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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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Sallon und Austausch der Culturgewächse die verschiedenen Vegetationen bis
auf einen gewissen Grad ausgeglichen, namentlich denen der nördlicheren
Länder einen mehr südlichen Charakter aufgeprägt.

Der Abschnitt über die Kleidung ist sehr geeignet, die übertriebenen
Borstellungen von dem römischen Luxus zu beschränken. Der hauptsäch¬
lichste, lange Zeit der einzige Kleiderstoff war die Wolle. Leinwand, deren
Produktion seit uralter Zeit in Aegypten blühte, lieferte Italien nur wenig
und niemals besonders fein; diese brachte erst der Verkehr mit dem Orient
in Aufnahme. Bei den Männern scheinen leinene Tuniken und Hem¬
den nicht vor dem dritten und vierten Jahrhundert allgemein geworden zu
sein. Von seidnen Fabrikaten waren bis zum Anfang des dritten Jahr¬
hunderts nur halbseidene verbreitet, die wie alle kostbarern Stoffe vorzugs¬
weise von Frauen getragen wurden, mit Ausnahme Roms offenbar nicht
häusig, denn Galenus sagt, daß, falls ein Arzt Seide bedürfe, er sie sich
leicht von reichen Frauen verschaffen könnte, die sie an vielen Orten des
römischen Reiches besäßen, "besonders in großen Städten". Erst im dritten
Jahrhundert wurden schwere, ganzseidne Stoffe in Rom bekannt, die man
noch mit Golde aufwog; hundert Jahre später freilich wurde in Folge der
Zunahme des Handelsverkehrs mit dem Osten, Seide schon von geringen
Leuten getragen. Die Verwendung von Mousselinen und andern baum¬
wollenen Stoffen zu Kleidern scheint immer beschränkt geblieben zu sein.
Ein sehr beschränkter Luxus war im Alterthum der Gebrauch ganz silberner
und ganz goldener Stoffe; der erster" wird nur einigemal im Orient, der
letztern in der Kaiserzeit nur dreimal erwähnt, Caligula, Heliogabal und die
jüngere Agrippina haben deren getragen. Der Mantel der Mutter Neros
.aus gewebten Golde ohne anderen Stoff" war ein beispielloses Prachtstück,
dessen sogar Tacitus in der Geschichte jener Zeit gedenkt. Im Anfange des
sechszehnten Jahrhunderts waren solche Stoffe sehr verbreitet; Karl der
Kühne hatte z. B. zur Schlacht von Granson 400 Kisten mit Silber- und
Goldstoffen, darunter allein hundert gestickte goldene Röcke für sich mitge¬
nommen. seidene und wollene Stoffe mit Gold durchwirkt, waren aller¬
dings in der Kaiserzeit häusig, theils wurden sie zu Teppichen und Decken
verwendet, theils zu Kleidern, die aber in den ersten Jahrhunderten nur
ganz ausnahmsweise von Männern getragen wurden. Die Verzierung der
Kleider mit Metallstickerei, mit der im Mittelalter und in neueren Zeiten
so viel Luxus getrieben wurde, war im römischen Alterthum auf die Tracht
der triumphirenden Feldherrn und ähnliche Staatskleider beschränkt; übri¬
gens fand die Stickerei bei Teppichen, Vorhängen und Decken Anwendung,
mit denen man Stühle, Kissen, Divans und Betten belegte. Ganz unbekannt
war dem Alterthum endlich derjenige Kleiderluxus, der in neuerer Zeit wohl


Sallon und Austausch der Culturgewächse die verschiedenen Vegetationen bis
auf einen gewissen Grad ausgeglichen, namentlich denen der nördlicheren
Länder einen mehr südlichen Charakter aufgeprägt.

Der Abschnitt über die Kleidung ist sehr geeignet, die übertriebenen
Borstellungen von dem römischen Luxus zu beschränken. Der hauptsäch¬
lichste, lange Zeit der einzige Kleiderstoff war die Wolle. Leinwand, deren
Produktion seit uralter Zeit in Aegypten blühte, lieferte Italien nur wenig
und niemals besonders fein; diese brachte erst der Verkehr mit dem Orient
in Aufnahme. Bei den Männern scheinen leinene Tuniken und Hem¬
den nicht vor dem dritten und vierten Jahrhundert allgemein geworden zu
sein. Von seidnen Fabrikaten waren bis zum Anfang des dritten Jahr¬
hunderts nur halbseidene verbreitet, die wie alle kostbarern Stoffe vorzugs¬
weise von Frauen getragen wurden, mit Ausnahme Roms offenbar nicht
häusig, denn Galenus sagt, daß, falls ein Arzt Seide bedürfe, er sie sich
leicht von reichen Frauen verschaffen könnte, die sie an vielen Orten des
römischen Reiches besäßen, „besonders in großen Städten". Erst im dritten
Jahrhundert wurden schwere, ganzseidne Stoffe in Rom bekannt, die man
noch mit Golde aufwog; hundert Jahre später freilich wurde in Folge der
Zunahme des Handelsverkehrs mit dem Osten, Seide schon von geringen
Leuten getragen. Die Verwendung von Mousselinen und andern baum¬
wollenen Stoffen zu Kleidern scheint immer beschränkt geblieben zu sein.
Ein sehr beschränkter Luxus war im Alterthum der Gebrauch ganz silberner
und ganz goldener Stoffe; der erster» wird nur einigemal im Orient, der
letztern in der Kaiserzeit nur dreimal erwähnt, Caligula, Heliogabal und die
jüngere Agrippina haben deren getragen. Der Mantel der Mutter Neros
.aus gewebten Golde ohne anderen Stoff" war ein beispielloses Prachtstück,
dessen sogar Tacitus in der Geschichte jener Zeit gedenkt. Im Anfange des
sechszehnten Jahrhunderts waren solche Stoffe sehr verbreitet; Karl der
Kühne hatte z. B. zur Schlacht von Granson 400 Kisten mit Silber- und
Goldstoffen, darunter allein hundert gestickte goldene Röcke für sich mitge¬
nommen. seidene und wollene Stoffe mit Gold durchwirkt, waren aller¬
dings in der Kaiserzeit häusig, theils wurden sie zu Teppichen und Decken
verwendet, theils zu Kleidern, die aber in den ersten Jahrhunderten nur
ganz ausnahmsweise von Männern getragen wurden. Die Verzierung der
Kleider mit Metallstickerei, mit der im Mittelalter und in neueren Zeiten
so viel Luxus getrieben wurde, war im römischen Alterthum auf die Tracht
der triumphirenden Feldherrn und ähnliche Staatskleider beschränkt; übri¬
gens fand die Stickerei bei Teppichen, Vorhängen und Decken Anwendung,
mit denen man Stühle, Kissen, Divans und Betten belegte. Ganz unbekannt
war dem Alterthum endlich derjenige Kleiderluxus, der in neuerer Zeit wohl


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[0215] Sallon und Austausch der Culturgewächse die verschiedenen Vegetationen bis auf einen gewissen Grad ausgeglichen, namentlich denen der nördlicheren Länder einen mehr südlichen Charakter aufgeprägt. Der Abschnitt über die Kleidung ist sehr geeignet, die übertriebenen Borstellungen von dem römischen Luxus zu beschränken. Der hauptsäch¬ lichste, lange Zeit der einzige Kleiderstoff war die Wolle. Leinwand, deren Produktion seit uralter Zeit in Aegypten blühte, lieferte Italien nur wenig und niemals besonders fein; diese brachte erst der Verkehr mit dem Orient in Aufnahme. Bei den Männern scheinen leinene Tuniken und Hem¬ den nicht vor dem dritten und vierten Jahrhundert allgemein geworden zu sein. Von seidnen Fabrikaten waren bis zum Anfang des dritten Jahr¬ hunderts nur halbseidene verbreitet, die wie alle kostbarern Stoffe vorzugs¬ weise von Frauen getragen wurden, mit Ausnahme Roms offenbar nicht häusig, denn Galenus sagt, daß, falls ein Arzt Seide bedürfe, er sie sich leicht von reichen Frauen verschaffen könnte, die sie an vielen Orten des römischen Reiches besäßen, „besonders in großen Städten". Erst im dritten Jahrhundert wurden schwere, ganzseidne Stoffe in Rom bekannt, die man noch mit Golde aufwog; hundert Jahre später freilich wurde in Folge der Zunahme des Handelsverkehrs mit dem Osten, Seide schon von geringen Leuten getragen. Die Verwendung von Mousselinen und andern baum¬ wollenen Stoffen zu Kleidern scheint immer beschränkt geblieben zu sein. Ein sehr beschränkter Luxus war im Alterthum der Gebrauch ganz silberner und ganz goldener Stoffe; der erster» wird nur einigemal im Orient, der letztern in der Kaiserzeit nur dreimal erwähnt, Caligula, Heliogabal und die jüngere Agrippina haben deren getragen. Der Mantel der Mutter Neros .aus gewebten Golde ohne anderen Stoff" war ein beispielloses Prachtstück, dessen sogar Tacitus in der Geschichte jener Zeit gedenkt. Im Anfange des sechszehnten Jahrhunderts waren solche Stoffe sehr verbreitet; Karl der Kühne hatte z. B. zur Schlacht von Granson 400 Kisten mit Silber- und Goldstoffen, darunter allein hundert gestickte goldene Röcke für sich mitge¬ nommen. seidene und wollene Stoffe mit Gold durchwirkt, waren aller¬ dings in der Kaiserzeit häusig, theils wurden sie zu Teppichen und Decken verwendet, theils zu Kleidern, die aber in den ersten Jahrhunderten nur ganz ausnahmsweise von Männern getragen wurden. Die Verzierung der Kleider mit Metallstickerei, mit der im Mittelalter und in neueren Zeiten so viel Luxus getrieben wurde, war im römischen Alterthum auf die Tracht der triumphirenden Feldherrn und ähnliche Staatskleider beschränkt; übri¬ gens fand die Stickerei bei Teppichen, Vorhängen und Decken Anwendung, mit denen man Stühle, Kissen, Divans und Betten belegte. Ganz unbekannt war dem Alterthum endlich derjenige Kleiderluxus, der in neuerer Zeit wohl

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/215>, abgerufen am 25.08.2024.