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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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worden sind, -- diese gleichzeitig in den Gang der großen pariser Ereignisse hinein zu
verarbeiten und doch der Einheit des Ganzen ihr Recht zu lassen, ist eine Ausgabe, deren
Lösung innerhalb des engen Rahmens von kaum 300 Seiten nur auf Kosten von
Einzelheiten erzielt werden kann, die doch nur ungern vermißt werden. Nichtsdesto¬
weniger bewährt sich auch hier das reiche Talent Hauffer's, mit wenigen Worten viel
zu sagen, in oft überraschender Weise. Abgesehen von der größeren Ausführlichkeit,
welche auf die Einleitung und die Geschichte der beiden ersten Jahre verwendet ist
und die der Rechtfertigung nicht erst bedarf, weil sie das Verständniß der folgenden
Ereignisse wesentlich bedingt, herrscht in der Behandlung der einzelnen Phasen
des furchtbaren Dramas das vollständigste Ebenmaß und nirgend wird bemerkbar,
daß der auf eine bestimmte Anzahl von Stunden beschränkte Lehrer dazu gezwungen
worden, die Schlußcapitel gedrängter und eiliger zu behandeln, als die früheren
Abschnitte. Es erscheint durchaus gerechtfertigt, daß die Teilnehmer der Action
je nach der Wichtigkeit der Rolle, welche sie gespielt, nicht nach dem Interesse,
welches sie an und für sich haben, behandelt werden. Von manchen hätten wir
allerdings gern ausführlicher gehört. Die einzelnen Charakteristiken, welche Hauffer
von den Hauptpersonen, wie Mirabeau, Robespierre, Danton, Bonaparte (mit der
Beurtheilung Se. Justes ließe sich streiten) u. s. w. entwirft, reizen das Verlangen
des Lesers nach entsprechenden Beurtheilungen der übrigen Acteure, denn gerade in
der lebendigen Auffassung und dem feinen Verständniß für die einzelnen Charaktere
bewährt sich Häussers historisches Talent am glänzendsten.

Freilich tragen die Kürze und Gedrungenheit des vorliegenden Hauffer'schen
Buchs wiederum dazu bei, demselben die eigenthümliche Bedeutung zu geben, welche
es -- unseres Erachtens -- in der neueren historischen Literatur der Deutschen
haben wird. Es hat die Bestimmung, ein Volksbuch über französische Revolu-
tionsgeschichte im edelsten Sinne des Worts zu sein. An ausführlichen, in wissen¬
schaftlicher Absicht geschriebenen Werken über den in Rede stehenden Zeitabschnitt haben
wir keinen Mangel, zumal die hervorragenderen französischen Arbeiten auch der
Mehrzahl unserer Leser zugänglich sind. Ein Volksbuch, das die Geschichte der
I. 1779--1799 weiteren Kreisen der Gebildeten unserer Nation zugänglich machte
und ein wahres Verständniß auf Grund der neueren Forschungen ermöglichte, hat
es bis jetzt noch nicht gegeben. Bis in unsere Tage hinein waren die abenteuer¬
lichen Vorstellungen, welche das Restaurationszeitalter über die Männer von 1789
in Curs gesetzt hatte, in der Schule und in manchen Classen der deutschen Ge¬
sellschaft die herrschenden. Diese Lücke ausgefüllt und damit dem früh ver¬
storbenen Autor der "deutschen Geschichte vom Tode Friedrichs des Großen bis zum
wiener Kongreß" einen neuen Anspruch auf die Dankbarkeit des Volksgedächt¬
nisses gesichert zu haben, ist das unbestreitbare Verdienst des gewissenhaften Her¬
ausgebers. . ,




Verantwortliche Redacteure: Gustav Freytag u. Julius Eckardt.
Verlag vo" F. L. Herbig. -- Druck von Hüthel Legler in Leipzig.

worden sind, — diese gleichzeitig in den Gang der großen pariser Ereignisse hinein zu
verarbeiten und doch der Einheit des Ganzen ihr Recht zu lassen, ist eine Ausgabe, deren
Lösung innerhalb des engen Rahmens von kaum 300 Seiten nur auf Kosten von
Einzelheiten erzielt werden kann, die doch nur ungern vermißt werden. Nichtsdesto¬
weniger bewährt sich auch hier das reiche Talent Hauffer's, mit wenigen Worten viel
zu sagen, in oft überraschender Weise. Abgesehen von der größeren Ausführlichkeit,
welche auf die Einleitung und die Geschichte der beiden ersten Jahre verwendet ist
und die der Rechtfertigung nicht erst bedarf, weil sie das Verständniß der folgenden
Ereignisse wesentlich bedingt, herrscht in der Behandlung der einzelnen Phasen
des furchtbaren Dramas das vollständigste Ebenmaß und nirgend wird bemerkbar,
daß der auf eine bestimmte Anzahl von Stunden beschränkte Lehrer dazu gezwungen
worden, die Schlußcapitel gedrängter und eiliger zu behandeln, als die früheren
Abschnitte. Es erscheint durchaus gerechtfertigt, daß die Teilnehmer der Action
je nach der Wichtigkeit der Rolle, welche sie gespielt, nicht nach dem Interesse,
welches sie an und für sich haben, behandelt werden. Von manchen hätten wir
allerdings gern ausführlicher gehört. Die einzelnen Charakteristiken, welche Hauffer
von den Hauptpersonen, wie Mirabeau, Robespierre, Danton, Bonaparte (mit der
Beurtheilung Se. Justes ließe sich streiten) u. s. w. entwirft, reizen das Verlangen
des Lesers nach entsprechenden Beurtheilungen der übrigen Acteure, denn gerade in
der lebendigen Auffassung und dem feinen Verständniß für die einzelnen Charaktere
bewährt sich Häussers historisches Talent am glänzendsten.

Freilich tragen die Kürze und Gedrungenheit des vorliegenden Hauffer'schen
Buchs wiederum dazu bei, demselben die eigenthümliche Bedeutung zu geben, welche
es — unseres Erachtens — in der neueren historischen Literatur der Deutschen
haben wird. Es hat die Bestimmung, ein Volksbuch über französische Revolu-
tionsgeschichte im edelsten Sinne des Worts zu sein. An ausführlichen, in wissen¬
schaftlicher Absicht geschriebenen Werken über den in Rede stehenden Zeitabschnitt haben
wir keinen Mangel, zumal die hervorragenderen französischen Arbeiten auch der
Mehrzahl unserer Leser zugänglich sind. Ein Volksbuch, das die Geschichte der
I. 1779—1799 weiteren Kreisen der Gebildeten unserer Nation zugänglich machte
und ein wahres Verständniß auf Grund der neueren Forschungen ermöglichte, hat
es bis jetzt noch nicht gegeben. Bis in unsere Tage hinein waren die abenteuer¬
lichen Vorstellungen, welche das Restaurationszeitalter über die Männer von 1789
in Curs gesetzt hatte, in der Schule und in manchen Classen der deutschen Ge¬
sellschaft die herrschenden. Diese Lücke ausgefüllt und damit dem früh ver¬
storbenen Autor der „deutschen Geschichte vom Tode Friedrichs des Großen bis zum
wiener Kongreß" einen neuen Anspruch auf die Dankbarkeit des Volksgedächt¬
nisses gesichert zu haben, ist das unbestreitbare Verdienst des gewissenhaften Her¬
ausgebers. . ,




Verantwortliche Redacteure: Gustav Freytag u. Julius Eckardt.
Verlag vo» F. L. Herbig. — Druck von Hüthel Legler in Leipzig.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/248>, abgerufen am 22.07.2024.