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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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am weitesten getrieben worden ist, der des Pelzwerks. Pelzkleider sind zwar
immer in Italien bekannt gewesen, doch hat die eigentliche Verbreitung der
Pelzröcke erst im fünften Jahrhundert mit der germanischen Einwanderung
begonnen. Die Felle, die im Tarif des Diocletian aufgezählt werden, sind
fast ausschließlich entweder sehr wohlfeile, oder solche, die nur zu Decken verwen¬
det wurden: nämlich von Rindern, Ziegen, Schafen, Lämmern, Rehen, wil¬
den Schafen, Hirschen, Mardern, Bibern, Bären, Wölfen, Füchsen, Leoparden,
Hyänen, Löwen und Robben. Unbekannt war dem Alterthum auch die in
neueren Zeiten so vielfach im Uebermaß beliebte Verschwendung der Stoffe
zu übermäßiger Länge und Weite der Kleider, und alle jene geflissentlicher
Entstellungen der menschlichen Gestalt, als Schnabelschuhe. Hüstpolster, Schlepp-
kleider u. tgi. Perücken sind freilich eine sehr alte Erfindung; sie waren in
Aegypten ganz gewöhnlich und gehörten zur modischen Königstracht, in Rom
kommen sie mindestens seit Beginn der Kaiserzeit bet Männern und Frauen
vor, besonders waren im ersten Jahrhundert blonde beliebt, deren Haare aus
Deutschland bezogen wurden. Niemals wurde aber die Mode so allgemein, als
im 17. und 18. Jahrhundert, und war auch schwerlich jemals so kostspielig;
denn Allongeperücken konnten bis 1000 Thaler kosten. Wie an Büsten von
Kaiserinnen die Frisuren zum Abnehmen eingerichtet sind, offenbar um mit
der wechselnden Mode Schritt zu halten, so ist auch im Revolutionszeitalter
von Frauen nach der Beschaffenheit der Toiletten mehrmals mit der Perücke
gewechselt worden. Uebrigens war allem Anschein nach der Luxus der Tracht,
der durch den häufigen Wechsel der Mode bedingt ist, im Alterthum sehr
viel geringer, als im Mittelalter und der neueren Zeit. Ferner war die
antike Tracht insofern viel einfacher als die moderne, als sie aus einer gerin¬
geren Zahl von Stücken bestand, auch waren die durch den Wechsel der
Jahreszeiten bedingten Veränderungen nicht so vielfach und durchgreifend,
wie in nordischen Ländern. Ob der Luxus, die Kleider mehrmals am Tage
zu wechseln, verbreitet war, muß aus Mangel an Nachrichten dahingestellt
bleiben. Erwähnt wird dies, soviel ich weiß, nur ein einziges Mal von
einem reichen Parvenü, der überhaupt einen übertriebenen und geschmacklosen
Luxus zur Schau trägt: er wechselt elf Mal während einer Mahlzeit die
Kleider. Nach Marquardts sehr annehmbarer Vermuthung war der öftere
Kleiderwechsel bei der Mahlzeit gewöhnlich und man hatte eine ganze Gar¬
nitur von Kleidern für diesen Zweck vorräthig. Mag dies aber auch sonst
vorgekommen sein, so hat doch allem Anschein nach hierin das Alterthum im
Ganzen hinter der neuen Zeit zurückgestanden. Gegen das Ende des sechs¬
zehnten Jahrhunderts z. B. klagten die Geistlichen, "daß man nicht bloß
alle Tage ein anderes Kleid tragen wolle, sondern täglich mehrere Male
wechsele." Im Anfang des siebzehnten Jahrhunderts hinterließ eine Ehefrau


am weitesten getrieben worden ist, der des Pelzwerks. Pelzkleider sind zwar
immer in Italien bekannt gewesen, doch hat die eigentliche Verbreitung der
Pelzröcke erst im fünften Jahrhundert mit der germanischen Einwanderung
begonnen. Die Felle, die im Tarif des Diocletian aufgezählt werden, sind
fast ausschließlich entweder sehr wohlfeile, oder solche, die nur zu Decken verwen¬
det wurden: nämlich von Rindern, Ziegen, Schafen, Lämmern, Rehen, wil¬
den Schafen, Hirschen, Mardern, Bibern, Bären, Wölfen, Füchsen, Leoparden,
Hyänen, Löwen und Robben. Unbekannt war dem Alterthum auch die in
neueren Zeiten so vielfach im Uebermaß beliebte Verschwendung der Stoffe
zu übermäßiger Länge und Weite der Kleider, und alle jene geflissentlicher
Entstellungen der menschlichen Gestalt, als Schnabelschuhe. Hüstpolster, Schlepp-
kleider u. tgi. Perücken sind freilich eine sehr alte Erfindung; sie waren in
Aegypten ganz gewöhnlich und gehörten zur modischen Königstracht, in Rom
kommen sie mindestens seit Beginn der Kaiserzeit bet Männern und Frauen
vor, besonders waren im ersten Jahrhundert blonde beliebt, deren Haare aus
Deutschland bezogen wurden. Niemals wurde aber die Mode so allgemein, als
im 17. und 18. Jahrhundert, und war auch schwerlich jemals so kostspielig;
denn Allongeperücken konnten bis 1000 Thaler kosten. Wie an Büsten von
Kaiserinnen die Frisuren zum Abnehmen eingerichtet sind, offenbar um mit
der wechselnden Mode Schritt zu halten, so ist auch im Revolutionszeitalter
von Frauen nach der Beschaffenheit der Toiletten mehrmals mit der Perücke
gewechselt worden. Uebrigens war allem Anschein nach der Luxus der Tracht,
der durch den häufigen Wechsel der Mode bedingt ist, im Alterthum sehr
viel geringer, als im Mittelalter und der neueren Zeit. Ferner war die
antike Tracht insofern viel einfacher als die moderne, als sie aus einer gerin¬
geren Zahl von Stücken bestand, auch waren die durch den Wechsel der
Jahreszeiten bedingten Veränderungen nicht so vielfach und durchgreifend,
wie in nordischen Ländern. Ob der Luxus, die Kleider mehrmals am Tage
zu wechseln, verbreitet war, muß aus Mangel an Nachrichten dahingestellt
bleiben. Erwähnt wird dies, soviel ich weiß, nur ein einziges Mal von
einem reichen Parvenü, der überhaupt einen übertriebenen und geschmacklosen
Luxus zur Schau trägt: er wechselt elf Mal während einer Mahlzeit die
Kleider. Nach Marquardts sehr annehmbarer Vermuthung war der öftere
Kleiderwechsel bei der Mahlzeit gewöhnlich und man hatte eine ganze Gar¬
nitur von Kleidern für diesen Zweck vorräthig. Mag dies aber auch sonst
vorgekommen sein, so hat doch allem Anschein nach hierin das Alterthum im
Ganzen hinter der neuen Zeit zurückgestanden. Gegen das Ende des sechs¬
zehnten Jahrhunderts z. B. klagten die Geistlichen, „daß man nicht bloß
alle Tage ein anderes Kleid tragen wolle, sondern täglich mehrere Male
wechsele." Im Anfang des siebzehnten Jahrhunderts hinterließ eine Ehefrau


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[0216] am weitesten getrieben worden ist, der des Pelzwerks. Pelzkleider sind zwar immer in Italien bekannt gewesen, doch hat die eigentliche Verbreitung der Pelzröcke erst im fünften Jahrhundert mit der germanischen Einwanderung begonnen. Die Felle, die im Tarif des Diocletian aufgezählt werden, sind fast ausschließlich entweder sehr wohlfeile, oder solche, die nur zu Decken verwen¬ det wurden: nämlich von Rindern, Ziegen, Schafen, Lämmern, Rehen, wil¬ den Schafen, Hirschen, Mardern, Bibern, Bären, Wölfen, Füchsen, Leoparden, Hyänen, Löwen und Robben. Unbekannt war dem Alterthum auch die in neueren Zeiten so vielfach im Uebermaß beliebte Verschwendung der Stoffe zu übermäßiger Länge und Weite der Kleider, und alle jene geflissentlicher Entstellungen der menschlichen Gestalt, als Schnabelschuhe. Hüstpolster, Schlepp- kleider u. tgi. Perücken sind freilich eine sehr alte Erfindung; sie waren in Aegypten ganz gewöhnlich und gehörten zur modischen Königstracht, in Rom kommen sie mindestens seit Beginn der Kaiserzeit bet Männern und Frauen vor, besonders waren im ersten Jahrhundert blonde beliebt, deren Haare aus Deutschland bezogen wurden. Niemals wurde aber die Mode so allgemein, als im 17. und 18. Jahrhundert, und war auch schwerlich jemals so kostspielig; denn Allongeperücken konnten bis 1000 Thaler kosten. Wie an Büsten von Kaiserinnen die Frisuren zum Abnehmen eingerichtet sind, offenbar um mit der wechselnden Mode Schritt zu halten, so ist auch im Revolutionszeitalter von Frauen nach der Beschaffenheit der Toiletten mehrmals mit der Perücke gewechselt worden. Uebrigens war allem Anschein nach der Luxus der Tracht, der durch den häufigen Wechsel der Mode bedingt ist, im Alterthum sehr viel geringer, als im Mittelalter und der neueren Zeit. Ferner war die antike Tracht insofern viel einfacher als die moderne, als sie aus einer gerin¬ geren Zahl von Stücken bestand, auch waren die durch den Wechsel der Jahreszeiten bedingten Veränderungen nicht so vielfach und durchgreifend, wie in nordischen Ländern. Ob der Luxus, die Kleider mehrmals am Tage zu wechseln, verbreitet war, muß aus Mangel an Nachrichten dahingestellt bleiben. Erwähnt wird dies, soviel ich weiß, nur ein einziges Mal von einem reichen Parvenü, der überhaupt einen übertriebenen und geschmacklosen Luxus zur Schau trägt: er wechselt elf Mal während einer Mahlzeit die Kleider. Nach Marquardts sehr annehmbarer Vermuthung war der öftere Kleiderwechsel bei der Mahlzeit gewöhnlich und man hatte eine ganze Gar¬ nitur von Kleidern für diesen Zweck vorräthig. Mag dies aber auch sonst vorgekommen sein, so hat doch allem Anschein nach hierin das Alterthum im Ganzen hinter der neuen Zeit zurückgestanden. Gegen das Ende des sechs¬ zehnten Jahrhunderts z. B. klagten die Geistlichen, „daß man nicht bloß alle Tage ein anderes Kleid tragen wolle, sondern täglich mehrere Male wechsele." Im Anfang des siebzehnten Jahrhunderts hinterließ eine Ehefrau

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/216>, abgerufen am 25.08.2024.