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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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damals noch Oestreich das deutsche Münzwesen vorwärts zu bringen. Es
drang darauf, statt der Silberwährung die Goldwährung einzuführen. Allein
Preußen, zu Reformen irgend welcher Art weniger als jemals aufgelegt,
mehr als jemals festgehalten in unfruchtbarer Nichtigkeit durch den Kampf
sich neutralisirender Parteien und Tendenzen, widerstand, und hatte dabei
wie natürlich die Masse der Kleinstaaten auf seiner Seite. Es hat großer
materieller und moralischer Erschütterungen bedurft, bevor der altväterische
Glaube an die Haltbarkeit der Silberwährung inmitten einer zum Golde
übergehenden oder schon übergegangenen Welt in den preußischen Negierungs¬
und Bankkreisen erst dem Zweifel, dann der Ueberzeugung von der Noth¬
wendigkeit eines Wechsels Platz machte. Den östreichischen Staats- und
Finanzmännern mußte es freilich leichter fallen, die neue Wahrheit in sich
aufzunehmen. Die Silberwährung bestand bei ihnen zu Lande längst nur
noch dem Namen nach; in Wirklichkeit herrschte ein mit Disagio behaftetes
Papiergeld, dessen Cours von Tag zu Tag schwankte. Wenn es einmal ge¬
lingen sollte, sich aus diesem Sumpf aus festes Land zu retten, so konnte
das letztere offenbar ebensogut die Währung der Zukunft, wie die Währung
der Vergangenheit sein, das Gold wie das Silber, -- die Anstrengung wurde
dadurch nicht größer. Ehe dagegen ein großer Staat mit völlig geordnetem
Münzwesen sich entschließt, von der einen Währung zur anderen überzugehen,
die ungeheuere Masse umlaufender Münzen einzuziehen und umzuprägen oder
in ihrem gesetzlichen Werthe herabzusetzen, alle öffentlichen und individuellen
Rechnungen in den Geldspalten zu ändern, müssen die Schattenseiten des
Alten, die Vorzüge des Neuen sich schon sehr lebhaft und eindringlich geltend
machen.

Das Werk von 1857 konnte nur in einer so schlaffen und muthlosen
Zeit wie die war, der es seine Entstehung verdankte, als halbwegs befrie¬
digend angesehen werden. Es scheiterte gänzlich mit dem unbedachten Ver¬
such, welchen es zur Abfindung der auf Uebergang zur Goldwährung drin¬
genden Interessen mit der Schaffung einer sogenannten Handelsgoldmünze
machte. Die Kronen sind ein bloßes Schaustück geblieben. Ungeachtet ihrer
ehrfurchtgebietenden Benennung hat der Verkehr sie aufs entschiedenste zurück¬
gewiesen. Das Bedürfniß nach einer in Menge umlaufenden Goldmünze,
das der Großhandel, ja selbst der nicht handeltreibende Einzelne jeden Tag
stärker empfindet, ist durch sie also nicht befriedigt worden. Man behilft
sich mit Papiergeld, das demzufolge in Massen von unangemessen kleinen
Apoints und in soviel verschiedenen Sorten, als es Souveräne und Banken gibt,
vermehrt durch einige bevorzugte Communen, umläuft. Aber dies ist eben
nur ein Notbehelf, und für Zahlungen im Auslande nicht einmal ein solcher,
denn dort werden die gedruckten Zahlungsversprechungen deutscher Fürsten,


Grenzboten I. 1868. I3

damals noch Oestreich das deutsche Münzwesen vorwärts zu bringen. Es
drang darauf, statt der Silberwährung die Goldwährung einzuführen. Allein
Preußen, zu Reformen irgend welcher Art weniger als jemals aufgelegt,
mehr als jemals festgehalten in unfruchtbarer Nichtigkeit durch den Kampf
sich neutralisirender Parteien und Tendenzen, widerstand, und hatte dabei
wie natürlich die Masse der Kleinstaaten auf seiner Seite. Es hat großer
materieller und moralischer Erschütterungen bedurft, bevor der altväterische
Glaube an die Haltbarkeit der Silberwährung inmitten einer zum Golde
übergehenden oder schon übergegangenen Welt in den preußischen Negierungs¬
und Bankkreisen erst dem Zweifel, dann der Ueberzeugung von der Noth¬
wendigkeit eines Wechsels Platz machte. Den östreichischen Staats- und
Finanzmännern mußte es freilich leichter fallen, die neue Wahrheit in sich
aufzunehmen. Die Silberwährung bestand bei ihnen zu Lande längst nur
noch dem Namen nach; in Wirklichkeit herrschte ein mit Disagio behaftetes
Papiergeld, dessen Cours von Tag zu Tag schwankte. Wenn es einmal ge¬
lingen sollte, sich aus diesem Sumpf aus festes Land zu retten, so konnte
das letztere offenbar ebensogut die Währung der Zukunft, wie die Währung
der Vergangenheit sein, das Gold wie das Silber, — die Anstrengung wurde
dadurch nicht größer. Ehe dagegen ein großer Staat mit völlig geordnetem
Münzwesen sich entschließt, von der einen Währung zur anderen überzugehen,
die ungeheuere Masse umlaufender Münzen einzuziehen und umzuprägen oder
in ihrem gesetzlichen Werthe herabzusetzen, alle öffentlichen und individuellen
Rechnungen in den Geldspalten zu ändern, müssen die Schattenseiten des
Alten, die Vorzüge des Neuen sich schon sehr lebhaft und eindringlich geltend
machen.

Das Werk von 1857 konnte nur in einer so schlaffen und muthlosen
Zeit wie die war, der es seine Entstehung verdankte, als halbwegs befrie¬
digend angesehen werden. Es scheiterte gänzlich mit dem unbedachten Ver¬
such, welchen es zur Abfindung der auf Uebergang zur Goldwährung drin¬
genden Interessen mit der Schaffung einer sogenannten Handelsgoldmünze
machte. Die Kronen sind ein bloßes Schaustück geblieben. Ungeachtet ihrer
ehrfurchtgebietenden Benennung hat der Verkehr sie aufs entschiedenste zurück¬
gewiesen. Das Bedürfniß nach einer in Menge umlaufenden Goldmünze,
das der Großhandel, ja selbst der nicht handeltreibende Einzelne jeden Tag
stärker empfindet, ist durch sie also nicht befriedigt worden. Man behilft
sich mit Papiergeld, das demzufolge in Massen von unangemessen kleinen
Apoints und in soviel verschiedenen Sorten, als es Souveräne und Banken gibt,
vermehrt durch einige bevorzugte Communen, umläuft. Aber dies ist eben
nur ein Notbehelf, und für Zahlungen im Auslande nicht einmal ein solcher,
denn dort werden die gedruckten Zahlungsversprechungen deutscher Fürsten,


Grenzboten I. 1868. I3
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[0305] damals noch Oestreich das deutsche Münzwesen vorwärts zu bringen. Es drang darauf, statt der Silberwährung die Goldwährung einzuführen. Allein Preußen, zu Reformen irgend welcher Art weniger als jemals aufgelegt, mehr als jemals festgehalten in unfruchtbarer Nichtigkeit durch den Kampf sich neutralisirender Parteien und Tendenzen, widerstand, und hatte dabei wie natürlich die Masse der Kleinstaaten auf seiner Seite. Es hat großer materieller und moralischer Erschütterungen bedurft, bevor der altväterische Glaube an die Haltbarkeit der Silberwährung inmitten einer zum Golde übergehenden oder schon übergegangenen Welt in den preußischen Negierungs¬ und Bankkreisen erst dem Zweifel, dann der Ueberzeugung von der Noth¬ wendigkeit eines Wechsels Platz machte. Den östreichischen Staats- und Finanzmännern mußte es freilich leichter fallen, die neue Wahrheit in sich aufzunehmen. Die Silberwährung bestand bei ihnen zu Lande längst nur noch dem Namen nach; in Wirklichkeit herrschte ein mit Disagio behaftetes Papiergeld, dessen Cours von Tag zu Tag schwankte. Wenn es einmal ge¬ lingen sollte, sich aus diesem Sumpf aus festes Land zu retten, so konnte das letztere offenbar ebensogut die Währung der Zukunft, wie die Währung der Vergangenheit sein, das Gold wie das Silber, — die Anstrengung wurde dadurch nicht größer. Ehe dagegen ein großer Staat mit völlig geordnetem Münzwesen sich entschließt, von der einen Währung zur anderen überzugehen, die ungeheuere Masse umlaufender Münzen einzuziehen und umzuprägen oder in ihrem gesetzlichen Werthe herabzusetzen, alle öffentlichen und individuellen Rechnungen in den Geldspalten zu ändern, müssen die Schattenseiten des Alten, die Vorzüge des Neuen sich schon sehr lebhaft und eindringlich geltend machen. Das Werk von 1857 konnte nur in einer so schlaffen und muthlosen Zeit wie die war, der es seine Entstehung verdankte, als halbwegs befrie¬ digend angesehen werden. Es scheiterte gänzlich mit dem unbedachten Ver¬ such, welchen es zur Abfindung der auf Uebergang zur Goldwährung drin¬ genden Interessen mit der Schaffung einer sogenannten Handelsgoldmünze machte. Die Kronen sind ein bloßes Schaustück geblieben. Ungeachtet ihrer ehrfurchtgebietenden Benennung hat der Verkehr sie aufs entschiedenste zurück¬ gewiesen. Das Bedürfniß nach einer in Menge umlaufenden Goldmünze, das der Großhandel, ja selbst der nicht handeltreibende Einzelne jeden Tag stärker empfindet, ist durch sie also nicht befriedigt worden. Man behilft sich mit Papiergeld, das demzufolge in Massen von unangemessen kleinen Apoints und in soviel verschiedenen Sorten, als es Souveräne und Banken gibt, vermehrt durch einige bevorzugte Communen, umläuft. Aber dies ist eben nur ein Notbehelf, und für Zahlungen im Auslande nicht einmal ein solcher, denn dort werden die gedruckten Zahlungsversprechungen deutscher Fürsten, Grenzboten I. 1868. I3

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/305>, abgerufen am 03.07.2024.