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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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Es kam ihr nur darauf an, für ein Jahr einen Beitrag der Stände zu den
Bundeskosten zu erlangen. Ohne irgend eine Berechnung über die Leistungs¬
fähigkeit der landesherrlichen Kasse vorzulegen, veranschlagte sie die aus den
Bundespflichten sich ergebende Mehrbelastung derselben für das erste Jahr
auf 600,000 Thlr. und verlangte dazu vom Lande eine Beihilfe von 220.000
Thlr. Zugleich sprach sie die Erwartung aus, daß nach dem einstweilen noch
durch den Handelsvertrag mit Frankreich gehinderten Eintritt Mecklenburgs
in das deutsche Zollgebiet die alsdann für Mecklenburg in Rechnung kom¬
menden Auskünfte aus dem Zoll und den Consumtionssteuern sie der Noth¬
wendigkeit überheben würden, die Beihilfe des Landes zu den Bundeskosten
in Anspruch zu nehmen. Die Mittel zur Aufbringung der geforderten
220,000 Thlr. sollten etwa zur Hälfte durch Erhöhung einzelner Tarifsätze
des bestehenden mecklenburgischen Grenzzolls und Einführung einer Abgabe
von der Salzproduction, zur anderen Hälfte durch ein Simplum der außer¬
ordentlichen Contribution aufgebracht werden. Der Landtag fand am Vor¬
abend seines Zusammentritts die Gesetze über die Erhöhung der Zölle und
die Salzabgabe schon in voller Wirksamkeit vor. Denn vorsorglich hatte die
Negierung für diese Gesetzgebung dis Zustimmung des engeren Ausschusses
nachgesucht und dieser hatte, da er die geheime Vorbereitung der Maßregel
für die Bedingung ihrer Ausführbarkeit ansah und die Rechte der Stände
durch den Vorbehalt der nachträglichen Zustimmung des Landtags und der
eventuellen Rückzahlung des Betrages der Zollerhöhung an die Verzoller für
hinlänglich gewahrt erachtete, die kleine Competenzüberschreitung nicht ge¬
scheut, welche in der Ertheilung der verlangten Zustimmung lag.- Daß eine
Zurückversetzung in den ursprünglichen Zustand nicht möglich sei, daß man
wohl dem Kaufmann, der den Zoll verlegt, aber nicht dessen Kunden, die
ihn in dem Kaufpreise der Waare vergütet hatten, den Zoll zurückerstatten
könne, und daß daher diese Zurückerstattung für den ersteren nur den Cha¬
rakter eines reinen Geschenkes haben würde, war dabei übersehen worden.

Die Ritterschaft war mit der vollendeten Thatsache sehr einverstanden,
da sie die Erhaltung der alten, ständischen Verfassung verhieß, und sie zögerte
daher nicht, ihre Bereitwilligkeit zur Bewilligung zu erklären. Die Land¬
schaft glaubte anfangs die Gelegenheit wahrnehmen zu müssen, um eine auf
das gesammte Abgabenwesen sich erstreckende Reform herbeizuführen, und
knüpfte daher die Bewilligung der geforderten Beihilfe an die Bedingung,
daß der Großherzog die Zusicherung ertheile, sofort Verhandlungen wegen
einer solchen Reform mit ständischen Deputirten einleiten zu wollen. Die
Regierung kannte jedoch aus Erfahrung den geringen Grad von Festigkeit,
welchen die städtischen Magistratspersonen ihr gegenüber besitzen, und wei¬
gerte sich daher, auf das Verlangen der Landschaft einzugehen. Es bedürfte


Es kam ihr nur darauf an, für ein Jahr einen Beitrag der Stände zu den
Bundeskosten zu erlangen. Ohne irgend eine Berechnung über die Leistungs¬
fähigkeit der landesherrlichen Kasse vorzulegen, veranschlagte sie die aus den
Bundespflichten sich ergebende Mehrbelastung derselben für das erste Jahr
auf 600,000 Thlr. und verlangte dazu vom Lande eine Beihilfe von 220.000
Thlr. Zugleich sprach sie die Erwartung aus, daß nach dem einstweilen noch
durch den Handelsvertrag mit Frankreich gehinderten Eintritt Mecklenburgs
in das deutsche Zollgebiet die alsdann für Mecklenburg in Rechnung kom¬
menden Auskünfte aus dem Zoll und den Consumtionssteuern sie der Noth¬
wendigkeit überheben würden, die Beihilfe des Landes zu den Bundeskosten
in Anspruch zu nehmen. Die Mittel zur Aufbringung der geforderten
220,000 Thlr. sollten etwa zur Hälfte durch Erhöhung einzelner Tarifsätze
des bestehenden mecklenburgischen Grenzzolls und Einführung einer Abgabe
von der Salzproduction, zur anderen Hälfte durch ein Simplum der außer¬
ordentlichen Contribution aufgebracht werden. Der Landtag fand am Vor¬
abend seines Zusammentritts die Gesetze über die Erhöhung der Zölle und
die Salzabgabe schon in voller Wirksamkeit vor. Denn vorsorglich hatte die
Negierung für diese Gesetzgebung dis Zustimmung des engeren Ausschusses
nachgesucht und dieser hatte, da er die geheime Vorbereitung der Maßregel
für die Bedingung ihrer Ausführbarkeit ansah und die Rechte der Stände
durch den Vorbehalt der nachträglichen Zustimmung des Landtags und der
eventuellen Rückzahlung des Betrages der Zollerhöhung an die Verzoller für
hinlänglich gewahrt erachtete, die kleine Competenzüberschreitung nicht ge¬
scheut, welche in der Ertheilung der verlangten Zustimmung lag.- Daß eine
Zurückversetzung in den ursprünglichen Zustand nicht möglich sei, daß man
wohl dem Kaufmann, der den Zoll verlegt, aber nicht dessen Kunden, die
ihn in dem Kaufpreise der Waare vergütet hatten, den Zoll zurückerstatten
könne, und daß daher diese Zurückerstattung für den ersteren nur den Cha¬
rakter eines reinen Geschenkes haben würde, war dabei übersehen worden.

Die Ritterschaft war mit der vollendeten Thatsache sehr einverstanden,
da sie die Erhaltung der alten, ständischen Verfassung verhieß, und sie zögerte
daher nicht, ihre Bereitwilligkeit zur Bewilligung zu erklären. Die Land¬
schaft glaubte anfangs die Gelegenheit wahrnehmen zu müssen, um eine auf
das gesammte Abgabenwesen sich erstreckende Reform herbeizuführen, und
knüpfte daher die Bewilligung der geforderten Beihilfe an die Bedingung,
daß der Großherzog die Zusicherung ertheile, sofort Verhandlungen wegen
einer solchen Reform mit ständischen Deputirten einleiten zu wollen. Die
Regierung kannte jedoch aus Erfahrung den geringen Grad von Festigkeit,
welchen die städtischen Magistratspersonen ihr gegenüber besitzen, und wei¬
gerte sich daher, auf das Verlangen der Landschaft einzugehen. Es bedürfte


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/190>, abgerufen am 25.08.2024.