Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.höhnisches Lächeln der feudalen Herren hervor. Es ist übrigens nicht ledig¬ Wenig beneidenswerth ist die Lage der süddeutschen Staaten. Nicht ohne höhnisches Lächeln der feudalen Herren hervor. Es ist übrigens nicht ledig¬ Wenig beneidenswerth ist die Lage der süddeutschen Staaten. Nicht ohne <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0200" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117206"/> <p xml:id="ID_536" prev="#ID_535"> höhnisches Lächeln der feudalen Herren hervor. Es ist übrigens nicht ledig¬<lb/> lich die Abneigung gegen das Prinzip der Selbsthilfe, was diese Classe von<lb/> Gesetzgebern zu Gegnern des Genossenschaftswesens macht, sondern es wirken<lb/> auch wohl Motive materieller Art mit ein. Die Vorschußvereine haben in<lb/> der That einen großen Theil der kleinen Capitalien an sich gezogen, welche<lb/> bis dahin den in den meisten mecklenburgischen Städten bestehenden Spar-<lb/> cassen älteren Systems und aus diesen wieder den Gutsbesitzern auf ihre<lb/> Hypotheken zuflössen. Dadurch werden die Sparcassen''genöthigt, ihr Geld<lb/> successive aus den ritterschaftlichen Hypotheken herauszuziehen und dies wird<lb/> in um so größerem Maße geschehen, als die Sparkassen unter der Einwirkung<lb/> der Vorschußvereine einen Rückgang in ihrem Geschäfte erfahren. Es gefällt<lb/> nun natürlich den Rittergutsbesitzern nicht, daß die angenehme Quelle für<lb/> billige Capitalien, deren sie sich bisher zu erfreuen hatten, mehr und mehr<lb/> versiegt und sie zürnen daher den Instituten, welche sie mit Recht für die<lb/> eigentlichen Urheber dieser Abminderung des ihnen bisher zur Verfügung ge¬<lb/> standenen Capitals ansehen. — Der Landtag verstand sich schließlich zu der von<lb/> der Regierung proponirten Auskunft, denjenigen Vorschußvereinen, welche die<lb/> landesherrliche Bestätigung nachsuchen und erlangen würden, die Befreiung<lb/> von der Zinsensteuer zu bewilligen. Da aber die landesherrliche Bestätigung,<lb/> nach bisherigen analogen Erfahrungen, nur unter, dem Vorbehalt der Zu¬<lb/> stimmung zu jeder Veränderung im Statut ertheilt zu werden pflegt und<lb/> auch außerdem mancherlei büreaukratische Plackereien, vielleicht auch Kosten im<lb/> Gefolge haben würde, so werden wahrscheinlich nur wenige Vereine sich dazu<lb/> verstehen, um den Preis einer Ersparung der Zinsensteuer ihre Freiheit zu<lb/> verkaufen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> </head><lb/> <p xml:id="ID_537"> Wenig beneidenswerth ist die Lage der süddeutschen Staaten. Nicht ohne<lb/> unsere Schuld hat die deutsche Staatsbildung vorläufig.am Main Halt ge¬<lb/> macht. Es ist demüthigend zu wissen, daß wir nur durch Verträge, nicht durch<lb/> eine Verfassung mit dem deutschen Staat zusammenhängen. Wir sind nicht<lb/> für voll gerechnet; nicht Bürger sind wir, sondern Schutzverwandte des Reichs.<lb/> Auf dieser Seile gebunden, auf jener frei, besitzen unsere Höfe immer noch<lb/> die Möglichkeit politischer Experimente, immer noch sind sie mögliche Stätten<lb/> fremder Intriguen, von welchen aus das Werk der Einigung nicht auf die<lb/> Dauer verhindert, doch verzögert und zeitweise durchkreuzt werden kann.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0200]
höhnisches Lächeln der feudalen Herren hervor. Es ist übrigens nicht ledig¬
lich die Abneigung gegen das Prinzip der Selbsthilfe, was diese Classe von
Gesetzgebern zu Gegnern des Genossenschaftswesens macht, sondern es wirken
auch wohl Motive materieller Art mit ein. Die Vorschußvereine haben in
der That einen großen Theil der kleinen Capitalien an sich gezogen, welche
bis dahin den in den meisten mecklenburgischen Städten bestehenden Spar-
cassen älteren Systems und aus diesen wieder den Gutsbesitzern auf ihre
Hypotheken zuflössen. Dadurch werden die Sparcassen''genöthigt, ihr Geld
successive aus den ritterschaftlichen Hypotheken herauszuziehen und dies wird
in um so größerem Maße geschehen, als die Sparkassen unter der Einwirkung
der Vorschußvereine einen Rückgang in ihrem Geschäfte erfahren. Es gefällt
nun natürlich den Rittergutsbesitzern nicht, daß die angenehme Quelle für
billige Capitalien, deren sie sich bisher zu erfreuen hatten, mehr und mehr
versiegt und sie zürnen daher den Instituten, welche sie mit Recht für die
eigentlichen Urheber dieser Abminderung des ihnen bisher zur Verfügung ge¬
standenen Capitals ansehen. — Der Landtag verstand sich schließlich zu der von
der Regierung proponirten Auskunft, denjenigen Vorschußvereinen, welche die
landesherrliche Bestätigung nachsuchen und erlangen würden, die Befreiung
von der Zinsensteuer zu bewilligen. Da aber die landesherrliche Bestätigung,
nach bisherigen analogen Erfahrungen, nur unter, dem Vorbehalt der Zu¬
stimmung zu jeder Veränderung im Statut ertheilt zu werden pflegt und
auch außerdem mancherlei büreaukratische Plackereien, vielleicht auch Kosten im
Gefolge haben würde, so werden wahrscheinlich nur wenige Vereine sich dazu
verstehen, um den Preis einer Ersparung der Zinsensteuer ihre Freiheit zu
verkaufen.
Wenig beneidenswerth ist die Lage der süddeutschen Staaten. Nicht ohne
unsere Schuld hat die deutsche Staatsbildung vorläufig.am Main Halt ge¬
macht. Es ist demüthigend zu wissen, daß wir nur durch Verträge, nicht durch
eine Verfassung mit dem deutschen Staat zusammenhängen. Wir sind nicht
für voll gerechnet; nicht Bürger sind wir, sondern Schutzverwandte des Reichs.
Auf dieser Seile gebunden, auf jener frei, besitzen unsere Höfe immer noch
die Möglichkeit politischer Experimente, immer noch sind sie mögliche Stätten
fremder Intriguen, von welchen aus das Werk der Einigung nicht auf die
Dauer verhindert, doch verzögert und zeitweise durchkreuzt werden kann.
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