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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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dem das lästige, unvermeidliche Geschäft gethan, besann man sich, was von
Souveränitätsstücken übrig geblieben war, und man fand, daß im Grund
nur wenig verloren, daß noch immer ein recht erheblicher Bestand gerettet
war, mit dem sich gemüthlich weiter wirthschaften ließ. Es galt, sich wieder
so bequem als möglich in den vier Wänden des Particularstaats einzurichten.
Als ob man fast bereute, sich gar zu tief herabgelassen zu haben, stellte man
fest, daß für das Verhältniß zum Nordbund die definitive Form gegeben,
daß nunmehr die Reihe der Zugeständnisse an Preußen definitiv geschlossen
sei. Es erging ein Rundschreiben an die diplomatischen Vertreter S. Maj.
des Königs von Würtemberg im Ausland, das eben diesen Charakter der
abgeschlossenen Verträge bündig ins Licht setzte.

Am wenigsten konnte es überraschen, daß die in den Spuren der Re¬
gierung wandelnde Presse sich alsbald für den ihr eine Zeitlang auferlegten
Zwang ausgiebig entschädigte. Der Rücksichten auf die deutsche Partei ent¬
ledigt, konnte sie ungestört wieder dem Zug ihres Herzens folgen. Die
nationalen Redensarten hatten ihr auch in der That übel genug gestanden.
Jetzt ergossen sich die zurückgehaltenen Ströme ihrer Beredtsamkeit jauchzend
über das nationale Lager, über die entarteten Söhne des "Landes", wie
Probsts Commissionsbericht anmuthig sich ausgedrückt hatte.

Eben recht kam in diesem Augenblick der Regierung die Aussicht, auf
einer europäischen Conserenz sich im Vollglanz ungebrochener Souveränität
zeigen zu können. Auch am würtembergischen Hof ist, wie versichert ward,
die Einladung zum europäischen Concert mit aufrichtiger Genugthuung auf¬
genommen worden, wenn man auch die Form der Annahme vorsichtig wählte.
Man sah darin ein willkommenes Pflaster für die frische Wunde. Man
rüstete sich sogar bereits, seine Stimme in die Wagschale der weltlichen Herr¬
schaft des Papstes zu legen, und gedachte damit zwei Fliegen auf einen Schlag
zu treffen, nicht blos die Unabhängigkeit von Berlin zu zeigen, sondern auch
die Katholiken des eigenen Landes wieder zu gewinnen, die man seit der
preußischen Aera verstimmt und grollend zur Seite stehen sah.

Während bis dahin das Kriegsdepartement im Rufe stand, daß es auf¬
richtig, loyal und mit Eifer seine Reformen im Sinn der Annäherung an
das preußische System betreibe, erfuhr man jetzt, daß auch diese Reformen
anfingen ins Stocken zu gerathen. Die Arbeiten, hieß es, seien noch so
weit zurück, daß auch im nächsten Frühjahr die Aushebung wieder ganz in
der alten Weise, mit Loosziehen und Stellvertretung vor sich gehen werde.
Ob die Münchener Militärconferenz in dieselbe Reihe von Symptomen zu
stellen ist, bleibt bis aus nähere Nachrichten abzuwarten. Aber erfreulich
konnte es in keiner Weise berühren, daß anstatt directer Verständigung mit


dem das lästige, unvermeidliche Geschäft gethan, besann man sich, was von
Souveränitätsstücken übrig geblieben war, und man fand, daß im Grund
nur wenig verloren, daß noch immer ein recht erheblicher Bestand gerettet
war, mit dem sich gemüthlich weiter wirthschaften ließ. Es galt, sich wieder
so bequem als möglich in den vier Wänden des Particularstaats einzurichten.
Als ob man fast bereute, sich gar zu tief herabgelassen zu haben, stellte man
fest, daß für das Verhältniß zum Nordbund die definitive Form gegeben,
daß nunmehr die Reihe der Zugeständnisse an Preußen definitiv geschlossen
sei. Es erging ein Rundschreiben an die diplomatischen Vertreter S. Maj.
des Königs von Würtemberg im Ausland, das eben diesen Charakter der
abgeschlossenen Verträge bündig ins Licht setzte.

Am wenigsten konnte es überraschen, daß die in den Spuren der Re¬
gierung wandelnde Presse sich alsbald für den ihr eine Zeitlang auferlegten
Zwang ausgiebig entschädigte. Der Rücksichten auf die deutsche Partei ent¬
ledigt, konnte sie ungestört wieder dem Zug ihres Herzens folgen. Die
nationalen Redensarten hatten ihr auch in der That übel genug gestanden.
Jetzt ergossen sich die zurückgehaltenen Ströme ihrer Beredtsamkeit jauchzend
über das nationale Lager, über die entarteten Söhne des „Landes", wie
Probsts Commissionsbericht anmuthig sich ausgedrückt hatte.

Eben recht kam in diesem Augenblick der Regierung die Aussicht, auf
einer europäischen Conserenz sich im Vollglanz ungebrochener Souveränität
zeigen zu können. Auch am würtembergischen Hof ist, wie versichert ward,
die Einladung zum europäischen Concert mit aufrichtiger Genugthuung auf¬
genommen worden, wenn man auch die Form der Annahme vorsichtig wählte.
Man sah darin ein willkommenes Pflaster für die frische Wunde. Man
rüstete sich sogar bereits, seine Stimme in die Wagschale der weltlichen Herr¬
schaft des Papstes zu legen, und gedachte damit zwei Fliegen auf einen Schlag
zu treffen, nicht blos die Unabhängigkeit von Berlin zu zeigen, sondern auch
die Katholiken des eigenen Landes wieder zu gewinnen, die man seit der
preußischen Aera verstimmt und grollend zur Seite stehen sah.

Während bis dahin das Kriegsdepartement im Rufe stand, daß es auf¬
richtig, loyal und mit Eifer seine Reformen im Sinn der Annäherung an
das preußische System betreibe, erfuhr man jetzt, daß auch diese Reformen
anfingen ins Stocken zu gerathen. Die Arbeiten, hieß es, seien noch so
weit zurück, daß auch im nächsten Frühjahr die Aushebung wieder ganz in
der alten Weise, mit Loosziehen und Stellvertretung vor sich gehen werde.
Ob die Münchener Militärconferenz in dieselbe Reihe von Symptomen zu
stellen ist, bleibt bis aus nähere Nachrichten abzuwarten. Aber erfreulich
konnte es in keiner Weise berühren, daß anstatt directer Verständigung mit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/26>, abgerufen am 05.02.2025.