedigen. Dann können wir es erleben, daß sich auf Kosten des großen
Publikums und zum Vortheil der großen Bankhäuser abermals ein größer
Umschwung in der thatsächlich herrschenden Währung und Münzsorte voll¬
zieht, gerade wie zwischen 1850 und 1860. Ein so nackt auf Ausbeutung berech¬
netes, den Schuldner ungerechter Weise begünstigendes System hält natürlich
keiner unbefangenen Prüfung Stich. In Frankreich selbst sind die verdien¬
testen Agitatoren für universelle Münzreform, ein Parieu, ein Chevalier u. s. f.
dagegen. Italien, Belgien und die Schweiz haben das ihrige aufgeboten,
die Doppelwährung aus dem Vertrage vom 23. December 1863, der das
Münzwesen der vier Staaten verschmolz, herauszubringen, und was ihnen
gegen Frankreichs begreifliche äußere Verlegenheit noch nicht gelingen wollte,
das hat die Weltmünzconferenz, welche im vorigen Sommer gleichzeitig mit der
Weltausstellung zu Paris tagte, wie etwas selbstverständliches nachgeholt, in¬
dem sie von ihrer Empfehlung der Grundlagen des französischen Systems die
Doppelwährung ausdrücklich ausschloß. Nicht minder herrschte darüber Ein-
verständniß, daß der Anschluß an diese wesentlichen Grundlagen des fran¬
zösischen Systems, Adoption der Goldwährung also und irgend eines Mul-
tiplum des goldnen Fünffrankenstücks als Hauptmünze, keineswegs die An¬
nahme der französischen Benennungen einschließe. Wie der Italiener den


ficht nach an sich aus die Masse der norddeutschen Staatsmänner und Volks¬
vertreter mächtig einwirken; es würde auch positiv unterstützt werden von der
täglich zunehmenden Zahl norddeutscher Politiker, Volkswirthe und Ge¬
schäftsleute, die persönlich überzeugt sind, daß Deutschland sich beeilen sollte,
die Goldwährung anzunehmen, und zwar in der Form des internationalen
Frankensystems.

Des internationalen Franken systems, — nicht des specifisch französischen.
Denn Frankreich hält im einseitigen Interesse des Staats (als Schuldners
aller Renten-Inhaber) und der Bank von Frankreich (als des größten Bank-
und Wechselgeschäfts des Landes) noch immer an der Doppelwährung fest,
die das Münzgesetz von 1803 einführte, ohne daß deshalb bis 1830 that¬
sächlich etwas anderes gegolten hätte als Silberwährung, mit dem silber¬
nen Fünffrankenstück als Hauptmünze. Seitdem herrscht zwar, nachdem die
Fünffrankenthaler den Weg alles Silbers, d. h. nach Ostindien und China
gewandert sind, thatsächlich die Goldwährung mit den Napoleonsdors oder
Zwanzigfrankenstücken; allein es kommt nur darauf an, daß Silber noch
eine Weile auf dem internationalen Edelmetallmarkt mehr werth bleibe als
2/01 seines Gewichts in Gold der Verhältnißzahl, zu welcher es in dem
Münzgesetz von 1803 normirt ist —, so werden der Staat, die Bank und
andere Agiospekulanten wieder silberne Fünffrankenstücke bei der Münze be¬
stellen und ihre Gläubiger damit abfinden, anstatt sie in Napoleonsdors zu
befriedigen. Dann können wir es erleben, daß sich auf Kosten des großen
Publikums und zum Vortheil der großen Bankhäuser abermals ein größer
Umschwung in der thatsächlich herrschenden Währung und Münzsorte voll¬
zieht, gerade wie zwischen 1850 und 1860. Ein so nackt auf Ausbeutung berech¬
netes, den Schuldner ungerechter Weise begünstigendes System hält natürlich
keiner unbefangenen Prüfung Stich. In Frankreich selbst sind die verdien¬
testen Agitatoren für universelle Münzreform, ein Parieu, ein Chevalier u. s. f.
dagegen. Italien, Belgien und die Schweiz haben das ihrige aufgeboten,
die Doppelwährung aus dem Vertrage vom 23. December 1863, der das
Münzwesen der vier Staaten verschmolz, herauszubringen, und was ihnen
gegen Frankreichs begreifliche äußere Verlegenheit noch nicht gelingen wollte,
das hat die Weltmünzconferenz, welche im vorigen Sommer gleichzeitig mit der
Weltausstellung zu Paris tagte, wie etwas selbstverständliches nachgeholt, in¬
dem sie von ihrer Empfehlung der Grundlagen des französischen Systems die
Doppelwährung ausdrücklich ausschloß. Nicht minder herrschte darüber Ein-
verständniß, daß der Anschluß an diese wesentlichen Grundlagen des fran¬
zösischen Systems, Adoption der Goldwährung also und irgend eines Mul-
tiplum des goldnen Fünffrankenstücks als Hauptmünze, keineswegs die An¬
nahme der französischen Benennungen einschließe. Wie der Italiener den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/308>, abgerufen am 22.07.2024.