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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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Schulgeld für jedes Kind erhöhet wurde. Dagegen wurde die Errichtung
der Bildungsanstalt und das Aufgeben der Kündigungsbefugniß ehrerbietigst
abgelehnt, auch das erhöhet" Minimum nicht auf die bereits angestellten
Lehrer erstreckt. Die Verhandlung gewährte einen lehrreichen Einblick in die
Anschauungsweise der feudalen Gesetzgeber. Da es sich hier um eine An¬
gelegenheit handelte, welche das pecuniäre Interesse der Einzelnen sehr nahe
anging, so waren die Ritter sehr zahlreich erschienen und die Gemüther auf¬
geregter als gewöhnlich. Das ministerielle Blatt selbst berichtet, daß nicht
selten mindestens zehn Redner auf einmal sich hören ließen. Bei der Be¬
Berathung über das Schulgeld wurde die vom Comite vorgeschlagene Be¬
stimmung, daß alle Ortseinwohner, ausgenommen der Gutsbesitzer und der
Prediger, für ihre Kinder das Schulgeld an ihrem Orte zu entrichten hätten,
auch wenn dieselben, mit Genehmigung des Gutsherrn, eine andere Schule
besuchten, von dem Landrath v. Rieden warm befürwortet. Denn es gebe
jetzt eine Menge von Leuten, welche lediglich aus Hochmuth und Eitelkeit,
aus bloßer Sucht zu glänzen, ihre Kinder auf eine andere Schule schickten.
Ein Bürgermeister erlaubte sich den bescheidenen Einwan'd, daß es doch wohl
Unrecht wäre, Eltern dafür zu strafen, wenn sie ihren Kindern besseren
Unterricht ertheilen ließen, als. er an ihrem Wohnorte zu haben wäre. Er
rief aber dadurch große Aufregung und lebhaften Widerspruch hervor und
die Versammlung entschied sich durch Acclamation für den Vorschlag des
Comite. Herr von Oertzen auf Roggow äußerte den Wunsch, daß die bis¬
herige Sitte der Verbindung eines Handwerksbetriebes mit dem Schulmeister¬
amt beibehalten werden möchte. Denn Arbeit thue einem Menschen gut und
sonst wüßten die Lehrer namentlich während der Ferien nicht, sich zu be¬
schäftigen. Man müsse sie vor dem Nichtsthun bewahren und jeder Obrig¬
keit überlassen, mit ihren Gehaltsansprüchen fertig zu werden.

Daß es nach den gemachten Erfahrungen der Regierung noch immer
möglich ist, für die Reform eines besonderen ritterschaftlichen Schulwesens zu
wirken, und daß sie nicht auch an diesem Punkte gewahr wird, wie noth¬
wendig es ist, dem Staatswesen eine einheitliche Gestalt zu geben, ist schwer
begreiflich.

Kaum glücklicher wird der Versuch auslaufen, die Errichtung von Erb-
zinsstellen auf ritterschaftlichen Gütern zu erleichtern und dadurch zu be¬
fördern. Die Negierung machte die Entdeckung, daß seit dem Jahre 1827,
wo ein Gesetz zu gleichem Zwecke erlassen worden war, eine Vermehrung des
kleinen Grundbesitzes auf ritterschaftlichen Gütern nicht eingetreten ist, und
sie fand dies darin begründet^ daß durch eine Reihe von Bestimmungen jenes
Gesetzes die Errichtung von Erbzinsstellen theils geradezu ausgeschlossen, theils
erheblich erschwert werde. Sie suchte nun diesen Uebelständen durch einen

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Schulgeld für jedes Kind erhöhet wurde. Dagegen wurde die Errichtung
der Bildungsanstalt und das Aufgeben der Kündigungsbefugniß ehrerbietigst
abgelehnt, auch das erhöhet« Minimum nicht auf die bereits angestellten
Lehrer erstreckt. Die Verhandlung gewährte einen lehrreichen Einblick in die
Anschauungsweise der feudalen Gesetzgeber. Da es sich hier um eine An¬
gelegenheit handelte, welche das pecuniäre Interesse der Einzelnen sehr nahe
anging, so waren die Ritter sehr zahlreich erschienen und die Gemüther auf¬
geregter als gewöhnlich. Das ministerielle Blatt selbst berichtet, daß nicht
selten mindestens zehn Redner auf einmal sich hören ließen. Bei der Be¬
Berathung über das Schulgeld wurde die vom Comite vorgeschlagene Be¬
stimmung, daß alle Ortseinwohner, ausgenommen der Gutsbesitzer und der
Prediger, für ihre Kinder das Schulgeld an ihrem Orte zu entrichten hätten,
auch wenn dieselben, mit Genehmigung des Gutsherrn, eine andere Schule
besuchten, von dem Landrath v. Rieden warm befürwortet. Denn es gebe
jetzt eine Menge von Leuten, welche lediglich aus Hochmuth und Eitelkeit,
aus bloßer Sucht zu glänzen, ihre Kinder auf eine andere Schule schickten.
Ein Bürgermeister erlaubte sich den bescheidenen Einwan'd, daß es doch wohl
Unrecht wäre, Eltern dafür zu strafen, wenn sie ihren Kindern besseren
Unterricht ertheilen ließen, als. er an ihrem Wohnorte zu haben wäre. Er
rief aber dadurch große Aufregung und lebhaften Widerspruch hervor und
die Versammlung entschied sich durch Acclamation für den Vorschlag des
Comite. Herr von Oertzen auf Roggow äußerte den Wunsch, daß die bis¬
herige Sitte der Verbindung eines Handwerksbetriebes mit dem Schulmeister¬
amt beibehalten werden möchte. Denn Arbeit thue einem Menschen gut und
sonst wüßten die Lehrer namentlich während der Ferien nicht, sich zu be¬
schäftigen. Man müsse sie vor dem Nichtsthun bewahren und jeder Obrig¬
keit überlassen, mit ihren Gehaltsansprüchen fertig zu werden.

Daß es nach den gemachten Erfahrungen der Regierung noch immer
möglich ist, für die Reform eines besonderen ritterschaftlichen Schulwesens zu
wirken, und daß sie nicht auch an diesem Punkte gewahr wird, wie noth¬
wendig es ist, dem Staatswesen eine einheitliche Gestalt zu geben, ist schwer
begreiflich.

Kaum glücklicher wird der Versuch auslaufen, die Errichtung von Erb-
zinsstellen auf ritterschaftlichen Gütern zu erleichtern und dadurch zu be¬
fördern. Die Negierung machte die Entdeckung, daß seit dem Jahre 1827,
wo ein Gesetz zu gleichem Zwecke erlassen worden war, eine Vermehrung des
kleinen Grundbesitzes auf ritterschaftlichen Gütern nicht eingetreten ist, und
sie fand dies darin begründet^ daß durch eine Reihe von Bestimmungen jenes
Gesetzes die Errichtung von Erbzinsstellen theils geradezu ausgeschlossen, theils
erheblich erschwert werde. Sie suchte nun diesen Uebelständen durch einen

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[0198] Schulgeld für jedes Kind erhöhet wurde. Dagegen wurde die Errichtung der Bildungsanstalt und das Aufgeben der Kündigungsbefugniß ehrerbietigst abgelehnt, auch das erhöhet« Minimum nicht auf die bereits angestellten Lehrer erstreckt. Die Verhandlung gewährte einen lehrreichen Einblick in die Anschauungsweise der feudalen Gesetzgeber. Da es sich hier um eine An¬ gelegenheit handelte, welche das pecuniäre Interesse der Einzelnen sehr nahe anging, so waren die Ritter sehr zahlreich erschienen und die Gemüther auf¬ geregter als gewöhnlich. Das ministerielle Blatt selbst berichtet, daß nicht selten mindestens zehn Redner auf einmal sich hören ließen. Bei der Be¬ Berathung über das Schulgeld wurde die vom Comite vorgeschlagene Be¬ stimmung, daß alle Ortseinwohner, ausgenommen der Gutsbesitzer und der Prediger, für ihre Kinder das Schulgeld an ihrem Orte zu entrichten hätten, auch wenn dieselben, mit Genehmigung des Gutsherrn, eine andere Schule besuchten, von dem Landrath v. Rieden warm befürwortet. Denn es gebe jetzt eine Menge von Leuten, welche lediglich aus Hochmuth und Eitelkeit, aus bloßer Sucht zu glänzen, ihre Kinder auf eine andere Schule schickten. Ein Bürgermeister erlaubte sich den bescheidenen Einwan'd, daß es doch wohl Unrecht wäre, Eltern dafür zu strafen, wenn sie ihren Kindern besseren Unterricht ertheilen ließen, als. er an ihrem Wohnorte zu haben wäre. Er rief aber dadurch große Aufregung und lebhaften Widerspruch hervor und die Versammlung entschied sich durch Acclamation für den Vorschlag des Comite. Herr von Oertzen auf Roggow äußerte den Wunsch, daß die bis¬ herige Sitte der Verbindung eines Handwerksbetriebes mit dem Schulmeister¬ amt beibehalten werden möchte. Denn Arbeit thue einem Menschen gut und sonst wüßten die Lehrer namentlich während der Ferien nicht, sich zu be¬ schäftigen. Man müsse sie vor dem Nichtsthun bewahren und jeder Obrig¬ keit überlassen, mit ihren Gehaltsansprüchen fertig zu werden. Daß es nach den gemachten Erfahrungen der Regierung noch immer möglich ist, für die Reform eines besonderen ritterschaftlichen Schulwesens zu wirken, und daß sie nicht auch an diesem Punkte gewahr wird, wie noth¬ wendig es ist, dem Staatswesen eine einheitliche Gestalt zu geben, ist schwer begreiflich. Kaum glücklicher wird der Versuch auslaufen, die Errichtung von Erb- zinsstellen auf ritterschaftlichen Gütern zu erleichtern und dadurch zu be¬ fördern. Die Negierung machte die Entdeckung, daß seit dem Jahre 1827, wo ein Gesetz zu gleichem Zwecke erlassen worden war, eine Vermehrung des kleinen Grundbesitzes auf ritterschaftlichen Gütern nicht eingetreten ist, und sie fand dies darin begründet^ daß durch eine Reihe von Bestimmungen jenes Gesetzes die Errichtung von Erbzinsstellen theils geradezu ausgeschlossen, theils erheblich erschwert werde. Sie suchte nun diesen Uebelständen durch einen Z

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/198>, abgerufen am 22.07.2024.